Die vor 30 Jahren abgebaute Bahnstrecke zwischen Schramberg und Schiltach könnte reaktiviert werden. Der Landkreis Rottweil will einen Förderantrag für eine Machbarkeitsstudie beim Land stellen. Foto: Archiv

Vor 30 Jahren wurde die Bahnstrecke zwischen Schramberg und Schiltach abgebaut, nun könnte sie mithilfe von Fördergeldern von Land und Bund reaktiviert werden. Aber macht das überhaupt Sinn? Die Mehrheit des Rottweiler Kreistags entschied, dem Ganzen wenigstens eine Chance zu geben.

Schramberg/Schiltach - Der öffentliche Nahverkehr soll bis 2030 verdoppelt werden – ein ambitioniertes Ziel, das unter anderem durch die Reaktivierung von stillgelegten Bahnstrecken erfolgen soll. 42 solcher Strecken wurden in Baden-Württemberg hinsichtlich ihres Fahrgastpotentials untersucht. Bei der Sinnhaftigkeit des Ganzen schieden sich in Bezug auf die Reaktivierung von Schramberg – Schiltach die Geister im Rottweiler Kreistag.

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Es ging darum, zu entscheiden, ob man einen Förderantrag beim Land stellen und bei positiver Rückmeldung eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben will. Eine solche könnte vom Land mit maximal 75 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten beziehungsweise maximal 100 000 Euro gefördert werden. Der Antrag müsste aber bis zum Jahresende eingereicht werden. Sollte es dann ganz am Ende zu einer Reaktivierung kommen, so stellt der Bund in Aussicht, bis zu 90 Prozent der Kosten zuzüglich einer Planungskostenpauschale zu übernehmen. Das Land würde dann zusätzlich 57,7 Prozent der nicht vom Bund abgedeckten Bau- und Planungskosten übernehmen – eine satte Finanzspritze also.

Die Städte Schramberg und Schiltach hatten bereits ihr Interesse beziehungsweise ihre Zustimmung zu einer Machbarkeitsstudie signalisiert. Sie würden jeweils 25 Prozent der nach Abzug der Förderung verbleibenden Kosten übernehmen. Beim Landkreis Rottweil blieben damit nur noch 50 Prozent. Trotzdem waren die Meinungen des Rottweiler Kreistages geteilt.

Starke Regiobuslinie vorhanden

"Wir haben bereits eine starke Regiobuslinie. Ich sehe da keinen Mehrwert und keine Notwendigkeit, mehr Geld in dieses Projekt zu stecken", meinte FWV-Kreisrat Markus Huber in der jüngsten Sitzung. "Die Schiene zieht aber mehr Leute an als der Bus", gab Hartmut Jaißle von der "NahverkehrsBeratung Südwest" zu bedenken. Sein Kollege Harald Blome meinte zudem, die Potenzialanalyse sei nur eine Art Schnelltest gewesen. In der Machbarkeitsstudie würden Kosten und Nutzen von Bus und Bahn detailliert verglichen.

Zuvor hatte er die bisherigen Untersuchungsergebnisse der Potenzialanalyse auf der Strecke vorgestellt. Die erste Hürde war gewesen, nachzuweisen, dass die Mindestanforderung von 500 Fahrgästen täglich auf der Strecke Schramberg – Schiltach erfüllt ist. Die "NahverkehrsBeratung Südwest" hatte auf der Basis von Daten der Agentur für Arbeit und des Statistischen Landesamtes Pendlerströme auf der Strecke untersucht. Hinzu kamen Verkehrszählungen an bestimmten Stellen.

BBS-Verlagerung fällt nicht ins Gewicht

Allein von Schramberg nach Schiltach seien täglich 350 Personen unterwegs, umgekehrt immerhin um die 250. Hinzu kämen Menschen aus umliegenden Städten und Gemeinden, die den Weg über Schramberg und Schiltach zu ihrer Arbeitsstelle nähmen, stellte Blome vor. Berufspendler machten aber lediglich 17 Prozent des gesamten Verkehrsaufkommens aus, erklärte der Nahverkehrs-Experte. Zusätzlich werde die Strecke für Dienstfahrten, Erledigungen, Einkäufe und Freizeitaktivitäten genutzt.

Rechne man die erhobenen Daten hoch, so lande man bei rund 11 000 Personenfahrten täglich im Schiltachtal. In einer ländlichen Region wie hier betrage der Anteil des ÖPNV am motorisierten Gesamtverkehr derweil grob zwischen 6,7 und 8,3 Prozent. Somit komme man auf 740 bis 916 Personenfahrten pro Tag. Rechne man nun noch die geplante Werksverlegung der Firma BBS in Schiltach ein, so verliere man lediglich rund 24 ÖPNV-Fahrten, erklärte Blome. Diese falle also nicht stark ins Gewicht.

Mindestanforderung übertroffen

Die Mindestanforderung von 500 Fahrten sei damit weit übertroffen, merkte Landrat Wolf-Rüdiger Michel an. Mehr müsse man in der jetzigen Stufe noch nicht nachweisen. Auch die Prognose der Bevölkerungszahlen bis 2035 zeige, dass genügend Fahrgastpotenzial vorhanden wäre, meinte Blome. Das heiße jedoch nicht, dass Kosten und Nutzen bei einer Reaktivierung ausgeglichen wären. Das herauszufinden, sei dann Teil der Machbarkeitsstudie.

Axel Rombach (FWV) gab mehrere Dinge zu bedenken. Zum einien verfüge man bereits über gute Straßen und einen verbindenden Radweg – ein solcher könnte noch ein Stolperstein für die Förderung einer Reaktivierung sein, wie Landrat Michel anmerkte, doch das sei noch abzuklären. Die bestehenden Strukturen dürften durch die Reaktivierung der Bahnlinie nicht an Qualität verlieren, meinte Rombach. Zudem müsse man an das Thema Klimaneutralität denken, wenn man etwas für die Zukunft entwickeln wolle. Des Weiteren müsse man unbedingt über Schramberg und Schiltach hinausdenken und die Anschlüsse nach Rottweil und Villingen-Schwenningen miteinbeziehen. Generell appellierte Rombach daran, den Blick nicht zurück zu werfen auf die alte Bahnlinie, sondern nach vorne auf künftige Potenziale zu richten.

Noch Luft nach oben

Clemens Maurer (CDU) meinte, aus heutiger Sicht würde man die Schiene zwischen Schramberg und Schiltach wohl nicht mehr abbauen. Darauf ziele ja auch das Programm zur Reaktivierung ab. Er sprach sich für die Machbarkeitsstudie aus. Sie sei ein Instrument, mit dem sich eine fundierte Entscheidung treffen lasse.

Herbert Halder (CDU) meinte, er habe Schwierigkeiten mit diesem Thema. Er fragte sich, warum das ermittelte Fahrgastpotenzial nicht bereits vom Regiobus genutzt werde, und woher dieses zusätzliche Potenzial überhaupt komme. Blome stimmte ihm zu. Der Experte meinte, er frage sich selbst, warum der Regiobus das vorhandene Potenzial nicht nutze. Da sei noch Luft nach oben.

Ablenkung von anderen Projekten?

Peter Schumacher (FWV) warnte davor, die zentralen Projekte, wie den Gäubahnausbau und die Schramberger Talumfahrung, durch solche "Nebenschauplätze" wie die Schiene zwischen Schramberg und Schiltach zu konterkarieren. In Schiltach sei das Projekt umstritten. Zudem habe der Kreistag vor Kurzem erst eine Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung der Bahnstrecke Rottweil – Balingen abgelehnt. Statt Bundes- und Landesgelder, die im Endeffekt Steuergelder seien, in so ein Projekt zu investieren, sollten diese lieber für etwas Anderes genutzt werden, fand er.

Landrat Michel setzte dem Vergleich mit Rottweil – Balingen entgegen, dass es sich dabei um eine deutlich anspruchsvollere Topografie mit einigen Schwierigkeiten gehandelt hätte. Bei der Strecke Schiltach – Schramberg, beides Tallage, habe man so ein Problem nicht. Deshalb seien die Strecken kaum vergleichbar.

Berthold Kammerer (SPD) erkundigte sich nach den beim Kreis verbleibenden Kosten für eine Machbarkeitsstudie. Verkehrsdezernent Oliver Brodmann meinte, mit rund 20 000 Euro wäre für die Studie für Rottweil – Balingen zu rechnen gewesen. Bei Schramberg – Schiltach wären die Kosten vermutlich etwas geringer.

Wertvolle Erkenntnisse

Schiltachs Bürgermeister Thomas Haas (FWV) meinte, man sollte die Chance auf eine Machbarkeitsstudie nutzen. Sie könne nützliche Hinweise liefern. Wenn sich die Reaktivierung als nicht sinnvoll erweisen sollte, so könne man vielleicht immerhin Erkenntnisse für die Verbesserung des Regiobusses herausziehen.

Am Ende stimmten 25 Kreisräte dafür, einen Förderantrag beim Land zu stellen. 14 stimmten dagegen, drei enthielten sich. Man werde in jedem Fall noch einmal zur Beschlussfassung zusammenkommen, ehe die Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben werde, sagte Landrat Michel zu. Aber wenn man die Zusage für eine Förderung bekomme, dann sollte man diese Chance auch wahrnehmen, so seine abschließende Bemerkung.