Gemahlene Hülsenfrüchte - in ungekochtem Zustand giftig - hatte die 29-Jährige ihrem damaligen Freund ins Vesper gemischt. (Symbolfoto) Foto: Pixabay

Ungekochte Hülsenfrüchte ins Vesper gemischt. Mann hätte sterben können. Im Internet mit Taten geprahlt.

Schramberg - Ein außergewöhnlicher Fall wurde vor dem Oberndorfer Amtsgericht aufgerollt. Eine Frau aus einem Schramberger Teilort gab ihrem damaligen Freund in vier Fällen ein vergiftetes Vesperbrot. Das verwendete Gift ist lebensbedrohlich.

Übelkeit, Erbrechen, Blutdruckabfall, schneeweißes Gesicht – so erging es dem vergifteten Freund der Angeklagten nach Aussage seiner Ärztin. Er befand sich in einem lebensbedrohlichen Zustand, ist immer noch traumatisiert von der vierfachen Giftattacke seiner damaligen Freundin. Zwei Mal musste der Mann ins Krankenhaus, hat tagelang gelitten und sein Leben, so Gisela Skopp vom forensisch-toxologischen Institut München, sei an einem seidenen Faden gehangen. Denn das verwendete Gift sei unberechenbar.

Richter Wolfgang Heuer suchte nach einem plausiblen Motiv für die Giftattacken, das konnte die Angeklagte aber nicht liefern. Sie sprach von Enttäuschungen, dass ihr Freund sie manchmal versetzt habe, aber Anlass und Tat standen nicht nur für den Richter in keinem angemessenen Verhältnis. "Nur weil man versetzt wird, setzt man doch kein Gift ein", so Heuer.

Die Angeklagte ging wie folgt vor. Im Internet bestellte sie – ganz legal – Hülsenfrüchte, die als Pulver sehr giftig sind. Das Pulver mischte sie in ein Vesper, das sie ihrem Freund bei der Arbeit vorbeibrachte. Vier Mal innerhalb von zwei Monaten im Jahr 2017 vergiftete sie den Mann. Es hätte tödlich enden können, auch wenn die Angeklagte beteuert, sie habe nicht gewollt, dass er sterbe. Er sollte sich nur auch mal schlecht fühlen, so die Angeklagte.

Anzeige einer Chat-Bekanntschaft bringt Polizei auf Fährte

Auf die Schliche gekommen waren die Beamten der Frau, weil ein Mann, mit dem die Angeklagte Nachrichten austauschte, sie bei der Polizei anzeigte. Im Internet-Chat mit dem Mann aus der Region Stuttgart, den sie vor Gericht zum ersten Mal persönlich sah, habe sie ihm ihr Herz ausgeschüttet. Dort sprach sie unter anderem davon, die Eltern ihres Freundes umzubringen. "Vielleicht hängt er sich dann mehr an mich", schrieb die Angeklagte. Und: "Gift fasziniert mich einfach."

So habe sie auch davon erzählt, dass sie Giftstoffe besitze und vorhabe, ihren Freund zu vergiften. Vor der Anzeige habe der Mann eine schlaflose Nacht gehabt, hatte Angst, dass sie ihn dann vielleicht auch vergifte. Aber er machte den Schritt und informierte die Polizei.

Im Internet hat sich die Angeklagte schon mehrmals auffällig gezeigt. In die Whats-App-Gruppe der Berufsschule, die sie besuchte, postete sie ein Bild von sich mit einem aufgeritzten blutigen Arm. Auch Bilder von ihren zahlreichen Waffen veröffentlichte sie. Die Polizisten, die einen Hinweis von anderen Schülern der Klasse bekommen hatten und darauf hin ihre Wohnung durchsuchten, fanden ein ganzes Arsenal an Waffen: Schusswaffen, Messer, Schlagringe aus Messing und Stahl, eine Machete. Die Angeklagte sagte, die Waffen faszinierten sie, die Sammlung sei ihr Hobby. Aber verwenden würde sie die Waffen nicht. Dennoch hat die 29-Jährige deswegen zusätzlich eine Anklage wegen Besitz von neun verbotenen Waffen am Hals.

Mit ihrem Freund, den sie vergiftet hatte, hielt die Angeklagte, die arbeitslos ist und keine abgeschlossene Berufsausbildung hat, dennoch bis August dieses Jahres Kontakt. Sie habe sich freundschaftlich mit ihm unterhalten. Der Mann hatte vor Gericht Schwierigkeiten, auf die Fragen zu antworten. Auch er könne sich nicht erklären, warum die Frau ihn vergiftet habe. Erst als er vier Wochen in einer Klinik in Königsfeld habe verbringen müssen, sei ihm das Trauma der Vergiftung bewusst geworden. Er sagt auch: "Gerechte Strafe muss sein." Mittlerweile hat er ein Annäherungsverbot und einen Gewaltschutzantrag durchgesetzt, weil er vor seiner Ex-Freundin Angst habe. Nicht nur wegen des Gifts, auch geschlagen habe sie ihn mehrfach.

Aufgrund des unangemessenen Verhaltens der Angeklagten war Richter Heuer besonders gespannt auf das forensisch-psychiatrische Gutachten von Ralf Kozian vom Vinzenz-von-Paul-Hospital in Rottweil. Er sprach von einer impulsiven Akzentuierung, von einer Anpassungs- und Panikstörung sowie einer Persönlichkeitsstörung. Die Frau sei emotional instabil und aggressiv, habe aber trotzdem ein hohes Funktionsniveau. Eine seelische Abartigkeit oder psychotische Verzerrung liege nicht vor. Die Taten habe sie rational vorbereitet.

Für erneute Gewalttaten sehe der Gutachter ein mittleres Risiko. Um dieses zu minimieren, empfehle er eine mehrjährige psychotherapeutische Behandlung. Dem Richter war das etwas zu wenig. Das Missverhältnis zwischen Anlass und Tat lasse für ihn nur den Rückschluss zu, dass die Angeklagte psychisch gestört sei. Auch die Empathielosigkeit der Angeklagten sei ihm aufgefallen. Außerdem würde eine normale Person im öffentlichen ungeschützten Raum nicht Waffenbilder veröffentlichen. Ihr Waffen- und Rauschgiftlager nannte Heuer "abartig". Und: Wenn keine schwere psychische Erkrankung vorliege, hieße das im Umkehrschluss, dass die Angeklagte hochkriminell sei, so Richter Heuer.

Die Staatsanwaltschaft sowie Verteidiger Ulrich Müller-Arenz haben nun eine Woche Zeit, ihre Plädoyers vorzubereiten. Das Urteil fällt Richter Heuer kommenden Mittwoch.