Der Referent Alexander Lohner Foto: Anton Foto: Schwarzwälder Bote

Vortrag: Auftakt von Marktplatz Kirche gut besucht

"Einfach leben. Neue Wege gehen." Dieses Thema zog bei der Auftaktveranstaltung von Marktplatz Kirche im Rahmen des Jahresthemas "Mir reicht’s. Zwischen Nicht-genug-Bekommen und bewusst gelebter Genügsamkeit" viele Zuhörer in den Pfarrhof.

Schramberg-Sulgen. Referent war der theologische Grundsatzreferent im Bischöflichen Hilfswerk Misereor und Professor für Angewandte Ethik an der Universität Kassel, Alexander Lohner. Mit dem Brecht-Zitat "Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich" aus dem Gedicht "Reicher Mann und armer Mann" wies der Vorsitzende des Leitungskreises von Marktplatz Kirche, Hans Jörg Fahrner, in seiner Begrüßung auf das Spannungsfeld hin, in dem dieser Abend stand.

Professor Lohner nannte auch gleich zu Beginn seines Vortrags die beiden gegensätzlichen Pole dieses Spannungsfelds: Misere und Misericordia. Das Hilfswerk Misereor stellte er vor als eine Organisation, die helfe, damit die Welt ein Stück gerechter werde. Hunger und Armut kennzeichnete der Referent auch als die Problemfelder, um die es in der zweiten Enzyklika von Papst Franziskus "Laudato si. Über die Sorge für das gemeinsame Haus" schwerpunktmäßig gehe. Würden alle Menschen so leben wie in Europa, so bräuchte es fast drei Planeten von der Qualität der Erde. Die Frage, was der Einzelne pro Kopf verbrauche, sei eine Frage des Lebensstils und der Gerechtigkeit. Als zweite Ursache des Welthungers nannte der Referent den Fleischkonsum, der ein Drittel der Weltgetreideernte koste, die zu Tierfutter verarbeitet werde. Für ein Kilogramm Fleisch würden 16 Kilogramm Getreide benötigt. Nur zehn Prozent des verfütterten Getreides werde in Fleischmasse verwandelt, 90 Prozent gingen als Nahrungskalorien verloren.

Besonders kritisch sah der Referent den Wasserverbrauch, der bei der Herstellung von Lebensmitteln anfalle. Diesem "Wahnsinn" in der Nahrungsmittelindustrie könne nur Einhalt geboten werden, wenn die importierten Güter wieder zu Luxusgütern würden. Nur durch den Kauf von Fair-Trade-Produkten könne vermieden werden, dass wir den Menschen im Süden Wasser und Getreide wegnähmen. Von den sechs Millionen Kindern, die im Alter von weniger als fünf Jahren weltweit sterben, könnten laut Aussage von Misereor zwei Drittel durch einfache Maßnahmen gerettet werden.

Als ökologische und soziale Katastrophe bezeichnete der Referent die Blumenindustrie in Ländern wie Uganda und Nigeria, wo Frauen für ein paar Cent Lohn giftigen Chemikalien ausgesetzt seien, die sie krank und unfruchtbar machten. Auch hier riet der Misereor-Referent zum Kauf von ausschließlich fair gehandelten Produkten wie Blumen, Teppichen und Grabsteinen, die nicht durch Kinderarbeit hergestellt würden.

Als Ursachen für den Welthunger nannte Lohner die Biotreibstoffe und den Landraub (Landgrabbing).

Das Recht auf Nahrung sei ein Menschenrecht und juristisch einklagbar. Überlegungen zur Änderung des Lebensstils in den Industriestaaten beträfen zuerst den Fleischkonsum als Ursache für den weltweiten Hunger. Durch Umstieg von tierischen auf pflanzliche Nahrungsmittel sei eine Verkürzung der Nahrungskette erreichbar.

Außerdem dürfe es keine Spekulationen auf Nahrungsmittel wie die sogenannten Indexfonds geben. Mit einer klimafreundlichen Technologie (erneuerbare Energien, effiziente Geräte) könne ein wichtiger Beitrag geleistet werden, so der Referent.

Als Verbraucher könne der verantwortungsbewusste Einzelne durchaus etwas verändern und Druck machen.

Mit einem Zitat aus dem Buch "Wir konsumieren uns zu Tode. Warum wir unseren Lebensstil verändern müssen, wenn wir überleben wollen" von Armin Reller und Heiko Holdinghausen beschloss Lohner seinen aufrüttelnden Vortrag, der, wie Hans Jörg Fahrner in seinem Dankwort meinte, manchem die Augen geöffnet habe. Im anschließenden Gespräch kamen Fragen zum Fleischkonsum, zum Kauf von Fair-Trade-Produkten und zum Hilfsprogramm von Kolping zur Sprache. Viele Besucher nutzten auch die Möglichkeit, auf dem Marktplatz bei Getränken und Gebäck in kleinen Gruppen weiterzudiskutieren.