Berthold Kammerer in seiner Paraderolle als Dorfpolizist in der Schweiz – frei nach dem Kabarettisten Emil Steinberger, dessen Texte er sich per Hand notierte, indem er seine Schallplatten anhörte. Also von wegen digital. Archiv-Fotos: Dold Foto: Schwarzwälder Bote

Fasnet: Hausball bei Familie Kammerer lässt uralte Traditionen aufleben / "Im kleinen Kreis viel schöner"

Lichtscheues Gesindel, Messerwerfer, Bauchredner: Beim Hausball von Berthold und Deike Kammerer sind sie alle unter einem Dach vereint. "Fasnet in Reinkultur wie vor vielen Jahrzehnten ist so etwas", befindet Klaus Ranft, ein begeisterter Brauchtumsexperte.

Schramberg-Sulgen/Hardt. Schon als kleiner Junge war die Fasnet im kleinen Kreis für Berthold Kammerer sehr vertraut: Er ist im Sulgener Traditionsrestaurant Unot aufgewachsen, wo es einst zur Fasnetszeit per Rutsche in die Kellerbar ging. Zudem hat er vor weit über 30 Jahren die Sulgener Kickerstube mit aufgebaut, die seitdem vom Schmotzigen bis Fasnetsdienstag ohne Unterbrechung geöffnet hat.

Vom Fasnetsvirus ist er schon seit vielen Jahren ebenso befallen wie seine Frau Deike, die unter anderem im früheren Gesangsverein Schramberg beim Programm an Fasnetsbällen mitwirkte.

Schon längst wohnen die beiden in Hardt. Die Hausherrin schlug eines Tages vor, einen Hausball zu veranstalten: "Und wenn meine Frau mir etwas sagt, dann mache ich das", bekennt Berthold Kammerer.

Gesagt, getan: Bei der ersten Auflage im großen Partyraum kam der fasnetsbegeisterte Freundeskreis. Hier nahm man noch mit Geschicklichkeitsspielen vorlieb, doch im folgenden Jahr starteten alle so richtig durch. Unter dem Motto "Rocky Horror Picture Show" gab es bereits ein richtiges Programm. Unter anderem tanzte Hans-Jörg Dierstein den "Gangnam Style" vor – bei dem begeistert mitgemacht wurde.

"Lichtscheues Gesindel" hat so einiges auf dem Kerbholz

Es folgten Mottos wie VIP-Promis mit als Conchita Wurst oder Liza Minelli verkleideten Gästen oder das "Lichtscheue Gesindel" mit vielen schweren Jungs und Mädels, die so einiges auf dem Kerbholz hatten.

Hausherr Berthold Kammerer wartet Jahr für Jahr mit Programmpunkten auf. Zum Schießen beispielsweise war seine Rolle als Schweizer Kabarettist Emil Steinberger, auf dessen Dorfpolizeiwache so einiges in die Hose ging. Deike Kammerer legte mit dem "Banküberfall" der EAV nach. Mitunter müssen die Teilnehmer auch Zettel ziehen und Aufgaben erledigen wie: "Gehe um 23 Uhr zum DJ und blase einen Luftballon auf, bis er platzt."

Vertreten ist beim Hausball auch stets eine Vertretung der Falkensteiner Fasnet oder des Tanzkreises Dierstein. Bis zu 50 Personen sind zu Gast, mitunter auch lokale Prominenz wie Ulrich Bauknecht oder Michael Knecht.

Dieses Mal dürfen sich die Besucher auf Wortspiele à la Willy Astor, des bayerischen Kabarettisten, freuen. Zudem wird Jahr für Jahr das beste Kostüm prämiert. Eine weitere Besonderheit ist der "Hausball-Rock". Dieses Lied nach dem Titel "Rock mi" von Voxxclub wird Jahr für Jahr an das Motto des Hausballs angepasst. "Wir wollen solche Traditionen fortführen", sagt Berthold Kammerer.

Damit stößt er bei Klaus Ranft, dem Vizepräsidenten des Närrischen Freundschaftsringes Neckar-Gäu, auf offene Ohren. "Im kleinen Kreis ist die Fasnet viel schöner als in riesigen Hallen. Das entspricht einfach der Tradition und dem immateriellen Kulturerbe", sagt der Brauchtumspfleger par excellence, der selbst schon unzählige Auftritte in der Bütt hinter sich hat.

Die eigentliche Fasnet im kleinen Kreis gebe es bereits seit dem 17. oder 18. Jahrhundert, wie Niederschriften in Kirchenchroniken bewiesen. "Allerdings wurde das Treiben von der Obrigkeit damals nicht gerne gesehen", weiß Ranft. Organisierte Fasnetsveranstaltungen wie heute gebe es noch gar nicht so lange. Früher habe sich die Fasnet in den Häusern und Wirtschaften abgespielt.

Hausbälle wie bei Berthold und Deike Kammerer sind zwar heute eher die Ausnahme, doch haben sie laut Klaus Ranft viele Pluspunkte: "Das Schöne daran: Vieles ist spontan und eher improvisiert, getreu dem Motto: ›Hier bin ich Narr, hier darf ich’s sein.‹" Zudem kämen hier viel Lokalkolorit und alte Geschichten auf den Tisch.

Die schwäbisch-alemannische Fasnet gehört zum immateriellen Kulturerbe der Unesco – und zwar unter dem Titel "Wissen, kennen, weiter geben". "Da zählt ein Hausball eindeutig dazu", sagt Ranft.

Das Weitergeben an die nächste Generation ist im Übrigen im Hause Kammerer schon voll im Gange. Tochter Saskia ist bereits in den Hausball mit eingespannt.