Vor dem Amtsgericht in Oberndorf wird am Mittwoch ein Schlägerduo verurteilt. Foto: Fritsche

14-jähriges Opfer brutal zusammengeschlagen. Richter Wolfgang Heuer: "Mama Merkel zahlt."

Schramberg/Oberndorf - Wegen gefährlicher Körperverletzung an einem 14-Jährigen mussten sich am Mittwoch zwei Jugendliche vor dem Amtsgericht Oberndorf verantworten. Der Haupttäter zeigt sich geständig, sein Mittäter hält sein Lügengebäude bis kurz vor Schluss aufrecht.

Die zwei mutmaßlichen Schläger sollen das Opfer am 9. September 2019 beim Cityhochhaus in Schramberg mehrfach mit Fäusten, Knien und Ellenbogen ins Gesicht geschlagen haben, so dass dieses schwere Gesichtsverletzungen erlitt. Ein dritter unbekannter Täter soll das 14-jährige Opfer währendessen festgehalten haben, damit dieses sich nicht wehren konnte. Jedoch konnte er nicht ermittelt werden.

Der 18-jährige Haupttäter aus Schramberg muss jetzt eine Woche Dauerarrest in einer Jugendvollzugsanstalt absitzen, an einem sozialen Trainingskurs (STK) teilnehmen sowie 60 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten. Sein 14-jähriger Mittäter wird zu einem Wochenende Freizeitarrest in einer Jugendvollzugsanstalt verurteilt und muss ebenfalls an einem STK teilnehmen. Zudem wird der Schüler bis zum Ende dieses Jahres vom Jugendamt betreut.

Obwohl der 18-Jährige laut Gesetz voll strafmündig ist, wurde er von Richter Wolfgang Heuer nach Jugendstrafrecht verurteilt, da er noch nicht so weit entwickelt sei wie er in seinem Alter sein sollte. Der Täter ist seit mehr als zwei Jahren arbeitslos, wohnt bei und lebt von seinen Eltern. Das Urteil entlaste den 18-Jährigen, denn dieser erhält somit keine Eintragung einer Vorstrafe in seiner Akte, meinte Heuer. Zudem würdigte der Richter das direkte Geständnis des 18-Jährigen: "Wenn ich einen Fehler mache, stehe ich dazu." Der 14-jährige Mitangeklagte dagegen bestritt das Ganze bis kurz vor Schluss: Er habe nichts getan.

Grund des Ganzen sei gewesen, dass das 14-jährige Opfer mehrere Wochen zuvor in der Schule eine Auseinandersetzung mit einem jüngeren Schüler, ein Bekannter des 18-jährigen Täters, hatte. Dies wurde aber längst schulintern geklärt, erklärte Heuer. Der Schläger habe das zum Anlass genommen, "Aushilfspolizist" zu spielen, wie Heuer es bezeichnete, und habe die Angelegenheit selbst klären wollen. Vor dem Eingang eines Dönerladens beim Cityhochhaus in Schramberg sprach der Täter das 14-jährige Opfer an. Dort kam es zu einer lauten verbalen Auseinandersetzung, sodass der Inhaber des Dönerladens die Jungs bat, ihren Streit woanders zu klären. Daraufhin sind der 18-Jährige und das Opfer alleine in eine Gasse gelaufen.

Über den weiteren Tathergang schieden sich vor Gericht die Geister. Die Anklage besagte, dass der Täter dem 14-jährigen Opfer eine Backpfeife verpasste, worauf dieser zurückschlagen wollte, aber nicht traf. Das habe der 18-Jährige zum Anlass genommen, richtig zuzuschlagen: mit der Faust ins Gesicht. Dazu seien dann die Bekannten des Täters gekommen, so Heuer. Ein unbekannter Mann soll das Opfer festgehalten haben und der Mittäter sowie der 18-Jährige sollen mehrfach auf ihn eingeschlagen haben. Kurz darauf seien die Freunde des Opfers hinzugekommen und die Situation habe sich aufgelöst.

Vermutlich aus Angst vor den beiden Tätern, so Heuer, sagte das Opfer entgegen seiner damaligen Aussage bei der Polizei vor Gericht aus, es wisse nichts mehr. "Du wirst doch nicht jeden Tag so brutal verprügelt, sowas vergisst man doch nicht", tadelte ihn der Richter. Das Opfer habe drei Tage nach dem 9. September eine eindeutige Aussage und Anzeige bei der Polizei in Schramberg gemacht. Am 10. September war das Opfer beim Arzt. Er erlitt, wie im Prozess klar wurde, bei der Schlägerei starkes Nasenbluten und Schürfwunden im Gesicht. "Am nächsten Tag hat es noch etwas weh getan, aber nicht arg", sagte das Opfer vor Gericht.

Im gesamten Verlauf milderte das 14-jährige Opfer die Geschehnisse damit ab, dass es sich nicht mehr erinnern könne, wer zugeschlagen habe. "Ich war damit beschäftigt, meinen Kopf zu schützen." Richter Heuer wurde deutlicher, indem er darauf aufmerksam machte, dass eine Falschaussage eine Straftat sei. "Ich kann doch sehen, dass du Angst hast. Das hätte ich vermutlich auch, aber du musst uns die Wahrheit sagen", sagte Heuer. Der junge Mann überlegte es sich daraufhin noch mal, und besann sich auf die Aussage, die er nach der Tat bei der Polizei gemacht hatte. Er betonte, dass auch der 14-jährige Mittäter ihn geschlagen habe.

Zeugen erinnern sich nicht

Dem Opfer folgten sieben weitere Zeugen, unter ihnen der Kommissar, der die Anzeige aufgenommen und die Zeugen und das Opfer vernommen hatte. Anfangs nahm sich Heuer noch Zeit für ausführliche Gespräche mit den Zeugen. Aber nachdem auch der dritte Zeuge ewig um den heißen Brei sprach und sich alle nicht mehr recht erinnern konnten, was genau sie gesehen oder bei der Polizei ausgesagt hätten, wurde Heuer deutlicher: "Meine Geduld ist irgendwann am Ende." Zuletzt konnten drei Zeugen sicher bestätigen, dass der 14-jährige Mittäter an der Schlägerei beteiligt gewesen sei. Die restlichen Befragten konnten nichts zur Klärung beitragen.

Nach dem Plädoyer der Staatsanwältin hatten die beiden Schläger noch einmal das Wort. Der Anstifter der Streitigkeiten war von der Aussicht, er müsse ins Gefängnis, und den anderen Auflagen sichtlich geschockt und sagte keinen Ton mehr. "Wer zwei Jahre zuhause sitzen und nichts tun kann, hat Zeit genug", betonte Heuer. "Solltest du einen Job finden, können wir noch mal darüber sprechen, die Stunden aufzuheben."

Der 14-jährige Mittäter hielt – trotz aller belastenden Zeugenaussagen – sein Lügengebäude dagegen bis kurz vor Schluss aufrecht und beteuerte, nichts getan zu haben. Nachdem ihn Heuer auf seine letzte Chance aufmerksam gemacht hatte, jetzt noch ein Geständnis abzulegen, was sich positiv auf das Strafmaß auswirken könne, gab er nach. Er habe Angst gehabt, abgeschoben zu werden, nachdem er mit seiner Familie vor vier Jahren aus dem Irak geflohen sei, um ein besseres Leben zu haben. Seine Eltern seien arbeitslos. "Wovon lebt ihr dann?", fragte Heuer. "Merkel", antwortete der 14-Jährige. "Mama Merkel zahlt. Und wie viel?", fragt Heuer erneut. "1100 Euro plus Wohnung", entgegnete der Schläger schmunzelnd.

Weil beide Angeklagten bislang keine Vorstrafen hatten, kam der Richter ihnen hinsichtlich des Strafmaßes entgegen.