Zum 60. Mal jährt sich die Hochwasserkatastrophe in Schramberg. Könnte sich ein solches Ereignis wiederholen? (Symbolfoto) Foto: dpa

Verheerende Katastrophe jährt sich zum 60. Mal. Geschiebebauwerke und Tieferlegung.

Schramberg - Zum 60. Mal jährt sich 2019 die verheerende Hochwasserkatastrophe, die am 21. Mai 1959 nach ungewöhnlich heftigem Gewitter über Schramberg hereinbrach.

In kürzester Zeit verwandelten sich Schiltach, Lauterbach und andere Bäche in reißende Ströme: Der Schlossplatz wurde zum See, die Hauptstraße zum Fluss. Das Wasser lief in die Keller und überschwemmte die Läden. Es entstand ein Millionenschaden: Die Schadensschätzungen gingen am Tag danach in die Millionen. 550 Gebäude wurden beschädigt.

Wir haben Fachbereichsleiter Rudolf Mager gefragt, ob sich eine solche Katastrophe wiederholen könnte und wie man ihr vorbeugen kann.

Herr Mager, welche besondere Wetterlage verursachte damals das Hochwasser?

Es war ein Starkregenereignis mit besonders hohen lokalen Niederschlagsmengen. "Starkregenereignisse" sind lokal begrenzte Regenereignisse mit großer Niederschlagsmenge und hoher Intensität. Sie sind meist von sehr geringer räumlicher Ausdehnung und kurzer Dauer. Starkregen sind gekennzeichnet durch extrem kurze Vorwarnzeiten sowie eine unsichere Warnlage.

In hügeligem, bergigem Gelände fließt das Wasser bei Starkregenereignissen zum großen Teil außerhalb von Gewässern auf der Geländeoberfläche als sogenannte Sturzflut ab. Solche Sturzfluten verfügen über hohe Strömungskräfte und können große Mengen an Treibgut (wie Holz, Heu- und Silageballen) und erodierte Materialien (zum Beispiel Boden, Geröll) mit sich reißen. Dieses Material sammelt sich an Verdolungseinläufen, Verrohrungen, Brücken, Stegen, Zäunen oder Rechen, wodurch Abflusshindernisse (Verklausungen) und damit potenzielle Gefahrenpunkte entstehen. Durch den Rückstau wird das umliegende Gelände überflutet und es kann zu weiteren, schweren Schäden an Gebäuden und Infrastruktur kommen.

Wie hat man damals darauf reagiert?

Im Nachgang zum großen Hochwasser wurden umfangreiche Maßnahmen an den Gewässern der Stadt Schramberg durchgeführt. So wurden in den 1960er-Jahren die Gewässer Kirnbach, Göttelbach, Glasbach und Rosswald verbaut und mit Geschiebebauwerken versehen. Die alte Wehranlage im Bereich des Bernecksportplatzes wurde durch ein modernes Bauwerk ersetzt. In den 1990er-Jahren wurde mit dem Bau des Schlossbergtunnels vor dem City Center und im Bereich der St.-Maria-Kirche die Schiltach tiefergelegt.

Gleichzeitig wurden die Brücken über die Schiltach vom Leibbrandplatz bis Tunnelmund Süd neu gebaut. Im Bereich der St.-Maria-Kirche wurden im Rahmen der Tieferlegung der Schiltach ebenfalls sämtliche Brücken erneuert und das alte Majolika-Wehr durch einen Neubau ersetzt.

Steigt das Hochwasserrisiko für Schramberg durch die Klimaentwicklung?

Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) hat gemeinsam den mit der Universität Freiburg erarbeiteten Leitfaden "Kommunales Starkregenrisikomanagement in Baden-Württemberg" 2016 veröffentlicht. Das Umweltministerium geht davon aus, dass extreme Starkregen infolge des Klimawandels in Zukunft häufiger auftreten werden.

Ist der Hochwasserschutz im Stadtentwicklungskonzept 2030+ enthalten?

Im Konzept zum Stadtumbau 2030+, der sich aus der Landesgartenschaubewerbung entwickelt hat, sind der Hochwasserschutz und die wassersensible Stadt, als roter Faden durchgängig in vielen städtischen Aufgabenstellungen erkennbar. Das Verkehrskonzept Talstadt zum Beispiel hat viele Berührungspunkte entlang der Schiltach. Mit dem Hochwasserschutz verbunden, ergeben sich neue Lösungsansätze mit zusätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten und einem städtebaulichen Mehrwert. Dieser Mehrwert ist immer verbunden mit dem Ziel, die Bevölkerung näher mit ihrem Fluss in Verbindung zu bringen; dabei ergeben sich neue Antworten auf die Fragen nach Aufenthaltsqualität an der Schiltach, nach Zugangsmöglichkeiten, nach gastronomischen Nutzungen, Spielwiesen und auch nach Möglichkeiten, attraktiv am Wasser zu wohnen.

Was wären die wichtigsten Maßnahmen?

Die Revitalisierung der Schiltach zwischen Gymnasium und Schiltachstraße mit Aufweitungen und Uferabflachungen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes ist ein sehr langer Streckenabschnitt, der nicht in einem Zuge realisiert werden kann. Aus dem Gesamtkonzept gilt es Bauabschnitte zu bilden und die jeweiligen Synergieeffekte mit begleitenden verkehrlichen und städtebaulichen Aufgaben herauszuarbeiten, wie beispielsweise mit dem bestehenden Sanierungsgebiet Brestenberg/Sängerstraße herauszuarbeiten

Was ist konkret für wann geplant?

Es haben bereits im Zuge der Landesgartenschau-Bewerbung Gespräche mit dem Regierungspräsidium Freiburg für die Hochwasservorsorge und eine bessere Erlebbarkeit des Gewässers stattgefunden. Die Konzeption für Fußgänger und Radfahrer durchgängigen Ufergestaltung wurde entwickelt. Weitere hydraulische Untersuchungen und ein Vorentwurf zur revitalisierten Schiltach vom Majolika-Wehr bis Einmündung Lauterbach sind in Arbeit. Als erster Bauabschnitt ist der Bereich entlang der Brestenbergstraße von der St.-Maria-Kirche bis zur THW-Brücke für 2021 vorgesehen.

Gibt es Landes- oder Bundeszuschüsse dafür?

Nach der Förderrichtlinie für Gewässer können für Renaturierungen bis zu 85 Prozent Zuschuss gewährt werden; zudem gibt es eine Förderung für Hochwasser-Schutzmaßnahmen von bis zu 70 Prozent der Kosten. Das Land ist bei der Planung beteiligt, bei Gewässer erster Ordnung sogar Projektträger. (Hinweis: Die Schiltach ist in der gesamten Talstadt bis zur Einmündung des Kirnbachs auf Höhe des Bernecksportplatzes ein Gewässer erster Ordnung). Zudem hat die Herstellung der Durchgängigkeit für Fische am Majolika-Wehr eine hohe ökologische Wertigkeit.

Können Hochwasserschutzmaßnahmen und Renaturierung der Schiltach mit den damit verbundenen Möglichkeiten zum Spazierengehen oder am Wasser sitzen Hand in Hand gehen?

Selbstverständlich ist das möglich. Mit der Revitalisierung der Schiltach erfolgt neben dem großen Thema Hochwasserschutz insbesondere eine freiraumplanerische Aufwertung. Die Unverwechselbarkeit der Schramberger Talstadt und auch der touristische Aspekt werden gestärkt. Es wird ein sehr wichtiger Baustein zur Steigerung der innerstädtischen Aufenthaltsqualität in Verbindung mit einer pulsierenden Fußgängerzone sein.