Ein Nachbarschaftsstreit endete vor dem Oberndorfer Amtsgericht. Foto: nito – stock.adobe.com

50-Jähriger soll Nachbarn bedroht, beleidigt und gewürgt haben. "Geschmack des Todes" verspürt?

Schramberg - Alles Theater, um Schmerzensgeld zu kassieren? Oder hatte der Zeuge, wie er sagte, bei einer Auseinandersetzung tatsächlich den "Geschmack des Todes" verspürt? Auch vor dem Amtsgericht Oberndorf konnte dies nicht eindeutig geklärt werden.

Richter Wolfgang Heuer ließ am Mittwoch Vorsicht walten und stellte einen Polizeibeamten ab, um vor dem Gerichtssaal die acht Zeugen zu beaufsichtigen, die dort warteten. Zwei Familien waren aus Schramberg angereist, die sich offensichtlich spinnefeind sind. Dies ging sogar soweit, dass es im März vergangenen Jahres zu Handgreiflichkeiten gekommen sein soll.

Auf der Anklagebank saß ein 50-jähriger Syrier, der mit Frau und drei Kindern in der Talstadt wohnt, dem gefährliche Körperverletzung vorgeworfen wurde. Er soll seinen Nachbarn, der aus dem Irak stammt und mit dem er sich seinerzeit eine Vier-Zimmer-Wohnung teilte, bedroht und beleidigt und so stark gewürgt haben, dass dieser heute noch Schmerzen im Halswirbelbereich hat.

Wie der Angeklagte schilderte, sei er am Abend des 28. März 2017 nach Hause gekommen und habe seinen Mitbewohner rauchend am Fenster vorgefunden. Der Fernseher lief laut und er sang mit. Der Syrier, der seit 2015 in Deutschland lebt, habe daraufhin die Zimmertür geschlossen, wollte seine Ruhe. Dies habe dem aus dem Irak stammenden Mann nicht gepasst und er öffnete die Tür wieder. "Dies ging ein paar Mal hin und her", übersetzte eine Dolmetscherin die Aussage des Angeklagten, da er selbst kein Wort Deutsch kann. Als er die Tür wieder einmal schließen wollte, mittlerweile schmissen sich die zwei Hitzköpfe üble Beschimpfungen an den Kopf, hätten ihn drei Faustschläge ins Gesicht getroffen, deshalb habe er den Iraker weggestoßen und dieser sei gegen die Heizung geprallt. Er habe ihn dann an den Schultern festgehalten, weil sich sein Mitbewohner einen Baseballschläger greifen wollte, den er unter seiner Matratze aufbewahrte, so die Aussage des Flüchtlings, der in seiner Heimat als Buchhalter tätig war.

Kulturelle Unterschiede

Mittlerweile hätten Familienangehörige die Polizei verständigt. Noch in derselben Nacht sei der Angeklagte gemeinsam mit seiner Familie nach Schenkenzell gebracht worden.

Mit dieser Unterbringung war er offensichtlich nicht einverstanden, weshalb er sich auf eigene Kosten tags darauf im Hotel Bären in Schramberg einmietete. Nach fünf Übernachtungen bekam er eine andere Wohnung zugewiesen. Ebenfalls in der Talstadt. Dort wohnt er bis heute.

Das vermeintliche Opfer konnte sich an die kassierten Faustschläge zwar nicht mehr erinnern, dafür offensichtlich an den Rest dieses Abends umso besser.

So schilderte er seine Version des Vorfalls: Als er an dem besagten Abend nach Hause gekommen sei, habe sein Mitbewohner bereits auf ihn gewartet, ihn übel beschimpft und bedroht. Einen Grund habe es augenscheinlich nicht gegeben. Auf Nachfrage des Richters erläuterte der Zeuge allerdings, dass die kulturellen Unterschiede groß seien.

Der Angeklagte habe ihn dann ins Zimmer geschubst, ihn gepackt, in den Schwitzkasten genommen und drei Minuten lang gewürgt – dabei habe er den "Geschmack des Todes" gespürt. In letzter Sekunde habe seine Frau ihn retten können.

Der Sohn des Angeklagten habe alles mit seiner Handykamera gefilmt. Eine Aufnahme konnten die Polizei später allerdings nicht mehr finden.

Das Opfer kam ins Krankenhaus, wo leichte Prellungen und eine leichte Rötung am Hals festgestellt wurden.

Auch auf den Fotografien, die die Polizisten anfertigten, war nicht mehr zu erkennen. Oder wie Richter Heuer es ausdrückte: "Da ist nix, höchstens ein Kratzer von zwei, drei Millimetern."

Einige Tage später hat sich der 44-jährige Mechaniker vom Hausarzt bescheinigen lassen, dass er ein Schleudertrauma erlitten habe und starke Schmerzmittel brauche. "Das hat mich doch etwas verwundert", stellte der ermittelnde Polizeibeamte im Zeugenstand fest.

Wie der Anwalt des Angeklagten, Markus Kohler, erläuterte, sei seinem Mandanten bereits ein Schreiben zugegangen, indem ein "vorläufiges" Schmerzensgeld von 1500 Euro gefordert werde.

"Was das Opfer bezüglich der Schwere der Tat sagt, ist unglaubhaft", stellte Richter Wolfgang Heuer unumwunden fest. Gegen eine Geldbuße von 300 Euro stellte er das Verfahren ein. Diese musste der Angeklagte gleich in bar begleichen.