Das Gasthaus Deutscher Kaiser in Schramberg auf einer Postkarte um das Jahr 1910 Fotos: Stadtarchiv Schramberg Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Serie: Der Raum Schramberg im Ersten Weltkrieg (Teil XIV)

Am 28. November 1918 endete mit dem Thronverzicht von Kaiser Wilhelm II. das Zeitalter der Monarchie im Deutschen Reich. In Schramberg stellte sich danach vor 100 Jahren die Frage, was nun aus dem Gasthaus Deutscher Kaiser werden sollte.

Schramberg. 2016 hat das Stadtarchiv Schramberg von Andrea Sauer in Hardt einige alte Fotos und Postkarten erhalten, die in ihrer Familie aus dem Nachlass der Großmutter Emma Kammerer (1920 bis 1999) in Schramberg aufbewahrt worden waren. In der Sammlung befand sich auch eine Feldpostkarte, die am 10. Dezember 1918 an ihren Urgroßvater Friedrich Glauner (1881 bis 1940) geschrieben worden war, der seinerzeit mit seiner Ehefrau Frida Glauner (1892 bis 1966) das Gasthaus Deutscher Kaiser in der Leibbrandstraße 9 betrieb.

Die "Schankwirtschaft" war 1897/98 von dem Säger Anton Bohnert gebaut und 1901 eröffnet worden. Wie viele seiner Zeitgenossen war Anton Bohnert offensichtlich voller Begeisterung für das wilhelminische Kaiserreich und gab seinem Gasthaus am damals neu angelegten Leibbrandplatz diesen patriotischen Namen.

Auf den ersten Blick schien es sich um eine Feldpostkarte zu handeln, wie man sie auch 100 Jahre später noch auf fast jedem Flohmarkt günstig erwerben kann. Auf der Bildseite ist das Porträt eines Soldaten zu sehen, der sich im Herbst 1918 in Nordfrankreich fotografieren ließ. Die Zeilen auf der Rückseite erheben die kleine Postkarte aber in den Rang eines wertvollen Zeitzeugen, in dem sich die große Geschichte der damaligen Epochenwende widerspiegelt.

Geschrieben wurde die Postkarte am 10. Dezember 1918 in Stuttgart von dem Unteroffizier Richard Glauner, einem Bruder von Friedrich Glauner, der am 19. November 1918 von der Westfront wieder in seine Heimatkaserne in der württembergischen Landeshauptstadt zurückgekehrt war. Zehn Tage zuvor war nach dem Auftakt in Berlin am 9. November 1918 auch in Stuttgart die Republik ausgerufen worden. Wie Kaiser Wilhelm II. (1859 bis 1941) auf Reichsebene legte auch König Wilhelm II. (1848 bis 1921) auf Landesebene die Krone nieder.

Aus den Zeilen von Richard Glauner an seinen ebenfalls in diesen Tagen vom Kriegseinsatz zurückkehrenden Bruder Friedrich Glauner spricht die Ernüchterung, die damals viele Soldaten empfunden haben, die nach vier Kriegsjahren mit einer bitteren Niederlage fertig werden mussten: "L[ieber] Friedrich! Habe gestern Deine Karte erhalten u[nd] daraus ersehen, daß es auch Dir gelungen ist, glücklich aus dem Schwindel herauszukommen. Ich selbst bin seit 19. Nov[ember] hier u[nd] noch nicht entlassen, weil ich solange abwarten möchte, bis ich eine Stelle habe. Zu diesem Zweck gehe ich noch im Laufe dieser Woche nach Freudenstadt, ich werde Dir dann von dort aus schreiben, vielleicht kannst Du mal herüber kommen. Alles andere dann mündlich u[nd] bis dahin dann herzliche Grüße auch an Frida von Deinem Bruder Richard." In einem Nachsatz gab er seinem Bruder noch den politischen wie ironischen Rat: "Ändere auch Deinen Wirtshausschild."

Mit der Niederlegung der Kaiserkrone war der Name des Gasthauses Deutscher Kaiser in Schramberg in der Tat zu einem Anachronismus geworden. Der gelernte Bierbrauer Friedrich Glauner, der die Schankwirtschaft im Jahr 1914 gepachtet hatte, wollte nach der Rückkehr aus dem Kriegseinsatz ohnehin etwas Neues anfangen und machte sich im im Jahr 1919 mit einem Depot der Brauerei Glauner in Alpirsbach selbständig.

Die folgende Pächterin, die Witwe Franziska Haas (1880 bis 1939), störte der überkommene Name offenbar nicht. Erst der ihr folgende Pächter Albert Storz (1893 bis 1928) stürzte im Jahr 1925 den Deutschen Kaiser in Schramberg von seinem Thron und benannte die Schankwirtschaft in Deutsches Haus um.

Unter diesem Namen ist das Gasthaus der heutigen Bürgerschaft auch in Erinnerung geblieben, obwohl es selbst auch schon seit 2004 Geschichte ist, als es im Zuge des leider bis heute fortschreitenden Gaststättensterbens aufgegeben wurde.

Zum 100. Jahrestag der Anregung von Richard Glauner, den Deutschen Kaiser auch im Schwarzwald ins Exil zu schicken, soll es mit dieser zeitgeschichtlichen Reminiszenz nochmals in Erinnerung gerufen werden.