SW hat sich in der Zeit von Reiner Fries zu dem weltweiten Fach-Unternehmen für Bearbeitungszentren entwickelt. Foto: Herzog

Der scheidende Geschäftsführer Reiner Fries gibt spannende Einblicke in Branche und Management.

Schramberg-Waldmössingen - Reiner Fries scheidet nach zwei Jahrzehnten Ende 2020 bei der Schwäbischen Werkzeugmaschinen GmbH (SW) aus. Was hat sich in seiner Zeit im Unternehmen und der Branche verändert? Wir haben mit ihm gesprochen.

Herr Fries, wie haben sich das Unternehmen SW, der Maschinenbau und die Branche entwickelt?

SW hatte damals rund 210 Mitarbeiter, heute sind es insgesamt 1100, von denen rund 750 in Waldmössingen arbeiten. Der deutsche Werkzeugmaschinenbau war schon sehr exportorientiert, aber SW mit fast 70 Prozent Umsatz auf Deutschland zentriert. Heute ist es umgekehrt. Wir machen unsere Umsätze zu 70 Prozent im Ausland, wobei China gefolgt von den USA unsere größten Auslandsmärkte sind. Technisch betrachtet war die Nische der mehrspindligen Bearbeitungszentren zum Jahrtausendwechsel noch sehr klein. Sie ist dann deutlich gewachsen, was auch mehr Wettbewerb bedeutet. Als Ganzes gesehen, lässt sich die Branche in umformende und spanabhebende Verfahren teilen. Wir bewegen uns im spanabhebenden Bereich und darin wiederum im Bereich Bohren und Fräsen, was aber die Integration zum Beispiel von Dreh-Verfahren einschließt.

Den Bau von Sondermaschinen haben wir 2002 aufgegeben und uns gleichzeitig mit dem Einsatz der Linearmotortechnik – wenn Sie so wollen die Magnetschwebebahn im Maschinenbau – in die Werkzeugmaschine adaptiert. Diese Technologie haben wir kontinuierlich verbessert und in neue Maschinen integriert. Damit sind unsere Bearbeitungszentren heute die schnellsten der Welt. Der Effekt ist kein Selbstzweck, sondern verschafft unseren Kunden Vorteile in ihrem Wettbewerbsumfeld, was uns über die Jahre entsprechend viele Neukunden gebracht hat. Ein weiterer Punkt für die SW ist eine heute deutlich höhere Standardisierung und Konfigurierbarkeit, die auch deutlich kürzere Lieferzeiten ermöglichen. Im Wettbewerb geht es immer darum, für die Kunden die niedrigsten Kosten pro hergestelltem Werkstück bei gleichzeitig hoher Flexibilität der Maschinen zu generieren.

Welchen Einfluss hatte und hat die Globalisierung auf die Geschäfts- und Produktentwicklung?

Wir sind sukzessive globaler geworden. Als ich anfing, gab es die SW in Waldmössingen und einige Handelsvertreter in diversen Ländern. Die Gesellschafter von SW waren mutig und haben der Geschäftsführung ermöglicht, dass wir heute zwei Werke in China und eines in den USA haben, vor sechs Jahren ist noch die SW-Automation in Tettnang am Bodensee hinzugekommen. In den vergangenen vier Jahren haben wir zudem eigene Niederlassungen in Italien, Frankreich, Polen und Mexiko aufgebaut. Weitere werden folgen und es geht immer darum, unsere Kunden lokal besser zu betreuen als zuvor.

Das zu Ende gehende Jahr 2020 hat wegen der Corona-Pandemie gezeigt, wie wichtig die Präsenz auf weltweiten Märkten ist. Es hat sich ausgezahlt, dass unsere Gesellschafter der Geschäftsführung den Spielraum gaben, eine Präsenz in China und USA aufzubauen. Dadurch haben wir in den jeweiligen Ländern mehr Umsatz gemacht als vorher. Was die Produktentwicklung angeht, haben wir uns immer die Branchen mit ihren spezifischen Werkstücken angeschaut und dann dafür die aus unserer Sicht optimalen Maschinen entwickelt. Dass wir dabei bisher sehr automotive-lastig sind, hat uns nicht geschadet. Aber im Low-cost-Segment waren wir nicht zu Hause und unsere Maschinen sind weltweit die gleichen.

Die Autoindustrie wandelt sich. Braucht man weniger oder andere Maschinen?

Das ist bezogen auf SW schwierig zu beantworten, weil ein Großteil der Antwort von der Anzahl der zu zerspanenden Werkstücken abhängt und, an wie vielen Standorten in der Welt diese in welcher Menge gebraucht werden. Dass der Individualverkehr weltweit betrachtet nicht abnimmt, gilt als sicher. Dass Städte und Ballungsgebiete mit weniger Abgasen und Lärm belastet werden sollen, ist Teil der Aufgabe. Da wir aber immer noch einen recht kleinen Marktanteil haben – neulich war in einem Wirtschaftsmagazin zu lesen wir hätten drei Prozent Weltmarkt-Anteil – und wir sehr innovativ und flexibel sind, haben wir noch viel Luft nach oben. Das macht die Antwort auf den zweiten Teil ihrer Frage etwas leichter: Ja – man braucht zusätzlich zu den bisherigen andere Maschinen, die in der Lage sind neue, Strukturteile für E-Motoren oder größere Werkstücke, zum Beispiel sogenannte "gegossene Strukturbauteile" effizienter bearbeiten können als bisher. Alleine in diesem Jahr haben wir drei neue Maschinen vorgestellt dafür. Wir verstehen uns im übertragenen Sinn nicht als Großmarkt, sondern als Spezialitätenladen. Wir schlagen die Brücke zum Sondermaschinenbau und dem einspindligen Bearbeitungszentrum, das alles kann.

Industrie 4.0 und Künstliche Intelligenz (KI): Das Innovationstempo wächst stetig. Wie kann SW da Schritt halten?

Die SW hat bereits 2003 Dinge entwickelt, die heute unter dem Namen Industrie 4.0 laufen. Mittlerweile umfasst unsere Abteilung IDS (Industrial Data Services) 17 Mitarbeiter, davon acht Entwicklungsingenieure. Mitte 2019 haben wir eine eigene SW-Cloud-Plattform gestartet mit einem Softwarepaket, das auch andere Maschinenbauer von uns kaufen können. Ich denke, wir müssen uns an dieser Stelle vor niemandem in der Branche verstecken. Zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) hat mein sehr geschätzter Kollege Stefan Weber vor ein paar Jahren mal den Satz gesagt: "Wir sollten weiterhin noch sehr intensiv die ›MI‹ nutzen – also die menschliche Intelligenz". KI kann extrem schnell große Mengen von Daten analysieren und vergleichen und Hilfe geben, aber die Programme dafür werden von intelligenten Menschen geschrieben, das steht am Anfang.

Wie haben Sie das umgesetzt?

Wir entwickeln natürlich nicht nur, wie Stahl und Eisen in unseren Maschinen aussehen sollen, sondern auch sehr viel Software für das Betreiben und die Analyse über die gesamte Einsatzdauer eine Maschine, um kontinuierlich den Belastungszustand zu überwachen. Aber am Anfang stehen immer noch die Menschen. Nicht falsch verstehen: Die Unterstützung durch Sensorik und selbstlernende Software hat natürlich Eingang in unsere Maschinen gefunden, und wir haben dieses Jahr die Entwicklung einer eignen Software gestartet, mit der wir ganze Anlagen mit beispielsweise 50 SW-Maschinen plus unterschiedlichstem anderem Equipment so miteinander verknüpfen, dass man nicht nur jeden Sensor überwachen, sondern auch simulieren kann, was wäre wenn der eine oder andere Anlagenteil mal ausfällt. Heute werden solche Fertigungssysteme meist sehr individuell, also mit einer Sondersoftware, ausgestattet und man entwickelt das für die nächste Anlage wieder neu. Unsere menschliche Intelligenz ist also gefordert zu überlegen, wie wir dies standardisieren können. Dann kommt KI dazu, die dem Kunden und uns hilft, schnell und richtig zu reagieren.

Die richtigen Fachkräfte für die Produktentwicklung sind ein geschäftskritischer Faktor. Wie kann ein Unternehmen wie SW diese heranziehen und vor allem halten in Waldmössingen?

Talente zu finden ist uns in den vergangenen Jahren recht gut gelungen. Ich denke, weil wir Ingenieurinnen und Ingenieuren sehr wohl aufzeigen können, dass wir tatsächlich innovativ sind und viele Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Wir sind natürlich auch immer darin interessiert zu schauen, wo sich unter unseren Azubis Talente finden, die sich weiterentwickeln wollen. Es ist ja auch kein Geheimnis, dass SW gerade die Ausbildung unabhängig von der aktuellen Geschäftslage massiv ausgebaut hat. Zudem ist auch die Lage von Waldmössingen beziehungsweise dem Landkreis attraktiv, wenn man bedenkt, wie schnell man in Stuttgart, Zürich, Straßburg oder Freiburg ist und welchen Freizeitwert der Schwarzwald und die Bodensee-Region haben. Dass das in diesem Jahr viel breiter genutzte Homeoffice bei uns schon lange eine Möglichkeit ist, um SW als Arbeitgeber attraktiv zu machen, steht auch außer Frage. Aber auch da ist ein Hype entstanden, der auf mich etwas befremdlich wirkt, denn die Mitarbeiter kommen auch gerne ins Büro, weil sich die sozialen Kontakte und kleinen informellen Meetings kaum mit Videokonferenzen aufwiegen lassen.

Und schließlich: Was werden Sie nun machen?

Nach den 20 Jahren erst mal Pause, allerdings werde ich mein Beiratsmandat in einem Unternehmen fortführen.  

Aufgabengebiet:

Seit Oktober 2000 ist Reiner Fries bei SW für den Vertrieb und das Marketing zuständig. Zudem für das Auftragsmanagement: Die Anlage eines Maschinenauftrags im ERP-System und seine Weitergabe an alle beteiligten Abteilungen. Später kam der Bereich hinzu, der sich mit Industrie-4.0-Themen für die Maschinen und Anlagen beschäftigt, zudem die Academy für Kunden- und interne Schulungen und später die gewerbliche Ausbildung.

Zu dem kam das sogenannte "Informationsmanagement" (Maschinendokumentation, Montageanleitungen, die Entwicklung von Apps für den internen Gebrauch sowie der Aufbau und die Betreuung des SW-Intranets) hinzu. Die Logistik wurde in dieser Phase mit dem Einkauf und der internen Logistik zusammengefasst und von Geschäftsführer Markus Schmolz verantwortet.

Bereits im Juli 2020 ist Jörg Schmauder in die Geschäftsleitung der SW eingetreten. Er übernimmt seither als Geschäftsführer Vertrieb und Marketing sukzessive die Aufgaben von Fries, der das Unternehmen nun nach mehr als 20 Jahren auf eigenen Wunsch verlässt, um sich privaten Dingen zu widmen.