Die Schramberger Bürgerinitiative gegen den 5G-Ausbau hat sich zu Wort gemeldet. Symbolfoto: Dernbach Foto: Schwarzwälder Bote

Mobilfunk: 5G-Gegner schreiben offenen Brief / Vorwurf der einseitigen Informationspolitik

Schramberg. In einem Schreiben wendet sich die Bürgerinitiative (BI) 5G Schramberg an Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr, an Stadträte und Parteienvertreter. Beatrice Madlo, Gerlinde Freder, Lore Hillmaier sowie Martin und Sandra Kern aus Schramberg wie auch Hans Kurt Rennig aus Schenkenzell fordern darin den "Anspruch auf ausgewogene Information zum 5G-Ausbau" ein.

"Noch einmal wenden wir uns mit diesem nun offenen Brief an Sie als Verantwortungsträger dieser Stadt", heißt es in dem Schreiben. In bisherigen Gesprächen mit Vertretern der Kommune Anfang März dieses Jahres, unter anderem mit Fachbereichsleiter Uwe Weisser, "wurde von unserer Seite die Bitte ausgesprochen, mit einer ausgewogenen Infoveranstaltung zum geplanten 5G-Ausbau die Bevölkerung in die Aufklärung mit einzubeziehen."

Wie groß das Interesse an diesem sensiblen Thema sei, habe der Vortrag von Peter Hensinger gezeigt, der mit annähernd 250 Besuchern aus Schramberg und Umland im September vergangenen Jahres in der Mensa des Gymnasiums stattfand. Es gehe um den Anspruch der Bevölkerung auf ausgewogene Information zu diesem Thema, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Bedenken, Risiken, Alternativen und Möglichkeiten der Strahlungsminimierung.

Diese gemeinsame Vorbereitung mit Mitgestaltung, insbesondere was die Wahl von "neutralen" Referenten angeht, sei in diesem Gespräch in Aussicht gestellt worden. "Es ist aus unserer Sicht eine einseitige Information der Bevölkerung, wenn nun vom Wirtschaftsministerium eine ›Kompetenzinitiative‹ gestartet werden soll (wir berichteten), um Bedenken und Widerstände der Bevölkerung auszuräumen", schreibt die BI.

Wenn nun von Seiten der Stadt, wie von Oberbürgermeisterin Eisenlohr angesagt, im Herbst "in Kooperation mit dem Kompetenzzentrum Mobilfunk des Bundes" eine Veranstaltung geplant sei, "empfinden wir dies eindeutig als einseitige Informationspolitik und ein Übergehen unseres Bemühens um umfassende Aufklärung und Information". Die Planung einer Veranstaltung durch die BI in größerem Rahmen sei wegen der Versammlungs-Einschränkungen bislang nicht möglich gewesen, doch in dieser Zeit würden nun von den Mobilfunkbetreibern Fakten geschaffen.

Zahl der Skeptiker wird immer größer

"Wie können wir einer Regierung vertrauen, die Milliardenbeträge für den Verkauf von Lizenzen kassiert, ein Baurecht und Verträge zulässt, die von vornherein das Mitspracherecht der Kommunen einschränkt oder gar unmöglich macht?", fragt die BI. Dies sei schlichtweg ein Übergehen der Bürger und gefährde das demokratisches Grundverständnis. "Sind alle warnenden Stimmen von Wissenschaftlern, Medizinern, Biologen, Theologen und Ethikern, Hirnforschern und Kommunen, die sich 5G verweigern oder ein Moratorium ausgesprochen haben, nur Zukunfts- und Fortschrittsverweigerer? Wir glauben nicht."

Nicht nur elektrosensible Menschen sähen sich einem großflächigen Feldversuch ausgesetzt, wenn sogar das Bundesamt für Strahlenschutz bestätige, dass die Auswirkung eines weiteren großflächigen Ausbaus des Netzes bislang nicht erforscht ist und Handlungsbedarf besteht. Artikel 2 und 13 des Grundgesetzes mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und Unverletzbarkeit der Wohnung würden dadurch einfach außer Kraft gesetzt.

Die BI bedankt sich bei den vier Stadträten, die sich die Zeit genommen haben, auf ihr Anschreiben und Informationspaket von Anfang März zu reagieren. "Es wäre wünschenswert, sich mit sachlichen Argumenten einer öffentlichen Diskussion zu stellen und nicht durch anscheinend gängiges Recht klammheimlich vollendete Tatsachen zu schaffen."

Lehren aus der Corona-Pandemie

Auch Kommunen, verweist die BI auf weiteres Infomaterial, hätten Mitgestaltungsmöglichkeiten mit Vorsorgekonzepten. Eine vom Unternehmerverband Bitkom als repräsentativ in Auftrag gegebene Studie ergebe, dass bei nahezu der Hälfte der Bevölkerung inzwischen Bedenken und Besorgnis über elektromagnetische Felder, ausgehend von Funkmasten, vorhanden sind. Geplant seien, wie der Presse zu entnehmen war, weitere 40 000 Antennen bis Ende des Jahres und Hunderte von neuen Satelliten im Weltall. "Immer schneller, immer mehr? Müssen es noch mehr werden, bevor die Politik reagiert?"

Die Corona-Pandemie habe unter anderem gezeigt, "dass wir in der Verantwortung auf eine enkeltaugliche Zukunft in mehrerlei Hinsicht wie etwa Massentierhaltung, Ressourcenverbrauch, Veränderung des Klimas, Abhängigkeit von Transportsystemen, an unsere Grenzen kommen" – Regionalität erfahre wieder größeres Bewusstsein. "Unsere Zukunft ist ein Leben im Einklang mit der Natur, sie braucht uns Menschen nicht zum Überleben."

Der berichtete dramatische Verlust der Insekten und Artenrückgang solle eine Mahnung sein, in vielerlei Hinsicht umzudenken. "Ein blauer Himmel, wie wir ihn in den vergangenen Wochen erleben durften, und unbelastete Rückzugsräume in der Natur erfahren immer mehr Menschen gerade in der ländlichen Region als ein Geschenk. Ein Zuviel an elektromagnetischen Feldern ist dem menschlichen Organismus und somit auch allen anderen Lebewesen nicht zuträglich."

Bei der Bemessung der Grenzwerte, so das Schreiben, werden bislang nur die thermischen Auswirkungen berücksichtigt. Die gegenwärtige Grenz- und SAR-Grenzwerte klammerten die nicht-thermischen Effekte, die elementaren Einflussgrößen der Strahlung und ihrer Wirkung auf die Biologie von Mensch und Tier aus. In einem EU-Briefing-Papier stehe: Die Kombination von Millimeterwellen, eine höhere Frequenz, die Anzahl der Sender und die Anzahl der Verbindungen scheint biologische Auswirkungen zu haben. Verschiedene Studien deuteten darauf hin, dass 5G die Gesundheit von Menschen, Pflanzen und Tieren, Insekten und Mikroben beeinträchtigen kann – und weil 5G eine noch nicht getestete Technologie sei, wäre ein vorsichtiger Ansatz angebracht.

Die Städte wie zum Beispiel Genf und Brüssel, die ein 5G-Moratorium verfügt haben und der Meinung sind, dass aus Vorsorgeprinzip der Ausbau derzeit nicht verantwortbar ist, als auch die fünf Kommunen in Bayern, die den Ausbau von 5G ablehnen, seien kein Einzelfall mehr. "Sich ›für die Menschen vor Ort einsetzen‹ heißt, sie in Ihren Bedenken ernst nehmen und eine offene und transparente Informationspolitik betreiben. Verstehen Sie diesen Brief bitte als Anspruch auf Austausch auf Augenhöhe, wir stehen weiterhin gern zu sachlichen Gesprächen zur Verfügung", schließt die BI.