Der psychische Zustand des 26-Jährigen Angeklagten liegt im Fokus des Verfahrens. Er brauchte auch am Freitag wieder zahlreiche Pausen, zeigte sich sichtlich angeschlagen. Foto: Otto

Staatsanwaltschaft fordert im Prozess ein Strafmaß von neun Jahren und Unterbringung.

Schramberg/Rottweil - Wie stark war der Wahn, wie laut waren die Stimmen im Kopf, als der 26-Jährige auf den Kämmerer der Stadt Schramberg mit einem Messer einstach? Der psychische Zustand des Angeklagten wird zum Dreh- und Angelpunkt des Verfahrens wegen versuchten Mordes. Die Staatsanwaltschaft fordert ein Strafmaß von neun Jahren und Unterbringung.

Das Plädoyer von Staatsanwältin Kroner ist am Freitag das einzige, was auch für die Ohren der Zuhörer bestimmt ist. Zuvor gibt der psychiatrische Sachverständige Charalabos Salabasidis hinter verschlossenen Türen sein Gutachten ab. Das dauert. Die Krankheitsgeschichte des 26-Jährigen ist lang, er war bereits mehrfach in psychiatrischer Behandlung. Der Zeitplan gerät in Verzug. Immer wieder werden Pausen gemacht, weil der Angeklagte höchst angespannt und angeschlagen ist. Das bestätigt sein Anwalt Wolfgang Burkhardt. Die Verlegung in die Psychiatrische Klinik auf der Reichenau habe dem 26-Jährigen zu schaffen gemacht.

Das 63-Jährige Opfer der Messerattacke, dessen Frau und der damalige Schramberger Oberbürgermeister Thomas Herzog warten gemeinsam auf den öffentlichen Teil der Verhandlung. Sie hoffen eigentlich, dass es vielleicht heute zu einem Urteil kommt.

Angeklagter bringt Wut mit Rathaus in Zusammenhang

Doch nein. Es bleibt an diesem Tag beim Plädoyer der Staatsanwaltschaft. Dass sich die Messer-Attacke genau so abgespielt hat, wie in der Anklage beschrieben, steht nach der Beweisaufnahme außer Frage. Der Angeklagte habe in seiner Vernehmung geschildert, dass "Stimmen im Kopf" ihm zuhause vorgegeben hätten, die Tat im Rathaus zu begehen, resümiert Staatsanwältin Kroner. Er sei wütend gewesen, weil er kein Arbeitslosengeld II bekommen habe, und habe diese Wut mit dem Rathaus in Zusammenhang gebracht. Dort angekommen, habe er im Obergeschoss zuerst eine Flasche Wasser ausgetrunken, diese gegen die Aufzugstür geworfen und dann auf den ins Foyer tretenden Kämmerer völlig grundlos eingestochen.

Zu diesem Zeitpunkt habe der 26-Jährige, gemäß den Ausführungen des Sachverständigen, an "paranoid-halluzinatorischer Schizophrenie" gelitten und sei psychopathologisch massiv in seinem Persönlichkeitsgefüge verändert gewesen.

"Dreh- und Angelpunkt", so die Staatsanwältin, sei die Frage, ob in diesem Fall Paragraf 20 oder 21 zur Anwendung kommt. Bei ersterem wird von Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störung ausgegangen, dann könnte der 26-Jährige nicht zu einer Strafe verurteilt werden. Paragraf 21 legt eine verminderte Schuldfähigkeit zugrunde, damit kann die Strafe gemildert werden.

Die Staatsanwaltschaft schließt eine völlige Schuldunfähigkeit nach Paragraf 20 jedoch aus und geht von einer verminderten Schuldfähigkeit aus: Der Angeklagte habe selbst gesagt, dass er die massiven Stimmen zuhause gehört habe, später im Rathaus dann nicht mehr. Er sei kurz nach der Tat reflektiert gewesen, so die Staatsanwältin. Darauf deute hin, dass er nach eigenen Angaben schockiert gewesen sei, als er das "Ritschen" des Messers gehört habe. Und: "Er war sich bewusst, dass er den Stich nicht dosieren kann. Er hat den Tod des Opfers billigend in Kauf genommen und vorsätzlich agiert." Durch seine krankhafte seelische Störung sei die Fähigkeit des 26-Jährigen, sein Unrecht einzusehen, jedoch rechtserheblich gestört gewesen.

Plädoyer am 12. Dezember

Die Staatsanwältin betonte: Dass es beim versuchten Mord blieb, sei nur dem "glücklichen Umstand" geschuldet, dass die Ersthelfer dem schwer verletzten Kämmerer so schnell und korrekt geholfen hätten.

Der 26-Jährige sei schuldig des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und des Besitzes und Führens einer verbotenen Waffe. Staatsanwältin Kroner plädierte auf ein Strafmaß von neun Jahren und Unterbringung des Angeklagten in einer psychiatrischen Klinik. Von ihm gehe weiterhin Gefahr aus - vor allem weil zu seiner psychischen Krankheit auch chronischer Alkohol- und Cannabiskonsum komme. Wer den 26-Jährigen auf der Anklagebank sehe, könne deutliche Krankheitssymptome erkennen.

Am Schluss ergriff ausnahmsweise auch der 26-Jährige das Wort und bat - in Absprache mit seinem Anwalt - leise darum, den Prozesstag zu beenden. Der Verteidiger wird sein Plädoyer am Donnerstag, 12. Dezember, halten.