Christoph Sonntag schlüpft in seiner Liveshow in viele verschiedene Rollen. Foto: Anton Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Kabarettist Christoph Sonntag sorgt für Lachsalven im Publikum / Kein heißes Eisen ausgelassen

Wer auf der Suche nach den neuesten Trends ist, muss sich in New York orientieren. Das hat Kabarettist Christoph Sonntag bei seinem Auftritt im Bärensaal deutlich gemacht.

Schramberg. Entsprechend hatte der König des schwäbischen Kabaretts in seiner aktuellen SWR3-Comedy-Live-Show "Bloß kein Trend verpennt" die Bühne mit einem riesigen Bühnenbild vom Times Square ausstaffiert. Frank Sinatra versetzte mit seinem New-York-Song aus dem Lautsprecher die Besucher vollends in die amerikanische Kommerz-Metropole. Klar, dass der Kabarettist erst mal durch Smalltalk den Kontakt mit dem Publikum knüpfte: In Schramberg sei die Welt noch in Ordnung, er habe für die Besichtigung der Denkmäler und Sehenswürdigkeiten gerade einmal zehn Minuten gebraucht.

Ein dankbares Thema war die Politik: "Was wird aus Europa? Es läuft auf ein Kerneuropa hinaus: Die drei wichtigsten Länder tun sich zusammen: Baden-Württemberg, das Elsass und die Nordschweiz. Nach fünf schönen Monaten ohne Regierung habe jetzt wieder die Groko (großes Kotzen) das Sagen und Seehofer habe das Porzellan-Syndrom (nicht mehr alle Tassen im Schrank). Eine Lösung für das Autobahn-Maut-Problem wäre, die rechte Spur – die ohnehin niemand nutze, zu verkaufen.

Selbstverständlich suchte sich der gewiefte Comedian auch ein Opfer unter den Zuschauern und es waren gleich zwei: Eckart und seine Frau Annelies ließen die penetranten Fragen und Anspielungen lächelnd über sich ergehen, was von Sonntag mit den Worten "Respekt, ich würde solche sensiblen Daten nie veröffentlichen" quittiert wurde.

Mit einem ganz normalen Tag in seinem Leben demonstrierte der Trendjäger seinen Lifestyle: Aufgeweckt vom Trendwecker mit Snooze-Modus, stehe er entweder früh auf oder friedlich. Um 7 Uhr müssten die Kinder zur Waldorf-Schule gebracht werden. So wie alle Eltern lasse er das Auto dann vor der Ecke stehen, um die letzten Meter noch mit den Kindern zu Fuß zu laufen. Manche Eltern setzten sich nach Verlassen des Autos noch fix einen Fahrradhelm auf. Zwei Regeln lernten die Kinder in der Waldorf-Schule: Dass man’s zu nichts bringt und dass man’s selber merkt. Zum Brüllen war die Demonstration, wie Sonntag den Namen Christoph eurythmisch darstellte.

Als Nächstes stand Bodybuilding auf dem Programm. Ein Reinfall war das Sling-Training, wo das Technische Hilfswerk gerufen werden musste, um den Übenden zu befreien. Anders das Faltfahrrad, das nach dem Prinzip Origami funktionierte. Der Komödiant drehte auch gleich auf der Bühne eine Proberunde, doch war er sich bewusst, dass der Trend eindeutig in Richtung E-Bike ging, dem frisierten Mofa ohne Lärm, wo ein 80-Jähriger mit 90 Stundenkilometern auf der Autobahn ohne Geräusch vorbeirast und nur die künstliche Hüfte klappert.

Dass trendy nicht immer problemlos bedeutet, merkte er, nachdem er das Fitness-Armband, das ihm seine Frau geschenkt hatte, seinem Hund umgebunden hatte und seine Frau abends ablas: "24 Mal an den Baum gepinkelt". Natürlich konnte der schönheitsbewusste Mann die neuesten Methoden zur Enthaarung nicht auslassen. So schilderte der Gebeutelte dem schadenfrohen Publikum, wie ihm beim Sugaring die Rückenhaare wie eine Raufaser ohne Tapete abgerissen wurden. Er hatte bis dahin noch gar nicht gewusst, dass er auch auf dem Rücken Haare hatte. Der Vergleich enthaarter Männermodels mit frisch geschlüpften Delfinen drängte sich auf. Er selbst habe nach der Prozedur ausgesehen wie ein frisch gerupftes Hähnchen.

Eine Pointe reihte sich an die andere, die Zuhörer lachten Tränen und kamen aus dem Lachen nicht mehr heraus. Vor amerikanischer Kulisse konnte der Kabarettist ja das amerikanische Staatsoberhaupt nicht übergehen, der gerade dabei sei, "ein Experiment am offenen Herzen der Demokratie" durchzuführen. Der Hirntod werde eben bei vielen Menschen oft erst Jahre später festgestellt.

Christoph Sonntag selbst hatte es, wie Fotos an der Leinwand bewiesen, tatsächlich fertiggebracht, mit 700 Plakaten in New York in sein schwäbisches Kabarett einzuladen, sodass es total ausverkauft war. Was er dort an schwäbisch-amerikanischen Sprachmischformen hörte, gab er unglaublich authentisch wieder. Sein Fazit lautete: Schwaben bleiben immer Schwaben, selbst am trendigen Times Square.

Umwerfend war der Besuch beim Urologen, wo der Comedian gleichzeitig in die Rolle des Weißkittels und des Patienten schlüpfte. Die dreifache Diagnose für den Kassenpatienten lautete auf Inkontinenz, Inkompetenz und Impotenz. Sie wurde jedoch augenblicklich aufgehoben, als sich herausstellte, dass der Urologe einen Privatpatienten vor sich hatte, den er nun im Kompetenzzentrum mit allen möglichen Serviceleistungen umwarb.

Zufällig war wieder einmal der Zeitpunkt gekommen, wo Kultfigur Bruder Christophorus von seiner Wolke auf die Erde schwebte, wo er beim "Jüngsten Gerü(i)cht" den Politikern gründlich die Leviten las. Angetan mit einer braunen Mönchskutte, waltete der Himmelsbürger nur allzu gern dieses Amtes. Der Vergleich mit speziellen Vögeln fiel für manche Opfer etwas ungünstig aus, so für Angela, die Nebelkrähe, die die Orientierung verloren habe oder Martin Schulz, den Rotkopf-Würger auf der roten Liste. Auch Braunellen machte der Bruder aus. Für das Traumpaar Kretschmann-Strobl fand er die Bezeichnung "Der Schöne und das Biest", behielt aber für sich, wer wer sei.

Einfach herrlich war das Sonntagsgespräch zwischen den beiden Handpuppen Günther Oettinger und Winfried Kretschmann, natürlich in deren original Schwäbisch. Zum Thema Zukunft fiel Winfried "spontan" nichts ein, doch wurde er von Günther belehrt, dass früher oder später jeder mal in Brüssel endgelagert werde. In unglaublichem Tempo schaffte der Kabarettist, alle heißen Eisen anzufassen: den Gender-Wahn, Beckenbauer und Niersbach beim Memory-Spiel mit den Millionen, die Idee, dass der Vatikanstaat eine Fußball-Mannschaft kreiert – "eine Chance, um auf legale Weise in Kontakt mit jungen Männern zu kommen".

Ganz neu erlebten die Zuschauer Christoph Sonntag mit Männer-Dutt oder als Sänger und Luftgitarrespieler der Superklasse bei seinem Song "I muss gar nix. I mach bloß, was i macha will, bis i ins Gras nei beiß". Sein Urteil lautete: "Der Trend ist doch bloß Schmu."

Der Kabarettabend gab den Zuhörern aber bei allem Spaß auch Gelegenheit, die gemeinnützigen Projekte der "Stiftung Christoph Sonntag" kennenzulernen. Als gelernter Landschaftsbauer sei ihm immer schon der ökologische und soziale Gedanke ein Herzensanliegen. So unterstütze er seit zwölf Jahren benachteiligte Kinder, wohnsitzlose Jugendliche, veranstalte Ernährungswochen, Toleranzwochen, Baumaktionen, Unterricht am Fluss oder am See und sorge für die Sauberkeit des Max-Eyth-Sees in Stuttgart. Der Riesenapplaus galt neben dem Dank für einen köstlichen Abend sicherlich auch dem Respekt vor diesem Engagement.

In der Zugabe, bei der er auf sein Programm "Alten Zeiten, neue Zeiten" zurückgriff, verabschiedete sich das schwäbische Allroundtalent im Diskosound.