Frank Wehinger, Leiter der Stabstelle Kommunikation und politik der AOK. Foto: Lipp

AOK reagiert auf die Vorwürfe aus der CDU-Fraktion und dem Stadtverband. Beruf des Hausarztes gestärkt.

Schramberg - Den Vorwurf, die AOK verwende von der Kassenärztlichen Vereinigung unseriös erhobene Zahlen, um die Gesundheitsversorgung in Schramberg schönzureden, will AOK-Sprecher Frank Wehinger nicht auf sich sitzen lassen.

Fraktion und Stadtverband der CDU hatten im Dezember in einem offenen Brief Oberbürgermeister Thomas Herzog aufgefordert, die in ihrem Brief formulierten Fragen an "die zuständigen Stellen der Kassenärztlichen Vereinigung und die Kassen (AOK, SbK) weiterzuleiten". Bis heute habe er von diesem weder Brief noch Fragen erhalten, sagt Frank Wehinger. Zu den von der CDU erhobenen und im Schwarzwälder Boten aufgegriffenen Vorwürfen der CDU will der Leiter der Stabstelle Kommunikation und Politik der AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg aber Stellung nehmen.

Die von den Christdemokraten formulierte Kritik lautet: Der von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) erhobene und im Oktober vergangenen Jahres veröffentlichte statistische Wert von 130 Prozent des Versorgungsgrades durch Hausärzte im Mittelbereich Schramberg sei geschönt. Die CDU vermutet, dass "bei der Erhebung der Arztzahlen auch solche Ärzte eingerechnet wurden, die möglicherweise noch einen Arztsitz inne haben, aber zur Versorgung nichts mehr beitragen, weil sie aus Altersgründen nicht mehr praktizieren".

Insofern wird auch der AOK unterstellt, falsche Zahlen zu verwenden, da diese keine eigenen Erhebungen anstellt, sondern die – im Übrigen öffentlich einsehbaren – Zahlen der KV verwendet.

Laut des im Oktober 2013 von der KV veröffentlichten Bedarfsplanungsdokuments gibt es in Schramberg 32 niedergelassene Ärzte, wobei der Versorgungsgrad von 130 Prozent zusätzlich drei angestellte Ärzte im Planungsbereich angibt.

Nur noch 31 Ärzte in Schramberg

Laut einer aktualisierten Liste der KV gibt es aktuell jedoch nur noch 31 niedergelassene Ärzte in Schramberg, was auf die Schließung einer Praxis in Schenkenzell zurückzuführen ist. Dieser Arztsitz ist laut KV jedoch ausgeschrieben. Zusammen mit den angestellten Ärzten kommt die KV so auf den statistischen Wert von 34 Hausärzten, wobei es sich um drei Vollzeitstellen angestellter Ärzte handelt, die von sechs in Teilzeit arbeitenden Ärzten abgedeckt werden, die als drei in Vollzeit arbeitenden, angestellte Ärzte auftauchen.

Der Anteil der niedergelassenen Ärzte im Mittelbereich Schramberg, die 60 Jahre und älter sind, beträgt laut Wehinger rund 35 Prozent. Wenn man die sechs angestellten Ärzte dazurechne, steige der Anteil auf rund 38 Prozent. Bei der Berechnung des Versorgungsgrades sei die Teilzeitbeschäftigung der angestellten Ärzte berücksichtigt worden, so Wehinger.

Zudem wollen die Verfasser des Briefes, Fraktionsvorsitzender Clemens Mauerer und Stadverbandsvorsitzenden Johannes Grimm, wissen, "welche Strategie die Krankenkasse und die kassenärztliche Vereinigung verfolgen, um eine drohende Unterversorgung abzuwenden". Die Forderung ist begründet: bundesweit bleibt der Hausarzt-Nachwuchs aus, gerade im ländlichen Raum. Auf der anderen Seite scheiden zahlreiche der in Schramberg niedergelassenen Ärzte in den nächsten Jahren altersbedingt aus. Was die Verantwortung der AOK als Krankenkasse betreffe, zur langfristigen Versorgung der Bevölkerung durch Hausärzte beizutragen, habe die AOK Baden-Württemberg mit der Einführung der sogenannten Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) bundesweit eine Vorreiterrolle inne, so Wehinger. Diese definiere die Rolle der Hausärzte neu, indem diese zu "Lotsen im Gesundheitssystem" aufgewertet würden – viele am Hausarztberuf abschreckende Nachteile würden dadurch abgemildert.

Das Modell in Kürze: Haben bis 2008 die Ärzte ausschließlich mit der KV abgerechnet, können sie seit Einführung der HZV-Verträge direkt mit den Krankenkassen eingehen. Mit dem Regelwerk soll "der Beruf des Hausarztes gestärkt" werden, insofern dieser qua Vertrag zur ersten Anlaufstelle für Patienten wird, auch, weil er sämtliche weitere Behandlungsschritte seiner Patienten koordiniert. So werde verhindert, dass Patienten auf eigene Faust im Gesundheitssystem umherirrten.

In diesem, von der AOK forcierten Modell steht der Hausarzt in der Pflicht, die Berichte von weiterbehandelten Fachärzten im Auge zu behalten – so werde verhindert, dass diese in der Schublade verschwänden. Der Vorstandsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg, Christopher Hermann, ging soweit, das Regelsystem als "organisierte Unverantwortlichkeit" zu bezeichnen.

Hausbesuche sind Alltag

Mit der HZV werde erreicht, dass Patienten besser versorgt werden, natürlich soll durch die Koordinierung auch Geld gespart werden. Denn durch die "Lotsenfunktion" sollen Mehrfachuntersuchungen, -behandlungen, vermeidbare Wechselwirkungen von Arzneimitteln sowie unnötige Besuche bei anderen Ärzten oder unnötige Krankenhauseinweisungen vermieden werden.

Zwar sind alle gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland verpflichtet, ihren Versicherten eine HZV anzubieten – keine habe dieses Modell jedoch so vorangetrieben wie die AOK, so Wehinger. Die Ärzteschaft entscheide selbst, ob sie mit der AOK als Vertragspartner kooperiert, wobei 24 von 31 niedergelassenen Schramberger Ärzten laut Wehinger den Vertrag mit der AOK unterschrieben haben.

Grundsätzlich habe die CDU mit ihrer Einschätzung, der Hausarztberuf werde immer unattraktiver, recht. Das liege auch an den zusätzlich zum Praxisalltag zu bewältigenden Hausbesuchen. Um die Hausärzte zu entlasten, sieht die HZV vor, dass die niedergelassenen Hausärzte einen ihrer medizinischen Fachangestellten zum Versorgungsassistenten ausbilden, um Hausbesuche qualifiziert zu erledigen.