Lehrer Felix Noack, der erst zur dritten Stunde Unterricht hatte, beruhigte Eltern und hielt Kontakt in die Schule hinein. Foto: Wegner

Polizeisprecher verteidigt Vorgehen. Aber: Kommunikation mit Eltern hätte besser laufen müssen. Ermittlungen laufen.

Schramberg - Eine erste Spur der Amok-Mail, die beim Gymnasium Schramberg am Dienstag gegen 7.30 Uhr im allgemeinen Postfach eingegangen war, führt möglicherweise zu einem Server in den USA.

Am Tag eins nach dem Amokalarm ging es bei den rund 700 Schülern und Lehrern des Gymnasiums im Unterricht natürlich um die Aufarbeitung dieses Themas. Bereits am Dienstag hatte die Schulleitung entschieden, alle Klausuren für den Mittwoch abzusagen, um Schülern und Lehrern Gelegenheit zu bieten, das Erlebte zu verarbeiten. Diese Zeit habe man sich in den einzelnen Klassen auch genommen, sagt Schulleiter Bernhard Dennig auf Anfrage. Zudem sei auch die Pause genutzt worden, um eine halbe Stunde mit allen Lehrern darüber zu sprechen. Darüber hinaus habe er auch eine längere Durchsage an alle Klassen gemacht. Dennig geht derzeit davon aus, "dass die Bedrohung nur relativ war". Dies sei den Schülern auch so vermittelt worden.

Alle Schüler hat das gestrige Gesprächsangebot allerdings nicht erreicht: Die Quote der Fehlenden lag am Mittwoch "etwas höher" als an sonstigen Tagen. Dies mag der Tatsache geschuldet sein, dass manche davon ausgegangen seien, der Unterricht falle aus, so Dennig. Zudem habe es auch Schüler gegeben, die in der Nacht nicht hätten schlafen können, so dass deren Eltern eine Unterrichtbefreiung beantragt hätten.

Schule nur Zufallsopfer?

Erleichtert habe der Schulleiter aufgenommen, dass die Ermittlungen ergeben hätten, dass die Mail, in der "eine Gewalttat angedroht wurde" und eine Person "ab 8 Uhr" an die Schule komme, unspezifisch sei. Darüber hinaus sei, wie die Polizei ihm gegenüber gesagt habe, die Schule in Schramberg wohl nur aus Zufall einer der Adressaten eines Absenders mit Serverstandort in den USA gewesen. Sprich, keine Person habe es direkt auf das Gymnasium Schramberg abgesehen. Diese Aussage wollte Dieter Popp, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Tuttlingen, gestern allerdings nicht bestätigen.

Zunächst, so der Schulleiter, habe er am Morgen von einer Bedrohungslage ausgehen müssen und deswegen umgehend das Schramberger Polizeirevier informiert. "In kürzester Zeit" seien auch sofort mehrere Streifenwagen vor Ort gewesen, lobt Dennig den Einsatz der Beamten vor Ort. Entsprechend des Amokplans seien dann alle Türen von innen verschlossen worden und die Einsatzkräfte hätten das Geschehen im Umfeld der Schule aufmerksam beobachtet. Die Türen zur Sporthalle seien zu diesem Zeitpunkt übrigens bereits verschlossen gewesen, dies sei grundsätzlich der Fall, schon allein um Diebstähle aus den Umkleiden zu verhindern, berichtet Dennig.

Die Entscheidung alle Schüler in den Klassenzimmern zu belassen, die Lichter auszuschalten und auch Vorhänge zuzuziehen, sieht Dennig als richtig an, man wisse ja nie, was ein möglicher Attentäter vorhabe. Im Freien seien die Schüler viel stärker gefährdet, da sie dort viel besser ein Ziel eines möglichen Attentäters sein könnten. Die Schüler und die Lehrer, so sein Eindruck, hätten sich während dieser Gefährdungssituation "sehr ruhig und besonnen verhalten", lobt der Schulleiter.

Kritik an Evakuierung

Kritik jedoch übt Dennig an der anschließend abgelaufenen Evakuierung der Schule. Diese war seiner Ansicht nach völlig unnötig: Zwei IT-Experten der Polizei hätten nach einer Überprüfung Entwarnung gegeben und "keine akute Gefahrenlage" mehr erkannt. Hier widerspricht Popp: "Polizeiliche IT-Experten nehmen keine Wertung von Inhalten vor." Eine solche Einschätzung könnten sie daher gar nicht treffen.

Und auch das Spezialeinsatzkommando sei nach einer Durchsuchung der Schule, bei der nichts gefunden wurde, wieder abgezogen. Wieso dann irgendjemand die Räumung der Schule angeordnet habe, ist für Dennig völlig unverständlich. "Die Evakuierung war in keiner Weise gerechtfertigt", sagt er. Aber, so bedauert der Dennig, "viel von dem, was passiert ist, ist mit der Schulleitung nicht abgesprochen worden – "und wir wurden auch nicht informiert". Nicht umsonst hatte sich so auch bei der Evakuierung einer der Einsatzkräfte darüber aufgeregt, "dass acht verschiedene Befehle" gegeben würden und man "nicht mehr weiß, was zu tun ist".

Die Einsatzleitung bei solchen Großlagen liege in der Regel beim Polizeiführer im zuständigen Präsidium, erklärte Dieter Popp. In diesem Fall also beim Präsidium in Tuttlingen. Er rechtfertige die Evakuierung: Eine solche Situation, bei der die Schüler im Klassenzimmer eingeschlossen sind und schwer bewaffnete Polizisten im Einsatz, könne traumatisch sein. "Da können wir die Schüler und Lehrer nicht einfach nach Hause schicken." Es sei wichtig gewesen, die Aktion "geordnet zu Ende zu führen" und die Betreuung der Kinder zu gewährleisten. Einen Auflauf der Eltern, die ihre Kinder direkt an der Schule abholen, wollte die Polizei vermeiden: "Wie soll das gehen bei 700 Schülern?"

Polizei zeigt sich selbstkritisch

Da vor Ort keine akute Gefahrenlage geherrscht habe, habe sich die Einsatzleitung entschieden, mit der Durchsuchung des Gebäudes auf das Eintreffen des Sondereinsatzkommandos zu warten.

Dennoch zeigte sich die Behörde auch selbstkritisch. So hätte die Kommunikation mit und die Information der Eltern besser sein können. "Das lief nicht so, wie wir es gerne hätten", sagte Popp. Man wolle künftig schneller eine Hotline einrichten, an die sich besorgte Eltern wenden könnten, um dort informiert zu werden.Und warum ist es in Schramberg zu einem Großeinsatz gekommen, während in Offenburg nach zweieinhalb Stunden alles vorbei war? "Jeder Einsatz wird vom jeweiligen Polizeiführer individuell bewertet", erklärte Popp. Dabei spielten beispielsweise die Anzahl der Schüler eine Rolle, die Lage der Schule und das Gebäude an sich – also Dinge wie Treppen und Raumaufteilung. "Durch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen sind die Kollegen in Offenburg zu einer anderen Einschätzung gekommen", so Popp.

"Wir haben noch keine konkrete Spur", sagte Popp zu den Ermittlungen bezüglich des Absenders. Mit den Behörden in Offenburg, Winnenden und im hessischen Bad Nauheim, wo ebenfalls Droh-Mails eingegangen sind, befinde man sich im Austausch. Zunächst versuchten die Behörden herauszufinden, von wo die E-Mails abgeschickt wurden. Dann werde auch klar, ob es sich um einen oder mehrere Absender handle.