In Schramberg immer gern gesehen: Werner Mezger beim Bücher signieren, mit Zunftmeister Michael Melvin und vor einem iaufmerksamen Publikum in der Villa Junghans. Fotos: Fritsche Foto: Schwarzwälder-Bote

Spannende Buchpräsentation zur schwäbisch-alemannischen Fastnacht mit Werner Mezger in der Villa Junghans

Von Johannes Fritsche

Schramberg. Der Freiburger Professor Werner Mezger räumte mit überkommenen Vorstellungen von der Fastnacht auf und stellte neue überraschende Erkenntnisse vor.

Eigentlich wollte Werner Mezger sein am 28. Januar erschienenes neues Werk über die schwäbisch-alemannische Fastnacht in der Klosterkirche in Oberndorf vorstellen. Wegen dem Gezerre um den dort geplanten Eintrittspreis (der Schwarzwälder Bote berichtete darüber) sagte er den Termin kurzer Hand ab.

Dafür kam dann Schramberg am Montagabend in den Genuss eines informativen und spannenden Vortrags, der allerdings auch schon am 11.11.2014 feststand.

Trotz Schneefalls und glatter Straßen füllten die Schramberger so zahlreich die einladend beleuchtete Villa Junghans, dass es keine freien Plätze mehr gab. Die Veranstaltung gewann auch durch die warme Atmosphäre der großzügigen Räumlichkeiten der Villa.

Erleichtert eröffnete Michael Melvin, Zunftmeister der Narrenzunft Schramberg, den Abend: "Danke Werner, dass Du Autofahren kannst, ich hab gezittert, ob Du es bei dem Schnee noch von Stuttgart hierher schaffst". Von der Anstrengung war ihm nichts mehr anzusehen, als Mezger locker und gut gelaunt seinen Vortrag begann: "Fastnacht ist mehr als Gutsele und Brezele auswerfen, Fastnacht ist uraltes Brauchtum". Was ihn und alle Narren besonders freut: Deutschland hat die schwäbisch-alemannische Fastnacht in sein neues bundesweites Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen und damit das entsprechende UNESCO-Übereinkommen umgesetzt.

In seinem Buch beschreibt Mezger, wie die Fastnacht entstanden ist und sich in Lauf der Jahrhunderte verändert und entwickelt hat. Fastnacht ist demnach eher nicht als Brauchtum für das Winter- oder Geistervertreiben entstanden.

Fastnacht hat zwei Wurzeln. Die eine geht auf die Agrarzyklen und den römischen Kalender zurück: Man hat das Ende des Winters gefeiert, es ist also ein "Wendefest". Die andere Wurzel hängt mit dem Kirchenjahr zusammen. 40 Tage vor Ostern beginnt die Fastenzeit, während nicht nur Fleisch und fleischliche Gelüste verboten waren, sondern noch vieles andere.

"Nicht nur die Metzger litten", sagte Mezger. Hühner wurden nicht geschlachtet, deshalb sammelten sich bis Ostern viele Eier. "Klar, dass am Abend vor der Fastenzeit gefressen und gesoffen wurde, was das Zeug hält", sagt Mezger mit entschuldigendem Blick für die drastische Formulierung. Dazu gab es Musik, Tanz und klein Aufführungen. So ist die Fastnacht entstanden. Auch geheiratet wurde noch schnell, damit die Hochzeitsnacht nicht in die Fastenzeit fiel.

Wie es dann im Lauf der Jahrhunderte weiterging, schildert Mezger in seinem Buch. Woraus die Figuren des Narren und Harlekin entstanden, warum der Teufel eine der ersten Masken war, wie aus Fastnacht der Karneval ("Prinz Carneval") wurde, wie die Kölner (klar) damit das Fastnachtsverbot unterliefen, und wie das Volk zu den alten Formen zurückkehrte und die gut versteckten Larven wieder hervorholte: "Bürger und Handwerker wollten sich von der Hautevolee nicht mehr dominieren lassen."

Mezgers Buch lebt nicht nur von den Texten, sondern von den vielen beeindruckenden Bildern des Karlsruher Fotografen Ralf Siegele. "Dieses Buch wäre ohne Ralf Siegele nicht machbar gewesen, es trägt eindeutig die Handschrift des Fotografen und ist sozusagen aus einem Guss", erklärt Mezger und führte das Publikum durch eine bewegende Bilderschau im abgedunkelten Raum. "Fastnacht muss sich nicht verstecken, sie lebt und sie entwickelt sich weiter", kommt Mezger zum Ende seines Vortrags. So wünscht er sich auch einen positiven Umgang mit neu entstandenen jungen Zünften: "Jede neue ist ein Blick in den Baukasten der lokalen Identität einer Gemeinde".

Schon von den Anfängen der Fastnacht an hätten die herumziehenden Handwerksburschen bei der Rückkehr in ihre Gemeinde immer wieder neue tolle Elemente mit gebracht. Fremdes sei also als Bereicherung, nicht als Erschreckendes zu sehen.

"Fastnacht ist nicht nur Jubel, Trubel, Heiterkeit, sondern auch ein tiefer Blick in die abendländische Kultur und Tradition", schloss Mezger seinen Vortrag, der mit lang anhaltenden Beifall und einem von Zunftmeister Melvin überreichten Geschenkkorb belohnt wurde. Melvin bedankte sich auch bei der Buchhandlung Klaussner, die mit der Narrenzunft die Buchpräsentation organisiert hatte, und bei der Familie Weisser für die Gastfreundschaft in der Villa Junghans.

Weitere Informationen: Mezger, Werner: Schwäbisch-alemannische Fastnacht – Kulturerbe und lebendige Tradition, 2015 erschienen im Theiss-Verlag, mit Fotografien von Ralf Siegele, 288 Seiten mit 288 farbigen Abbildungen, Preis 49,95 Euro Werner Mezger ist Professor für europäische Ethnologie an der Universität Freiburg und Direktor des Freiburger Instituts für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europa.