Das Schramberger Krankenhaus ist Vergangenenheit, mit dem medizinischen Versorgungszentrum ist es auch nichts geworden: Bleiben noch die Ärzte vor Ort. Foto: Archiv

Beim Thema Ärzteversorgung schlagen im Gemeinderat die Wogen hoch. Gremium glaubt den Zahlen nicht.

Schramberg - Höchst emotional führte der Schramberger Gemeinderat die Diskussion um die Ärzteversorgung in Stadt und Mittelbereich. Unter Beschuss stand Peter Hinz, der stellvertretende Geschäftsführer der kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KV). Am Ende dürfte sich Peter Hinz gefühlt haben, als habe er die Höhle des Löwen überlebt. Der stellvertretende Geschäftsführer der KV im Land stellte sich in der Sitzung den Fragen der Schramberger Gemeinderäte. Bei Fragen allerdings blieb es nicht: Mancher warf der KV Verschleierung vor, Helmut Banholzer (CDU) schimpfte gar: "Er führt uns an der Nase herum." Stein des Anstoßes war die Statistik. Zu Beginn gab Hinz einen Überblick über die Ärzteversorgung, wie sie sich für die KV darstellt. Hinz’ Fazit: Die Hausärzteversorgung im Mittelbereich Schramberg ist "angemessen".

Die CDU war es auch gewesen, die im Herbst vergangenen Jahres das Thema in einem Antrag aufgegriffen hatte. Fraktionsvorsitzender Clemens Maurer hatte daher nach Hinz’ Vortrag das erste Wort. Die ärztliche Versorgung bereite ihm und seinen Kollegen Sorgen, sagte Maurer. Die Statistik der KV sei der Fraktion natürlich bekannt.

Doch: "Wir kommen zu teilweise anderen Ergebnissen." Etwa, weil Ärzte hineingerechnet seien, die bereits nicht mehr tätig sind. Hinz’ Antwort: Schramberg sei auch mit zwei Ärzten weniger noch überversorgt.

"Die Statistik ist schön und gut, aber sie täuscht darüber hinweg, wie’s wirklich ist", spielte Maurer den Ball zurück und verwies auf Sulgen: Dort gebe es für 7500 Einwohner zwei Hausärzte – "und die anderen fahren". Daraufhin meinte Jurist Hinz wiederum, wenn ein Arzt auf 3500 Einwohner komme, könne man davon ausgehen, dass er davon leben kann.

Gemeinderat Jürgen Winter (CDU), ebenfalls Mediziner, bezeichnete derweil die gesetzlich vorgeschriebene Bedarfsplanung als "Niederlassungsverhinderungsinstrument". Damit werde man die drohende Mangelsituation nicht beheben können. Tatsächlich darf sich in Schramberg derzeit kein weiterer Hausarzt niederlassen – eben wegen der vorhandenen Versorgung. Für die Gemeinderäte gab es mehrmals lauten Applaus von den Zuhörern.

"Wir brauchen heute andere Konzepte", kritisierte Hans-Jörg Fahrner (SPD/Buntspecht). Medizinische Versorgungszentren etwa. Dennoch führte die Diskussion immer wieder zurück zur Statistik – bis OB Thomas Herzog anregte, Fragen dazu auszulagern. "Sonst können wir noch zwei Stunden diskutieren."

Aus den Reihen der CDU kam dann die Frage, was man einer jungen Ärztin für Jobmöglichkeiten bieten könne, deren Mann beruflich nach Schramberg kommt, wenn der Mittelbereich für neue Niederlassungen gesperrt sei. Hinz empfahl, in solch einem Fall Kontakt mit der KV aufzunehmen. "Dann finden wir einen Weg" – etwa als angestellte Ärzte.

Das allerdings brachte Helmut Banholzer und Bernd Richter (ÖDP: "sie verschleiern hier") vollends auf die Palme. "Ich hab das Gefühl, wir verrennen uns ein bisschen", versuchte OB Herzog zu schlichten. Clemens Maurer schob dennoch hinterher, er habe das Gefühl, "wir werden nicht ernst genommen".

Schließlich ergriff Mediziner Peter Heinrich von der Freien Liste das Wort. Er sei seit 23 Jahren niedergelassener Kassenarzt. Dass er der KV einmal zu Hilfe kommen würde, hätte er sich vorher nicht vorstellen können. Dennoch tat er es: "Die KV kann keine jungen Ärzte in Handschellen nach Schramberg stellen." Die jungen Ärzte würden nicht gerade Schlange stehen, um in den ländlichen Raum zu kommen.

Sicherlich sei das System verkrustet, meinte der HNO-Arzt, aber das sei politisch so gewollt. "Wir werden diese strukturellen Probleme hier heute Abend nicht lösen können."

Kommentar

u Hausärzte Um den Versorgungsgrad zu ermitteln, wird die Einwohnerzahl in Relation zur Zahl der Hausärzte gesetzt. Für den Mittelbereich Schramberg kommt die KV auf folgenden Wert: 132,2 Prozent; 37 Hausärzte kommen auf 43 745 Einwohner (Mittelbereich Rottweil: 94,4 Prozent). Ab 110 Prozent kann sich ein weiterer Arzt niederlassen. Besonders gut steht im Mittelbereich Hardt da mit 837 Einwohnern, auf die ein Hausarzt kommt; am schlechtesten Lauterbach mit 1445. In Schramberg-Stadt sind es 984 (21 Ärzte, 20 673 Einwohner).

u Alter

31 Prozent aller Hausärzte in Baden-Württemberg sind älter als 60. Das Durchschnittsalter im Land liegt bei 54,6 Jahren, in der Stadt Schramberg sind es 54,5.

Quelle: kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg