Die Waldmössingerin Gewürzhändlerin Birgit Erath hat viel mit den Briten zu tun. Den Brexit vcerurteilt sie scharf. Foto: Schmidtke

25 Jahre erfolgreich auf guten Geschmack gekommen. Birgit Erath droht dreifache Zollgebühr.

Schramberg-Waldmössingen - Das Referendum in Großbritannien entschied den Brexit. Wie es genau weiter geht, das wissen selbst die Briten noch nicht. Birgit Erath aus Waldmössingen graust es davor.

Die Vorstellung, dass Großbritannien aus der Europäischen Union aussteigt, lässt die sonst selbstbewusste und erfolgreiche Unternehmerin Birgit Erath erschauern. Daraus macht die Chefin des "Spice-Shops" keinen Hehl. Warum so krass? Sollte Großbritannien der EU den Rücken kehren drohen Erath dreifache Zollgebühren – mitsamt dem dazugehörigen mehrsprachigen Papierkram.

Perfekt wäre es, wenn man Aromen einfangen und man die Duftwolke aus den Zeitungszeilen schnuppern könnte. Ein betörendes Bukett strömt einem beim Betreten von Birgit Eraths "Spice-Shop" in Waldmössingen entgegen. Fünf Jahre alt wird der Laden hier. Die Geschichte dahinter ist viel länger.

Vom Au-pair-Mädchen zur Unternehmerin

Die gebürtige Waldmössingerin wanderte nach dem Abitur nach London aus, um dort als Au-pair-Mädchen Erfahrungen zu sammeln. Danach zurück nach Schwaben? Nö. In London studierte Birgit Erath Betriebswirtschaftslehre. "Aber weil das Essen dort so bescheiden schmeckt, begann ich es mit Gewürzen aufzupeppen", erinnert sich Erath schmunzelnd. Die Gewürze brachte sie von Reisen mit. Freunde und Bekannte staubten die leckeren Mischungen bald ab. Delikat deshalb, weil Erath damals schon Wert auf höchste Qualität der Produkte legte. Die Nachfrage stieg. Birgit Erath eröffnete in der Portbello Road in London vor 25 Jahren den ersten "Spice-Shop" und wurde Unternehmerin. Den Briten gefiel es. Prominenz wie Prince, Madonna oder Robbie Williams und etliche englischen Stars gingen oder gehen in dem urig eingerichteten Laden aus und ein.

Für den Film "Notting Hill" mit Julia Roberts und Hugh Grant diente der "Spice Shop" sogar als Kulisse. Drei Monate wurde vor der Haustür gefilmt.

Doch Birgit Erath kam nach abenteuerlichen Erfahrungen wieder nach Waldmössingen zurück. Sie baute das Elternhaus um und eröffnete 2011 einen weiteren "Spice-Shop". In Brighton (GB) entstand 2013 eine Filiale. Ihre Gewürze stammen aus der ganzen Welt, sind alle in Bio-Qualität. Viel Ware kommt aus der Karibik, Indonesien, Thailand, Indien, Südamerika und nahezu allen ehemaligen Kolonien Großbritanniens.

Erath überzeugt sich regelmäßig vor Ort von den Qualitäten – und vor allem von den Arbeitsbedingungen. "Männer vertrinken oft ihre Löhne. Die Gewürze werden in Indonesien deshalb bewusst von Frauen, die über Missionen dort arbeiten handgeerntet. Meine Ideologie ist auch, dass Kinder in die Schule sollen. Das wird dadurch ermöglicht", betont die zweifache Mutter.

Mit Frachtern werden die global erworbenen Gewürze nach Felixstow (GB) geschippert. Dort wird die Ware ordnungsgemäß verzollt. Weiter geht die Reise per Lastwagen – zollfrei – in die Hauptzentrale nach Waldmössingen. Hier wird mit professionellem Gerät gemahlen, gemischt und verpackt. Ein großer Teil der Gewürze wird – wieder zollfrei – nach London zurück transportiert.

Schließt Großbritannien die Grenzen, dann fürchtet Erath den Supergau. Drei Mal Zoll plus dem ganzen Papierkram. "Ich muss die Ursprungsländer nachweisen. Pestizide findet man in meinen Gewürzen nicht, aber ich muss die Bio-Zertifikate nachweisen. Das Ganze dann dreifach und in mehrsprachiger Ausführung", erklärt die engagierte Frau.

Im Studium 1991 musste Birgit Erath als Übung berechnen, welche Auswirkungen ein Austritt aus der EU hätte. "Verheerende Verluste entstanden. Und das ist schon vor 25 Jahre her", Handelspartner brechen wohl weg, Arbeitslosigkeit werde gefürchtet.

Dass Birgit Erath selbst von diesem drohenden Desaster betroffen sein könnte, war damals undenkbar. Noch ist Zeit und man wird sehen, wie sich die Briten letztlich entscheiden. Im Dezember geht für Erath erstmal nach Indonesien runter – Gewürze kaufen.