Vor dem Schramberger Rathaus herrscht nach der Tat am 20. März Ausnahmezustand. Foto: Dold

Elternaussage bei Prozess nicht öffentlich. Zeugin: Blut tropfte hinunter auf den Boden. Mit Video

Schramberg/Rottweil - Das Leben des Schramberger Kämmerers hing nach der Messer-Attacke am seidenen Faden. Nur dem schnellen Eingreifen der Ersthelfer und der sofortigen Notoperation ist es zu verdanken, dass der heute 63-Jährige überlebte. Dies wurde am zweiten Prozesstag deutlich.

Die Aussagen des operierenden Gefäßchirurgen, der rechtsmedizinischen Sachverständigen und der Ersthelferin aus dem Rathaus, die von ihren Kollegen zu Hilfe gerufen worden war, zeichneten am Montag vor der ersten Schwurgerichtskammer des Landgerichts Rottweil ein genaues Bild von der dramatischen Entwicklung nach der Tat.

Der 26-jährige Angeklagte, dem die Staatsanwaltschaft versuchten Mord vorwirft, folgte der Verhandlung auch an diesem Tag blass und schweigend. Mehrfach benötigte er eine Pause, verlangte von seinen Begleitern des Justizvollzugskrankenhauses Hohenasperg nach mehr Mineralwasser. Am Morgen war er hinter verschlossenen Türen weiter befragt worden. Dies falle dem 26-Jährigen schwer, so sein Anwalt, er könne nicht lange am Stück reden. Er ist womöglich wegen einer psychischen Erkrankung vermindert schuldfähig.

Zeugin: Blut tropfte hinunter auf den Boden

Dass der Messerstich des mutmaßlichen Täters in die Achselhöhle des Kämmerers Schlimmes angerichtet hat, verdeutlichten die Schilderungen der 36-jährigen Ersthelferin. Als sie ins Vorzimmer des Oberbürgermeisters geeilt sei, habe sie den Kämmerer auf einem Stuhl sitzend vorgefunden, das Blut sei hinunter auf den Boden getropft. Er habe ganz gefasst gesagt, dass er "angestochen" worden sei. Sie habe tief durchgeatmet und aus dem von Oberbürgermeister Thomas Herzog herbeigeschafften Notfallkoffer die Druckverbände herausgeholt. Es sei jedoch schwierig gewesen zu lokalisieren, wo die Verletzung genau ist. "Immer wenn er seinen Arm bewegte, kam ein ganzer Schwall Blut" berichtete sie. Sie habe daraufhin den Arm nach unten gedrückt. Als der Kämmerer immer blasser geworden und auch kurz weggetreten sei, habe man ihn auf den Boden gelegt. "Ich habe immer auf ihn eingeredet, ihm Fragen gestellt und versucht, ihn bei Bewusstsein zu halten".

Zwischenzeitlich kamen auch der Leiter der Stadtwerke sowie ein zufällig am Rathaus vorbeikommender gelernter Rettungshelfer hinzu. Dieser schilderte vor Gericht, er habe draußen gesehen, wie eine Frau am Rathausfenster panisch "Rettungswagen, Rettungswagen" geschrien habe. Er habe dann bei der Versorgung geholfen und in die Achselhöhle des Opfers gedrückt, um die Blutung zu stillen.

Für die 36-jährige Ersthelferin des Rathauses war die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes quälend. "Für mich ging es recht lange, bis der Notarzt kam." Der Kämmerer sei schon "ganz weiß" gewesen, habe aber der Polizei noch eine Täterbeschreibung geben können.

"Wenn nicht schnellstens die OP eingeleitet worden wäre, wäre zügig ein lebensbedrohlicher Schock eingetreten", erklärte die rechtsmedizinische Sachverständige Adina Schweickhardt. Auch eine Nekrose, das Absterben des Gewebes im Arm, sei zu befürchten gewesen. Die Nachfrage von Richter Koch, ob akute Lebensgefahr bestanden habe, beantwortete sie mit einem klaren "Ja". Trotz Bluttransfusion sei der Blutwert nach der OP schlecht gewesen. Mit der Arterie in der Achselhöhle sei ein "sehr großes Gefäß" verletzt worden.

Opfer verfolgt den Prozess

Der Gefäßchirurg des Schwarzwald-Baar-Klinikums schilderte, dass ein Mitarbeiter des Rettungsdienstes bis zur OP die Faust in der Achselhöhle des Opfers hatte, um den Blutverlust einzudämmen. Arterie und Vene waren jeweils zu großen Teilen durchtrennt sowie Nerven verletzt. Ob das Gefühl in der Hand des Opfers wieder zurückkommt, lasse sich nicht sagen, erklärte die Rechtsmedizinerin auf Nachfrage.

Sie hatte noch am Tattag den festgenommenen 26-Jährigen untersucht und bei ihm keine Verletzungen festgestellt. Ob sie sich von ihm bedroht gefühlt habe, wollte Richter Koch wissen. "Ich war froh, dass weitere Polizeibeamte im Raum waren", räumte die Gutachterin ein.

Wie und wann der mutmaßliche Täter am 20. März das Schramberger Rathaus betreten hat, ließ sich für die Kriminaltechniker der Kripo Rottweil nicht mehr feststellen. Sicher sei jedoch, dass die Sprudelflasche, die der Täter vor der Messer-Attacke gegen die Aufzugstür geworfen hatte – und deren die Scherben schon vor der Spurensicherung von einer eifrigen Putzkraft zusammengekehrt worden waren –, aus den Beständen des Rathauses stammte.

Das Opfer, dessen Frau und der ehemalige Oberbürgermeister Thomas Herzog verfolgten auch den zweiten Prozesstag. Am Nachmittag sagten die Eltern des Angeklagten unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus.

Der Prozess wird am 6. Dezember fortgesetzt.

Mehr über den Angriff auf den Kämmerer gibt es im Video: