Christoph Reich hält einen Fachvortrag über künstliche Intelligenz in der Automotive-Branche und die Anwendungsmöglichkeiten für regionale Unternehmer. Foto: Riesterer

Geißhalde wird wegen streikendem Internet zum Drehort. Themen: Zukunft des Autos und Coronavirus-Luftreinigung.

Schramberg - Das Popup-Labor Baden-Württemberg ist gestartet. Zwei Veranstaltungen werden nun doch von der Geißhalde aus gefilmt, wo eigentlich das ganze Programm stattgefunden hätte.

Aufzeichnung statt Stream

Die Geißhalde zeigte sich am Montagvormittag von ihrer schönsten Sonnenseite – doch in der "Szene 64" war es nichts mit Geruhsamkeit. Im Zuge der ersten Ausgabe von "Popup-Labor TV" sollte zu den Themen "Zukunft des Autos" und "Zukunft der Coronavirus-Luftreinigung" eigentlich ein Live-Stream in die digitale Welt gesendet werden. Doch passend zum experimentellen Charakter, wo nun mal auch etwas schiefgehen kann, sollte das Netz dies nicht hergeben – nachdem bis am Tag zuvor die extra dafür angelegte Leitung noch funktioniert hatte.

Doch davon ließen sich die Macher nicht beirren. So wurde die Veranstaltung kurzerhand von der Schramberger "Videofactory" um Heinz Ruess aufgezeichnet, um die in der "Szene 64" gedrehten Teile mit jenen der Referenten, die eigentlich live zugeschaltet worden wären, später zu einem Bewegtbildbeitrag zusammenzuschneiden.

"Kameras? Laufen. Ton? Läuft. Und bitte!", hieß es am Montag also vor allem für Norbert Fröschle, Popup-Labor-Koordinator des Fraunhofer IAO, der als Moderator die Beiträge miteinander verband. Dies waren zum einen die Grußworte von Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr, die sich freute, "in dieser tollen Jazz- und Innovationslocation" den industriell geprägten Standort Schramberg vorzustellen, sowie CDU-Landtagsabgeordneter Stefan Teufel, der die Bedeutung der Veranstaltung hinsichtlich der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Region unterstrich.

Coronaverordnung strikt eingehalten

So arbeitete sich das Team in der mit allerlei Technik vollgepackten "Szene 64" Moderationskarte für Moderationskarte vor – unter strengen Corona-Vorgaben: Es waren mehrere Desinfektionsstationen aufgebaut, ein Mund-Nasen-Schutz war selbstverständlich Pflicht, und jeder Gast hatte seinen eigenen Stehtisch.Diese waren in großer Entfernung zueinander aufgebaut.

Ein solcher Tisch stand auch Chistoph Reich zur Verfügung, Professor an der Hochschule Furtwangen sowie als Vorsitzender des Innovationsnetzwerks Schwarzwald-Baar-Heuberg ein Partner der Veranstaltung. Sein Vortrag über künstliche Intelligenz (KI) in der Automobilindustrie kann exemplarisch genommen werden für das, was das Popup-Labor erreichen möchte: Ein Experte, der im Anschluss Interessierten als Ansprechpartner zur Verfügung steht, führt in sein allgemeines, komplexes (Forschungs-)thema ein und erklärt im Lauf des Vortrags anhand konkreter Beispiele Anwendungsmöglichkeiten für die regionale Industrie.

So könnte, erklärte Reich, eine KI-Technik, wie man sie etwa aus Fahrassistenzsystemen kenne, auch im betrieblichen Wartungsmanagement, der Qualitätskontrolle oder dem Optimieren einzelner Prozesse dienen, So müssten die Maschinen für einzelne Steueraufgaben nicht mehr programmiert werden – weil sie sie selbst erlernen können.

Am Freitag werden in der Geißhalde die Kameras noch mal zum "Abschlusstalk" angeworfen, wenn bei "Popup-Labor TV" – im Idealfall per Live-Stream – über das Thema "Wasser, Digitalisierung und Innovation" gesprochen wird.

Alles in allem 2500 Beteiligte

Projektkoordinator Norbert Fröschle nutzte eine seiner Moderationen, um über den Rahmen der Veranstaltung zu sprechen: Die Ausgabe in Schramberg beziehungsweise der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg ist die siebte Station des Popup-Labors Baden-Württemberg. "Wir sind seit Februar 2018 unterwegs und haben an insgesamt 40 Tagen vor Ort in den Locations mit Bürgern, Wissenschaftlern und Unternehmern 125 Bildungsveranstaltungen auf die Beine gestellt – alles in allem waren 2500 Mitmacher dabei", fasste er zusammen.

In Schramberg konkret losgegangen sei es Anfang Juli – und natürlich sei die Coronazeit nicht einfach. So mussten sehr kurzfristig die Präsenzveranstaltungen in virtuelle Formate umgewandelt werden: "Das Programm besteht nun aus 14 Online-Workshops und drei Sonderveranstaltungen", erklärte der Projektkoordinator.

Durch den Wechsel ins Netz seien nun weitere Anmeldungen möglich (https://www.popuplabor-bw.de) – warum dies zu empfehlen ist, erklärt Fröschle im Gespräch mit unserer Zeitung: "Es geht um Weiterbildung. Weiterbildung für das, was niemand gelernt hat – die abstrakte Digitalisierung und ihre Möglichkeiten kann den Unternehmern so näher gebracht werden. Zum anderen wollen wir hier ein Netzwerken auf Augenhöhe ermöglichen. Das Ministerium sagt immer, das Labor ist ein ›Fitnessstudio für die KMUs‹. Und das stimmt. Wir können nur alle wettbewerbsfähig bleiben, wenn wir zusammenarbeiten."

Kommentar

Was für ein bitterer Beigeschmack. Das Popup-Labor ist eine gelungene Veranstaltung, regionalen Firmenlenkern – gerade in den kleinen und mittleren Unternehmen – Ideen zu präsentieren, Möglichkeiten im abstrakten Feld Digitalisierung aufzuzeigen und ein Netzwerk aufzubauen. Um sich voranzubringen. Die Region voranzubringen. Baden-Württemberg, ja letztlich Deutschland. Und bei dieser Veranstaltung ist es nicht möglich, im Jahr 2020 einen Live-Stream aufrecht zu erhalten? Das ist kein Fehler der Stadt oder der Veranstalter, auch der Netzbetreiber kann nur mit dem arbeiten, was er zur Verfügung hat. Da kann es nur an die Politik heißen: weg mit diesem Netz-Flickenteppich! Bevor man Ideen von Unternehmern und Wissenschaftlern angehen kann, müssen die notwendigen Bedingungen geschaffen werden. Sonst war es das mit unserer Wettbewerbsfähigkeit.