Krematorium: Rat treibt Verfahren voran / Vorwürfe der Scheinheiligkeit

Von Volker Rath

Der Bebauungsplan für das Sondergebiet Krematorium in Sulgen hat die nächste Hürde genommen. Den Gemeinderat treiben zwar weiter Zweifel um, aber die Mehrheit könnte mit dem Projekt leben.

Schramberg-Sulgen. Am Donnerstag billigte die Runde den Vorentwurf des Bebauungsplans, bei einer Enthaltung und sieben Gegenstimmen aus den Reihen von SPD und Buntspecht. Bemerkenswert sei, das ausgerechnet dieses politische Lager für kirchliche und religiöse Belange kämpfe und nicht die Partei "mit dem C im Namen", wurde aus dem linken Lager gestichelt. Die CDU wies das empört zurück. Um die Details des Bebauungsplans ging es kaum, stattdessen wurde noch einmal die Grundsatzdebatte geführt.

Mit dem Kniff über ein Sondergebiet für das bestehende Tier- und das geplante Human-Krematorium im Industriegebiet Hirtenwald will die Stadt dem Investor rechtlich den Boden bereiten. Mit Abstand zum eigentlichen Industriegebiet, optischer Trennung durch Bepflanzung und einem Vertrag mit dem benachbarten Betrieb über Ruheregelungen will die Stadt die Auflagen erfüllen, die sich aus einem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts ergeben. Zu dieser Auffassung kommt jedenfalls der Rechtsbeistand, den sich die Stadt an Bord geholt hatte.

Zufrieden stellt das viele Räte nicht, weder rechtlich noch aus anderen Gründen. Auch die beiden Kirchengemeinden in der Stadt haben sich gegen das Vorhaben ausgesprochen. Ethisch-religiöse Zweifel gibt es zwar auch im konservativen Lager von CDU und Freier Liste; im Zweifel bekannten sie sich aber zum "säkularen Staat", wie es Jürgen Winter (CD) formulierte, und gaben der unternehmerischen Freiheit sowie dem Recht jedes Einzelnen, die eigene Bestattung selbst zu verfügen, den Vorzug.

Stadt wäscht sich die Hände in Unschuld

Noch einmal kamen die Bedenken auf den Tisch: Volker Liebermann (ÖDP) fand, das Krematorium "passt nicht" in die Nähe eines Industriegebiets, ohnehin bestünde in der Stadt "kein Bedarf" dafür. Mirko Witkowski (SPD) bleibt auch "nach einem Jahr der Diskussion" bei seiner Auffassung: Das Bestattungswesen sei Aufgabe der Kommune und gehöre nicht in private Hände, das Projekt am geplanten Standort sei "pietätlos" und "rechtlich fragwürdig", der Dreh mit einem Sondergebiet "scheinheilig". Martin Himmelheber (Buntspecht) sagte der Stadt voraus, dass ihr das Projekt "juristisch um die Ohren gehauen" werde. Ein Krematorium habe "nix zu suchen" in der Nähe eines Gewerbegebiets. Das Krematorium in Villingen-Schwennigen werde erweitert, es gebe ausreichend Kapazitäten in der Region und "keine Warteliste" für Einäscherungen. OB Thomas Herzog berichtete hingegen von zwei Familien aus seinem Bekanntenkreis, die andere Erfahrungen gemacht hätten. Udo Neudeck (Freie Liste) beruhigte, das Krematorium sei schließlich nur Stätte der Einäscherung, getrauert werde weiterhin in Aussegnungshallen, auf dem Friedhof und in der Kirche. Himmelheber hielt dagegen, wedelte mit der Urteilsbegründung des Gerichts in der Hand. Demnach sei auch der Vorgang der Einäscherung "Teil der Bestattung".

Am Ausgang der Abstimmung änderte das nichts, die Stadt wäscht sich die Hände in Unschuld: Sie setze mit dem Verfahren nur um, was ihr der Gemeinderat per Beschluss aufgetragen habe, so der OB.