Das frühere Schramberger Krankenhaus, rechts der Operationstrakt, links der Bettenbau Ost. Foto: Wegner

Hat die AOK die Zahlen geschönt? Klare Strategie gefordert, um altersbedingte Praxisaufgaben auszugleichen.

Schramberg - Die Versorgung durch Ärzte im Mittelbereich Schramberg ist gut, bestätigte jüngst AOK-Landeschef Klaus Herrmann. Augenwischerei, findet dagegen der CDU-Fraktionsvorsitzende Clemens Maurer und der CDU-Stadtverbandsvorsitzende Johannes Grimm und fordern Krankenkassen und kassenärztliche Vereinigung auf, die Versorgung auch langfristig sicherzustellen.

Für die Stadt Schramberg war es eine ihrer schwersten Stunden, als der Klinik-Konzern Helios 2011 die Schließung des Kreiskrankenhauses bekannt gab. Der Investor begründete die Aufgabe mit der mangelnden Rentabilität des Standortes: schlechte Auslastung, Defizite, bauliche Mängel. Seitdem müssen die Schramberger, brauchen sie ein Krankenhaus, längere Wege wie den in das 25 Kilometer entfernten Rottweil auf sich nehmen. In der Bevölkerung herrscht darüber nach wie vor Unverständnis und Verunsicherung. Mitte vergangenen Jahres mussten sich dann auch diejenigen geschlagen geben, die eine Poliklinik auf dem Carl-Hass-Gelände begrüßten, mit der man sich versprach, der Funktion als Mittelzentrum gerecht werden zu können. Doch zu wenige Ärzte hatten Interesse an dem Projekt gezeigt. Dennoch: Der Bereich Schramberg ist, was die Versorgung durch niedergelassenen Ärzte angeht, überdurchschnittlich gut versorgt. Das bestätigte jüngst die AOK Baden-Württemberg, vertreten durch ihren Geschäftsführer Klaus Herrmann, seinen Vertreter Uwe Schreiber sowie Vorstandsvorsitzenden Christopher Herrmann, die Mitte Dezember in der Geschäftsstelle Schramberg zu Gast waren. Schön und gut, findet zwar die Schramberger CDU, doch sie kritisiert in einem, unserer Zeitung vorliegenden offenen Brief, dass der Eindruck geweckt werde, man müsse sich in Schramberg um die Gesundheitsversorgung keine Sorgen machen.

"Unsere (die der CDU, Anm. der Redaktion) Erhebungen ergeben, dass wir allen Anlass haben, uns gerade um die künftige Gesundheitsversorgung im Mittelbereich Schramberg Sorgen zu machen." Es müsse frühzeitig nach Lösungen und richtigen Weichenstellungen gesucht werden, heißt es weiter. Dies sei die genuine Aufgabe von Krankenkassen und kassenärztlicher Vereinigung. Die von beiden Einrichtungen offiziell vertretene Zahl eines Versorgungsgrades von 130 Prozent werde fälschlicherweise als Erfolg verkauft.

Ein Versorgungsgrad von 130 Prozent bedeutet, so die CDU, dass es im Versorgungsgebiet 34,25 Hausärzte gebe, die eine Niederlassung inne hätten, wobei das Versorgungsgebiet die Städte und Gemeinden Aichhalden, Dunningen, Eschbronn, Hardt, Lauterbach, Schenkenzell, Schiltach und Schramberg umfasst.

"Wer versucht, die Ärztezahl anhand der praktizierenden Hausärzte mit Arztsitz im Versorgungsgebiet nachzuvollziehen, den beschleichen Zweifel an der Richtigkeit dieser Zahl", so die CDU. Weiter heißt es: "Kann es sein, dass bei der Erhebung der Arztzahlen auch solche Ärzte eingerechnet wurden, die möglicherweise noch einen Arztsitz inne haben, aber zur Versorgung nichts mehr beitragen, weil sie aus Altersgründen nicht mehr praktizieren?"

Die CDU-Fraktion Schramberg fordert AOK und die Kassenärztliche Vereinigung auf, die Ärzte im Mittelbereich Schramberg zu benennen, die einen Arztsitz inne haben und als in Vollzeit praktizierende Ärzte auch zur Versorgung der Bevölkerung beitragen.

"Nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist"

Zwar sei man mit der Einschätzung einverstanden, dass die Versorgungssituation im Mittelbereich in Ordnung sei. Sorgen seien jedoch mit Blick auf die Altersstruktur der Ärzteschaft angebracht.

Die CDU argumentiert: Die Hälfte der Hausärzte sei mehr als 60 Jahre alt. Ihr Fazit: "Unser vordringliches Problem ist also die Besetzung der vielen absehbar in den nächsten Jahren frei werdenden Sitze". Die Mechanismen zur Wiederbesetzung von Arztsitzen seien in den vergangenen Jahren nicht "als sehr flexibel und zielorientiert" wahrgenommen worden. Deshalb fordert die CDU: Die Altersstruktur der Hausärzteschaft soll aufgezeigt werden, wobei die Gruppe der über 60-Jährigen und der über 65-Jährigen näher aufgeschlüsselt werden soll. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass die Situation gerne schön geredet und so lange gewartet werde, bis das Kind in den Brunnen gefallen sei. Von großem Interesse sei es, "angesichts der offensichtlich absehbaren Welle an altersbedingten Praxisaufgaben", zu erfahren, welche Strategie die Krankenkassen und die kassenärztliche Vereinigung verfolgten, um eine drohende Unterversorgung abzuwenden.

Auch bei Fachärzten werde eine Überbesetzung vorgegaukelt. Leider sei der Versorgungsraum für die Besetzung von Sitzen für Fachärzte nicht der Mittelbereich, sondern der Landkreis. Daher will die CDU wissen: Wie verteilt sich die Fachärzteversorgung über den Landkreis und wie sieht es mit der Versorgung bezogen auf das Mittelzentrum Schramberg aus? "Mindestens genau so entscheidend" sei gerade für den Mittelbereich Schramberg wiederum die Altersverteilung der Fachärzteschaft. Auch hier gebe es etliche Ärzte, die in absehbarer Zeit in den Ruhestand gingen und damit ihre Praxis aufgäben. Die Erfahrungen andernorts zeigten, dass die Wiederbesetzung von Facharztsitzen in bestimmten Disziplinen schwierig sei. Auch hier stellt die CDU präzise Fragen: Wie ist die Strategie der AOK und der kassenärztlichen Vereinigung zur Wiederbesetzung der in den nächsten Jahren altersbedingt frei werdenden Facharztsitze?