Kommunikation: Kritik an "Digital first"
Der Vortrag von Peter Hensinger zum "Risiko Mobilfunk 5G: Gesundheitliche Gefahren und zunehmende Überwachung von Lebensbereichen" stieß auf sehr großes Interesse: Die Aula des Gymnasiums konnte die vielen Zuhörer kaum fassen.
Schramberg. Initiatoren der Veranstaltung waren die BUND-Ortsgruppe Schiltach/Schenkenzell, weitere regionale BUND-Ortsgruppen, das Eine-Welt-Forum, Marktplatz Kirche, die Umwelt und Verbraucherschutzorganisation Diagnose Funk sowie als einzige Partei die ÖDP. ÖDP-Stadt- und -Kreisrat Bernd Richter zeigte denn auch Flagge in der Aula. Hans Kurt Rennig von der BUND-Ortsgruppe Schiltach/Schenkenzell eröffnete: "Wünschenswert ist, dass dieses komplexe Thema nicht nur von wirtschaftlicher Seite betrachtet wird, sondern auch Fachleute aus Medizin, Biologie, Theologie und Ethik zu Wort kommen." Parteien und Kommunen sollten sich diesem Themenkomplex stellen.
Referent Peter Hensinger ist Mitglied im BUND-Vorstand Stuttgart und im Vorstand der Diagnose Funk. "Smart City" und 5G kündigte er als die beiden Hauptthemen seines Vortrags an. Beides hänge zusammen: "Es geht nicht nur um die Übertragung von Sprache und Daten, sondern was man damit macht." Dann folgten Schlag auf Schlag in schneller Folge Folien, Erklärungen, Folgerungen, politische Empfehlungen und Forderungen sowie Warnungen. Das Publikum hörte gespannt zu, während Helfer die letzten noch verfügbaren Stühle für Nachzügler heranschleppten.
Digitaler Zwilling
"Digital first, Bedenken second", überschrieb Hensinger die laufende technische Revolution. "Die Regulierung läuft hinterher." Dabei gehe es nicht nur um ausufernde Überwachung und mögliche gesundheitliche Risiken, sondern auch um einen beschleunigten Ressourcenverbrauch durch den digitalen Wandel, der so zum "Brandbeschleuniger der Klimakatastrophe" werde".
Dann ließ sich Hensinger ausführlich über Smart Citys und Smart Countrys aus, vernetzte Städte und Landkreise. Die Daten für dieses Bigdata-System lieferten die Einwohner über die vernetzten Geräte im "Smart Home": Smart Meter, Smart Grid, Alexa, den intelligenten Kühlschrank, den vernetzten Fernseher und Saugroboter, ihre "Mobilitätspässe", mobile Fahrzeugdaten, Smartphones, Tablets, smarte Armbanduhren, Google, Facebook, Twitter, Instagram oder Whatsapp zählte Hensinger auf. Zusammen mit den Daten der Smartphones werde in der "Smart City Cloud" von jedem Bürger ein digitaler Zwilling erzeugt. "Das bedeutet: Alle Handlungen der Bürger werden in Echtzeit lückenlos erfasst." Die Erfassung erfolge auch über Überwachungskameras mit Gesichtserkennung, WLAN und zukünftig über Hunderte Kleinzellen für den 5G-Moblilfunk.
Folgen
Hensinger befürchtete vier Folgen dieser digitalen Transformation: "Folge 1: Die Demokratie wird abgebaut, Folge 2: Mehr Wachstum und Umweltzerstörung, Folge 3: Der Energieverbrauch der geplanten Smart City wird explodieren, Folge 4: Verseuchung mit Elektrosmog". Seine Thesen untermauerte Hensinger, indem er zahllose Studien, Forschungsergebnisse und Fachleute anführte.
Mit einem Messgerät demonstrierte er an einem Besucher sogar, wie sehr der menschliche Körper Mobilfunkstrahlung absorbiere. "Was macht die mit den Zellen im Körper?", fragte er. Hensinger zitierte Studien zur tumorfördernden Wirkung von Mobilfunkstrahlen, er forderte eine Technologiefolgeabschätzung zu den 5G-Funkmästen und die öffentliche Diskussion der Ergebnisse. 5G sei ein soziotechnisches System für Überwachung und mehr Konsum. "Das muss in den Gemeinderäten der Kommunen diskutiert werden."
Fragerunde
Viele Fragen wurden nach Hensingers Vortrag gestellt. Von der Tendenz her allesamt von 5G-Gegnern oder -Kritikern. Anwesende, die 5G neutral oder positiv und den Äußerungen von Hensinger kritisch gegenüberstanden, äußerten sich nicht laut. Die Stimmung in der Aula war nicht danach und die Zeit war fortgeschritten, ein kontroverse Diskussion hätte den Rahmen der Veranstaltung gesprengt. Ob man nicht das Smartphone wegwerfen und zurück zum Festnetz soll, fragte zum Beispiel ein Mann aus Waldmössingen. Da man sich nicht mehr so einfach ausklinken können, plädierte Hensinger für ein "Strahlenminimierungskonzept".
Außer wie man sich vor Mobilfunk und Wlan schützen könne, wurde gefragt, was man den jetzt noch gegen 5G machen könne. "Bürgerinitiativen müssen sich formieren und auf Gemeinderäte wie Bürger zugehen und diese informieren", antwortete Hensinger. Die 5G-Kritiker fordern einen Ausbaustopp, bis die Unbedenklichkeit von 5G eindeutig nachgewiesen sei.
Wie sehr das Thema die Menschen umtreibt, zeigte sich schon im Vorfeld der Veranstaltung: Ein Freiburger hatte Hensingers Vortrag schon dort gehört und schickte unserer Zeitung eine kritische siebenseitige Stellungnahmen zu Hensingers Argumenten. Und schon am Ende des Vortrags in der Aula kündigte ein Arzt unter den Zuhörern einen Leserbrief zu Hensingers Vortrag an.
Zu einem Gesprächsaustausch über 5G können sich Interessierte unter der BUND-Ortsgruppe Schiltach/Schenkenzell (Ansprechpartner Hans Kurt Rennig, Telefon 07836/73 90) zusammenfinden, um auszuloten, wie einem weiteren Informationsbedürfnis Rechnung getragen werden kann.