Tennenbronn im Jahre 1924 mit gut sichtbaren Stromleitungen und dem Transformatorenhaus in der Schiltach-Aue. Fotos: Heimathaus Foto: Schwarzwälder Bote

Infrastruktur: Vor 100 Jahren kam der Strom / Bei selbstständigen Eingriffen drohte vier Wochen Entzug von der Elektrizität

Zum 100-jährigen Jubiläum hat Alfred Moosmann von der Tennenbronner Heimathausgruppe die spannende Geschichte der Stromversorgung Tennenbronns zusammengestellt.

Schramberg-Tennenbronn. 1920 gab es noch zwei Gemeinden: Evangelisch Tennenbronn mit Bürgermeister Alexander Weisser und Katholisch Tennenbronn mit Bürgermeister Josef Kaltenbacher sen. Sie arbeiteten an einem Ziel: Die Versorgung mit elektrischem Strom.

Die Vorgeschichte fand am Sonntag, 12. September 1920, ihren Abschluss mit einem Lichtfest, an dem die ganze Gemeinde teilnahm. Die elektrische Beleuchtung war in allen Häusern eingeführt, die Straßen inbegriffen. Die Kraft kam vom Laufenburger Werk, von deren Hauptleitung Villingen- Schramberg von Hardt aus eine Abzweigung errichtet wurde.

Einige Schönheitsflecken

So berichtete das Schwarzwälder Tagblatt über das Lichtfest: "Um 3 Uhr setzte sich ein Festzug vom Schwesternhaus in Bewegung. Es nahmen teil der Amtsvorstand von Triberg, die Bürgermeister und Gemeinderäte beider Gemeinden, die beiden Musikvereine, Kirchenchöre, Männergesangverein, Militärverein, Feuerwehr, die Schulkinder und die an der Einrichtung beteiligten Arbeiter. Nachdem sich der Zug durch beide Gemeinden bewegt hatte, kehrte er zum ›Engel‹ zurück, wo ein Festessen stattfand. Die Festrede hielt Bürgermeister Kaltenbacher von Katholisch Tennenbronn, der über die Bedeutung des elektrischen Lichts sprach. Der Oberamtmann aus Triberg toastete auf die fortschrittliche Gesinnung Tennenbronns. Musik und Gesangsvorträge wechselten sich ab und eine Theateraufführung erfreute die Festteilnehmer... Es ist zu wünschen, dass sich auch die umliegenden Höfe bald anschließen."

Die gelobte "fortschrittliche Gesinnung" von Tennenbronn hatte im Vorfeld allerdings Schönheitsflecken. Man gehörte nicht zu den Pionieren, benachbarte Kommunen waren weiter. Triberg rühmte sich 1884 mit der ersten vollelektrischen Straßenbeleuchtung Deutschlands. 1897 wurde St. Georgen an das Netz der EGT angeschlossen, wenige Jahre später folgten Schonach, Niederwasser, Schonach und Nußbach. In Schramberg betrieben die Uhrenfabriken die Elektrifizierung und bauten ihre eigenen Kraftwerke im Göttelbach und Bernecktal. Junghans versorgte große Teile von Schramberg mit seinem Strom. 1902 eröffnete Reinhard Moosmann das erste Elektrogeschäft in der Stadt.

1912 erstellte das Kraftwerk Laufenburg eine Hochspannungsleitung zur Firma Junghans nach Schramberg. Ohne eine "weitere amtliche Erschließung abzuwarten" führte die Leitung über Katholisch Tennenbronn. Der Leitungsbau ohne Genehmigung hatte Folgen: Der vom Bezirksamt Triberg vorgeladene Laufenburger Ingenieur erklärte: "Die Sache war derart dringender Natur, dass ein weiteres Zuwarten unmöglich war, da die Großbetriebe der Firma Junghans unbedingt der Stromzuführung für Kraftzwecke bedurften." Es sei ihm unbekannt gewesen, dass Gemeindewege von Katholisch Tennenbronn von der Leitung berührt, beziehungsweise überkreuzt werden und selbstverständlich solle mit der Gemeinde ein Vertrag wegen Nutzung des Gemeindeeigentums abgeschlossen werden. Das Kraftwerk sagte zu, Tennenbronn auf Verlangen Strom abzugeben, allerdings nicht in das Dorf, sondern nur in die Nähe seiner Hochspannungsleitung.

1913 fragte das Badische Bezirksamt Triberg an, ob die Gemeinde mit elektrischer Energie versorgt werden möchte. Katholisch Tennenbronn war jedoch gegen die Einführung. Die Abteilung für Wasserkraft und Elektrizität in Karlsruhe hatte in einem Brief an das Bezirksamt das Angebot des Kraftwerks Laufenburg an die Gemeinden Evangelisch und Katholisch Tennenbronn als ungünstig beurteilt. Außerdem wurde die Stromversorgung der beiden Gemeinden Tennenbronn als nicht dringlich erachtet. Die nachträgliche Genehmigung für die Überquerung der Landstraße Tennenbronn-Schramberg sollte offenbar als Druckmittel benutzt werden für ein besseres Angebot des Kraftwerks.

Vertrag im "Engel"

1914 bot der Sägewerksbesitzer Christian Eisenmann an, in jedes Haus elektrische Energie für Beleuchtung und Motorenzwecke zu liefern. Evangelisch Tennenbronn beschloss, Christian Eisenmann auf Straßen, Wegen und Plätzen das Aufstellen von Holzmasten zu gestatten. Das Bezirksamt forderte jedoch eine einwandfreie Rentabilitätsberechnung des Unternehmers zur Prüfung an und einen Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit.

Spätere Dokumente sind nicht abgelegt – man darf davon ausgehen, dass Eisenmann die geforderten Bedingungen nicht erfüllen konnte oder dass der im Juli 1914 beginnende Krieg das Vorhaben zum Erliegen brachte.

Während des ersten Weltkriegs gibt es keine Belege für einen Fortgang der öffentlichen Stromversorgung in Tennenbronn. Erst am 5. Oktober 1918 wurde die Badische Gesellschaft zur Überwachung von Dampfkesseln (ein Vorläufer des heutigen TÜV) von Katholisch Tennenbronn beauftragt, mit dem Kraftwerk Laufenburg über die baldige Erstellung der Anschlussleitungen für beide Gemeinden zu verhandeln.

Am 9. Januar 1919 schrieb Ingenieur Hermann Späth an das Bürgermeisteramt von Evangelisch Tennenbronn, dass ein Heinrich Neudörffer, Kaufmann in Stuttgart, beabsichtige, in Tennenbronn eine Fabrik, verbunden mit einem Elektrizitätswerk, zu erstellen. Zu diesem Zweck wolle Neudörffer das Sägewerk von Löwenwirt Wöhrle erwerben. In der Fabrik sollten Massenartikel hergestellt werden, die dann für die Tennenbronner als Heimarbeit Beschäftigung ergeben sollte. Das Bezirksamt verweigerte jedoch die Zustimmung wegen fehlenden Informationen, was für ein Unternehmen eingerichtet werden solle und ungenügender Gewähr für eine regelmäßige Strombelieferung.

Neun Monate waren vergangen seit dem Verhandlungsauftrag an die Dampfkessel-Überwachungsgesellschaft, bis eine Vertragsabsicht beider Gemeinden zustande kam. Am 16. Juli 1919 fand unter Vorsitz des Amtsvorstandes des Bezirksamts im "Engel" eine Bürgerausschusssitzung der Gemeinden Katholisch und Evangelisch Tennenbronn statt.

Es wurde beschlossen, mit dem Kraftwerk Laufenburg und der Dampfkessel-Überwachungsgesellschaft in Vertrag zu treten wegen der alsbaldigen Einrichtung der Stromversorgung wenigstens im geschlossenen Ortsteil. Erst 1920 findet sich in den Akten ein Vertrag mit dem Kraftwerk Laufenburg, der am 24. Januar vom Kraftwerk und am 21. Februar von der Gemeinde unterzeichnet wurde. Schneller als die beiden Gemeinden waren die Nachbarn der Laufenburger Hauptleitung auf der Altenburg. Der Bankier Hohenemser, zur damaligen Zeit für den Neubau des in Bankbesitz befindlichen und 1917 abgebrannten Weißbauernhofs zuständig, hatte im Februar 1919 bereits einen Vertrag mit Laufenburg in Händen.

Wagemutige Pioniere

Der Weißbauer, Josenbauer Johannes Klausmann, Kalkbauer Johann-Georg Fleig und die kleineren Anlieger Storz und Armbruster im Schleifenloch erstellten auf dem Josenbauernhof 170 Meter von der Hauptleitung entfernt eine Trafostation. Die Gesamtkosten betrugen die stolze Summe von fast 40 000 Mark, die sich die fünf wagemutigen Tennenbronner Pioniere teilten. Dieses privat erbaute Gebäude wurde als Übergabestation für das öffentliche Tennenbronner Stromnetz genutzt. Die Gemeinden mussten die Hochspannung (5000 Volt) weiterführen in das Innere der Gemarkung und weitere Trafostationen erstellen.

Tennenbronn war damit eine sogenannte A-Gemeinde. Sie bezog Strom von Laufenburg, leitete diesen durch ihr Netz und verkaufte den Strom an die Verbraucher. Aus der Differenz zwischen dem Großkonsumentenrabatt und dem Kleinverbraucherpreis konnten die Kosten jedoch nie gedeckt werden, denn Stromverlust durch Umtransformierung sowie Ausbau und Reparaturen des großen Ortsnetzes verschlangen enorme Summen.

Da Tennenbronn damals für das neue Netz einen Stromwart suchte, übernahm Willy Dertmann sen., der mit einem Arbeitstrupp zur Erstellung des Ortsnetzes aus Westfalen nach Tennenbronn gekommen war, diesen Posten und behielt ihn ab 1920 40 Jahre lang. Die Anschlüsse waren von den Hauseigentümern selbst zu bezahlen. Um zu sparen, wurden vielfach von Laien nicht fachgerechte Installationen und Veränderungen vorgenommen. Die Stromwärter wurden deshalb verpflichtet, sämtliche Fälle zu melden und den Tätern drohte ein Stromentzug von mindestens vier Wochen.

An eine Stromversorgung wie wir sie heute gewohnt sind, war damals nicht zu denken. Es gab in den Häusern nur wenige Lichtquellen und selbst in den öffentlichen Gebäuden herrschte oft Dunkelheit. Mit welchen Beschwernissen die Menschen leben mussten, macht ein Brief des Lehrers Reinhold Flamm vom 1. September 1921 deutlich. Er bittet darin den Gemeinderat von Evangelisch Tennenbronn, zu beschließen, dass die Schule elektrisches Licht bekommt im Keller, wo der Zugang dunkel sei, auf dem Speicher, wo offenes Licht höchst gefährlich sei und in den Aborten, wo in der Dunkelheit auch manches danebenging.

Es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis in jeden Winkel der großen Gemarkung Tennenbronns eine stabile Stromversorgung aufgebaut war.