Jürgen Reuter, von Beruf Polizeibeamter. Foto: Privat

Fraktion beschließt Rauswurf. Ausschluss eines Mitglieds ist Novum in Schramberg. Mit Kommentar

Schramberg - Schrambergs Kommunalpolitiker halten gespannt die Luft an: Die CDU im Gemeinderat hat Jürgen Reuter aus der Fraktion ausgeschlossen. Den Rauswurf des Stadtrats beschloss die Fraktion am Montagabend. Reuter wurde davon tags darauf mündlich in Kenntnis gesetzt.

Am Mittwoch gab die Fraktion den Beschluss in einer offiziellen Pressemitteilung bekannt. Der Text fällt kurz aus; er enthält keinerlei Begründung, dafür die übliche Höflichkeitsfloskel am Ende: "Wir danken Herrn Reuter für seine ehrenamtliche Mitarbeit und bieten ihm für seine zukünftige politische Tätigkeit im Gemeinderat eine faire und respektvolle Zusammenarbeit außerhalb unserer Fraktion an."

Reuter selbst war zur Sitzung eingeladen, hatte aber auf eine Teilnahme verzichtet. Er wolle den Fraktionsausschluss akzeptieren. "Was anderes bleibt mir im Moment nicht übrig", so der Stadtrat auf Nachfrage. Wie es für ihn weitergeht, ist ebenfalls noch offen. Die CDU kann ihn zwar der Fraktion verweisen, sein Gemeinderatsmandat verliert er dadurch aber nicht. Er bleibt Stadtrat ohne Fraktionsbindung, zunächst "Einzelkämpfer", wie er es selbst bezeichnet.

Ob ein Anschluss an eine andere Fraktion oder Gruppe infrage kommt, weiß er noch nicht. "Mal schauen", so Reuter. Trotz des Rauswurfs bleibe er außerdem Partei-Mitglied und wolle seine Arbeit in den Arbeitskreisen und Gremien der Partei fortführen, "für Schramberg und die CDU engagiert bleiben". Aus dem Stadtverband für Soziales, von dem er für die Fraktion entsandt wurde, müsse er sich allerdings zurückziehen.

Indessen ist auch die Stadtverwaltung über die Personalie informiert und hat bereits ihrerseits reagiert. Eigentlich sollten am Donnerstag einige Veränderungen in der Zusammensetzung des Rats vorgenommen werden. Wie berichtet, hat SPD-Sprecher Hans Jörg Fahrner sein Ausscheiden aus dem Gemeinderat beantragt. Außerdem gibt es eine Lücke durch den Tod von Volker Maier-Juranek. Wie die Besetzung der Ausschüsse und Gremien des Gemeinderats aussehen soll, steht noch nicht fest. Der entsprechende Punkt ist deshalb von der Tagesordnung abgesetzt, so Uwe Weißer, zuständiger Fachbereichsleiter im Rathaus, auf Nachfrage. Der Grund: Durch den Verlust eines Mandats in den Reihen der CDU ergeben sich weitere Verschiebungen. Die Union verliert je einen Sitz im Verwaltungsausschuss und im Ausschuss für Umwelt und Technik. Aufgrund des Auszählverfahrens gehen die Sitze automatisch an die SPD. Wie diese Fraktion nun ihre Ausschussmitglieder neu ordnet, will sie erst intern prüfen. Aus diesem Grund soll das "Gesamtpaket" sämtlicher Neubesetzungen "in aller Ruhe" in der nächsten Sitzung am 3. März verabschiedet werden, so Weißer.

Der Rauswurf eines Fraktionsmitglieds ist ein Novum in der jüngeren Geschichte der Stadt und dürfte selbst landesweit alles andere als alltäglich sein.

Info: Jürgen Reuter und seine Funktionen

Jürgen Reuter, 52 Jahre, ist Diplom-Verwaltungswirt Polizei (FH) und Polizeioberkommissar. Reuter war zur Gemeinderatswahl 2014 erstmals angetreten und hatte auf Anhieb den Sprung ins Gremium geschafft. Der Sulgener holte 2 616 Stimmen und erreichte damit Platz elf von insgesamt 27 Stadträten. Er war für die CDU-Fraktion Mitglied im Verwaltungsausschuss, als »citoyen d’honneur« der französischen Gemeinde Cannes-Ecluse im Ausschuss für Städtepartnerschaften und Internationale Kontakte, Vertreter der CDU im Stadtverband für Soziales sowie Ersatzmitglied im Ausschuss für Umwelt und Technik, im Gemeinsamen Ausschuss der Verwaltungsgemeinschaft Schramberg, im Umweltbeirat und im Tourismusbeirat. Reuter engagiert sich für die Talstadtumfahrung Schramberg. Als Vorstandsmitglied des Ortsverbands Schramberg der CDU, des Arbeitskreises Polizei der CDU im Kreisverband Rottweil und im Bezirksverband Südbaden sowie als Mitglied des Fachausschusses Europa der CDU im Bezirksverband Südbaden will er nach eigenen Angaben weiter für die CDU aktiv bleiben.

Kommentar: Der erste Schritt Richtung Affäre

Von Volker Rath

Die Causa Krankenhauses-Immobilie Schramberg fordert ein erstes politisches Opfer. Die CDU-Fraktion im Gemeinderat schmeißt Jürgen Reuter raus. Das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und der Fraktion sei zerstört, heißt es. Aus Sicht der CDU mag das konsequent sein. Aber ob’s auch clever ist? Bislang war die Klinik-Frage lediglich ein unschöner Zustand, ein ungelöstes Problem. Aber jetzt ist die Union dabei, eine Affäre daraus zu machen.

Um aus einer Fraktion zu fliegen, muss man fast schon goldene Löffel stehlen. Der offizielle Grund in Schramberg ist hingegen dünn: Die Fraktionsspitze kreidet Reuter eine Rundmail an, in deren Anhang sich ein Handelsregister-Auszug befand: die personellen Veränderungen bei der Camedi, den heimlichen Verkauf der Firma an den Berliner Baumagnaten und Asylbewerberheim-Betreiber Helmuth Penz. Dieses Vorgehen kann man durchaus als skandalös betrachten. Jetzt schmeißt die CDU ausgerechnet jenen Stadtrat raus, der die Sache ans Licht der Öffentlichkeit gebracht haben soll. So macht man Märtyrer.

Dazu muss man wissen: Handelsregister-Einträge sind öffentlich, keine vertraulichen Interna. In einigen Branchen gehört ein regelmäßiger Blick ins Handelsregister sogar zum Tagesgeschäft. Also, was soll’s? Ob Jürgen Reuter den Stein ins Rollen gebracht hat, steht indessen auf einem anderen Blatt. Vielleicht war er’s, vielleicht auch nicht. Zu undurchsichtig schien zuletzt die Gemengelage in der Stadt. Unsere Redaktion hatte schon vor dieser ominösen Rundmail Hinweise darauf, dass sich etwas tut bei der Camedi. Nur so richtig einordnen ließ sich das zunächst nicht. Zuletzt glühten in der halben Stadt regelrecht die Drähte.

Was rauskam, war gut für Schramberg. Endlich konnte jeder wissen, was sich da zwischen den Jahren zusammengebraut hatte. Die Stadtverwaltung sah sich genötigt, öffentlich Stellung zu nehmen, erste politische Entscheidungen folgten auf dem Fuß. Es gibt deshalb Leute, die den Standpunkt vertreten, Reuter habe die Stadt vor einem großen Schaden bewahrt. Ihm gebühre ein Orden. Stattdessen werde er gekreuzigt.

Ganz so simpel ist der gesamte Vorgang dann auch wieder nicht. Es gilt als offenes Geheimnis, dass es seit geraumer Zeit knistert hinter den Kulissen der CDU: Reuter, heißt es, sei mehrfach ins Gebet genommen worden, auf Fraktionslinie zu bleiben. So gesehen, wäre die Camedi-Geschichte nur der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die Trennung von Reuter, dem Unangepassten; für die einen erfrischender Querdenker, für andere notorischer Querulant. Aber es scheint noch mehr im Busch: CDU-Fraktionskollege Johannes Grimm hat zuletzt auch dick einen mitbekommen. Für seinen Vorschlag, die Tennenbronner Halle mit dem Freibad zu kombinieren, hagelte es erwartungsgemäß Kritik. Der Gemeinderat stimmte seine Idee nieder, mit den Stimmen der eigenen Fraktion – kommentarlos und ohne ein einziges Wort dazu, dass es da jemand nur gut gemeint haben könnte. So lässt man einen Parteifreund im Regen stehen.

Jetzt muss die CDU zusehen, dass sie sich nicht selbst zerlegt. Ihre komfortable Mehrheit behält sie zunächst. Aber sie zahlt schon jetzt einen hohen Preis: Sie verliert Sitze in Rat und Ausschüssen. Und wer weiß, vielleicht kommt die ÖDP plötzlich doch noch zum Fraktionsstatus.