Johanna Ellsworth stellt ihr Buch vor. Foto: Ciubotaru Foto: Schwarzwälder Bote

Literatur: Lesung der Autorin Johanna Ellsworth im Eschle / "Mahnmal" gegen Krieg

Schönwald. Der poetische Titel des von Johanna Ellsworth geschriebenen Buches "Das Wiegenlied der Wolfskinder" ruft Bilder beim Leser hervor – oder beim Zuhörer, wie bei der jüngsten Lesung der Autorin im Eschle in Schönwald.

"Ich wusste auch nicht, was Wolfskinder sein sollten, ahnte gar nicht, was sich unter diesem Namen in Wirklichkeit verbirgt", gestand die Vorsitzende des Vereins Sozialer und Kultureller Treffpunkt Schönwald, Monika Maas. Sie konnte zur Lesung mit Johanna Ellsworth ein zahlreiches Publikum begrüßen.

Wer und was die "Wolfskinder" sind, erklärte die Schriftstellerin und Übersetzerin Johanna Ellsworth. Sie offenbarte den Zuhörern die erschütternde Geschichte von deutschen Flüchtlingskindern, welche am Ende des Zweiten Weltkrieges elternlos blieben und auf sich allein gestellt um ihr Überleben in den Wirren der 1944/45er-Jahre und in der frühen Nachkriegszeit kämpften.

Die Autorin hat ein "Wolfskind" sogar persönlich kennengelernt, Brigitte Trennepohl, die sie beim Schreiben dieses Romans mit ihren Erinnerungen und mit präzisen, historischen Details unterstützte.

Brigitte Trennepohl musste im Januar 1945 mit Mutter und Oma aus ihrer Heimatstadt vor der einrückenden russischen Armee flüchten. Ihr Ziel, Berlin, erreichten sie nicht, und es folgten für sie qualvolle Jahre. Hungersnot, permanente Lebensgefahr, das Erleben von Gräueltaten, Tod und Trennung von geliebten Menschen prägten ihre Kindheit. Sie hatte es jedoch irgendwann geschafft, zurück nach Hause zu kommen. Andere tausende Kinder hatten weniger Glück. Sie gingen unter dem Namen "Wolfskinder" in die Geschichte ein.

Heute ist Brigitte Trennepohl aus Gerdauen (Ostpreußen) 81 Jahre alt. Sie hat zusammen mit einer Leidensgenossin, Annemarie Kiuzauskas, selbst ein Büchlein über ihr Schicksal verfasst mit dem Titel "Was ein Kinderherz ertragen kann". Dieses Büchlein war für Johanna Ellsworth eine wertvolle Grundlage. 2016 lebten noch neun "Wolfskinder" aus dem Kreis und der Stadt Gerdauen.

Das "Wiegenlied der Wolfskinder" ist ein kleines Meisterwerk, aus historischen, auf Erinnerungen von Zeitzeugen basierenden Fakten und aus Fiktivem sehr gekonnt gesponnen. Die Autorin selbst versteht es als "Mahnmal" gegen den Krieg und seine Grausamkeiten.

Den Zuhörer berührt

Johanna Ellsworth gelingt es, mit sparsamen stilistischen Mitteln ein beeindruckendes, unter die Haut gehendes Bild der damaligen Epoche zu zeichnen. Die früheren Erlebnisse tauchen so auch wieder vor dem inneren Auge der Zuhörer und der Leser und erschütterte sie.

Einige alte Damen öffneten ihr Herz am Ende der Veranstaltung und erzählten von ihren eigenen Erinnerungen aus der Nachkriegszeit. Die Menschen blieben zusammen, rückten näher, stellten Fragen und kauften das Buch, das man nicht mehr so leicht aus der Hand lässt, obwohl das Lesen manchmal auch wehtun kann.

In "Das Wiegenlied der Wolfskinder" erfährt man auch von der Güte und dem Mut Bauern in Litauen, wohin es diese verwahrlosten, deutschen Kinder verschlagen hatte. Die Leute aus dem Nachbarland versteckten sie vor den feindlich gesinnten Russen, sie gaben ihnen Unterkunft, Schutz und Nahrung.

Die Geschichte wiederholt sich mit all ihren Grausamkeiten. Traumatisierte Flüchtlingskinder strömen nach Europa, nach Deutschland. Johanna Ellsworth sensibilisiert mit ihrem Roman das Publikum auch für dieses Thema.