Der Untergang der "Wilhelm Gustloff" am 30. Januar 1945 Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Ausstellungstrilogie zum 70. Geburtstag von Uwe Rettkowski / Finissage am Sonntag, 8. Juli

Für den ersten Teil der Ausstellungstrilogie zu seinem 70. Geburtstag hat der Grafiker und Illustrator Uwe Rettkowski auch eindrucksvolle Zeichnungen zum Schicksal seiner Familie im Zweiten Weltkrieg geschaffen.

Schramberg. In der "Retrospektive" – so der Titel des ersten Teils der vom Stadtarchiv und Stadtmuseum Schramberg organisierten Präsentation – blicken diese Bilder auf das schreckliche Geschehen in den damaligen deutschen Ostgebieten im Winter 1944/45 zurück.

Es war ein harter und kalter Winter, für den Uwe Rettkowski deshalb auch winterliche Blau- und Weißtöne als Hintergrund für seine Zeichnungen gewählt hat. Dadurch kann der Betrachter die die Not der damals flüchtenden und vertriebenen Menschen atmosphärisch eindrücklich nachempfinden.

Fast ein Menschenalter nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges – die letzten Zeitzeugen sind heute hochbetagte Mitbürger – hat Uwe Rettkowski mit diesem Bildwerk für seine Heimatstadt Schramberg ein bleibendes Zeugnis für das Schicksal der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen geschaffen. Schramberg wird die Bilder deshalb auch zum Jahresende für ihre Sammlungen erwerben.

Uwe Rettkowski ist in den 1950er-Jahren als Kind von Werner Rettkowski (1916 bis 1997) aus Ostpreußen und Brigitte Rettkowski (1923 bis 2012) aus Schlesien im Stadtteil Sulgen aufgewachsen, wo damals von der Stadt Schramberg und der Württembergischen Heimstätte eine Siedlung für die neuen Mitbürger aus dem deutschen Osten gebaut wurde. Einige Straßen in dieser Siedlung wurden auch nach ostdeutschen Städten und Persönlichkeiten benannt.

Hab und Gut ist auf Wägen gepackt

Die dort lebenden Flüchtlinge und Heimatvertriebenen – und vor allem ihre vielen Geschichten, die bei den Zusammenkünften erzählt wurden – prägten die Kinderwelt von Uwe Rettkowski. Dabei spürte er bereits als Kind, wie traumatisch die Erlebnisse für die Erwachsenen waren. Auf einem seiner Bilder zieht ein Flüchtlingstreck über das zu dieser Zeit zugefrorene Haff an der Ostseeküste. Das kleine Dorf, das die Menschen verlassen, ist im Hintergrund noch zu sehen. Ihr Hab und Gut haben sie auf Wägen gepackt, die von Pferden und Menschen gezogen werden. Ein Auto – ein "Volkswagen" – ist bereits im Eis eingebrochen. An der Spitze des Zuges geht eine Mutter, die ihr jüngstes Kind auf dem Arm trägt. Weitere Gruppen sind ganz klein im Hintergrund bis zum Dorfrand zu sehen – ein Symbol für das massenhafte Schicksal.

Am Ende dieser Katastrophe waren zwischen zwölf und 14 Millionen Deutsche von Flucht und Vertreibung betroffen.

Die Zahl der Toten konnte bis heute nur annäherungsweise festgestellt werden. Schätzungen bewegen sich zwischen mehreren Hunderttausend bis zu zwei Millionen Todesopfern. Unter diesen Menschen war auch eine ihm nur dem Namen nach bekannte "Tante Anna", die sich an Bord des Flüchtlingsschiffs Wilhelm Gustloff befand, das am 30. Januar 1945 von einem sowjetischen U-Boot in der Ostsee versenkt wurde. Bei der Katastrophe verloren mehrere Tausend Menschen ihr Leben.

Auf einem seiner Bilder hat sich Uwe Rettkowski in die drangvolle Enge auf diesem Flüchtlingsschiff hineinversetzt. Seine "Tante Anna" blickt dem Betrachter entgegen. Das Bild wird durch einen Riss in zwei Hälften geteilt. Links sind die Flüchtlinge und rechts der Untergang des Schiffs. Boote werden zu Wasser gelassen. Menschen schwimmen in der eiskalten Ostsee. Ins Meer hat der Grafiker und Illustrator den überlieferten Funkspruch geschrieben: "Wilhelm Gustloff sinkt quer ab. 30.01.1945 23.08 h – 550 07‘ Nord, 170 42‘ Ost. Erbitten Hilfe."

Glogau wird zur "Festung" erklärt

Auch dem Schicksal der Heimatstadt seiner Mutter, Glogau in Schlesien, hat Uwe Rettkowski eine Zeichnung gewidmet. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Glogau zur "Festung" erklärt und bei den Kämpfen mit der Roten Armee nahezu vollständig zerstört.

Die Zeichnung zeigt unten die in Flammen aufgehende Sankt-Nikolaus-Kirche – das Wahrzeichen der Stadt – und oben ein Porträt ihres großen Sohnes Andreas Gryphius (1616 bis 1664). Sein Gedicht "Tränen des Vaterlandes" – mitten im Dreißigjährigen Krieg entstanden – hat Uwe Rettkowski ebenfalls in das Bild aufgenommen.

Es ist eine zeitlose Klage über das Elend des Krieges, einer Geißel der Menschheit, von der sie bis heute nicht befreit werden konnte.

Was damals für Europa und Deutschland galt, gilt heute für Afghanistan, Syrien und viele andere Kriegs- und Krisengebiete in unserer Welt, aus denen Flüchtlinge zu uns kommen: "Wir sind doch nunmehr gantz / ja mehr denn gantz verheeret! […] Was grimmer denn die Pest / und Glutt und Hungersnoth / Daß auch der Seelenschatz / so vielen abgezwungen."

Teil eins der Ausstellungstrilogie zum 70. Geburtstag von Uwe Rettkowski ist noch bis Sonntag, 8. Juli, in der Alten Sankt Laurentiuskirche in Schramberg-Sulgen zu sehen (sonntags 14 bis 17 Uhr). Morgen, Sonntag, 24. Juni, besteht Gelegenheit, ab 15 Uhr mit dem Grafiker und Illustrator in der Ausstellung ins Gespräch zu kommen. Am Sonntag, 8. Juli, wird um 15 Uhr zur Finissage eingeladen. Teil zwei mit dem Titel "Ansichten" wird am Freitag, 13. Juli, ab 19.30 Uhr auf dem Rathausplatz in Schramberg eröffnet.