Das Langenbrander Windrad könnte bald Gesellschaft bekommen. Foto: Biermayer Foto: Schwarzwälder Bote

Windkraft: Gemeinderat beschäftigt sich mit potenziellen Standorten

Am Thema Windenergie scheiden sich in Schömberg die Geister. Der Gemeinderat fasste diesbezüglich in seiner jüngsten Sitzung mehrere Beschlüsse. Man einigte sich unter anderem auf potenzielle Flächen für Windräder.

Schömberg. Der Einfluss und die Sichtbarkeit von Windrädern endet nicht an der eigenen Gemarkungsgrenze, soviel wurde in der Gemeinderatssitzung am Dienstagabend deutlich. Das Gremium beschäftigte sich mit den Plänen der Vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft (VVG) Neuenbürg-Engelsbrand und stellte zudem eigene Kriterien für die Ausweisung von Potenzialflächen für die Windenergie auf.

Die VVG hat wegen des aktualisierten Windatlasses des Landes einen neuen Teilflächennutzungsplan "Windenergie" verfasst und es lag nun an den Gemeinderäten, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Dieser Plan weist Flächen in beiden Kommunen aus, auf welchen Windräder aufgestellt werde dürfen. Dazu zählen die Areale Heuberg und Horntann westlich der Enz und südlich von Dennach. Auch das Gebiet Hirschgarten nordwestlich von Langenbrand ist eine solche Fläche.

Erneute Offenlegung

Im Hirschgarten will die Firma BayWa r.e. insgesamt fünf Windenergieanlagen bauen. Zwei davon sollen auf Schömberger Gemarkung entstehen, ganz in der Nähe des bereits bestehenden Langenbrander Windrads. Zu dessen Zukunft gab es in der Sitzung übrigens keine neuen Verlautbarungen.

Andreas Ehnis (CDU) wunderte sich über die Kriterien des Plans der VVG. Er erinnere sich an ein Schreiben aus Neuenbürg aus dem Jahr 2015, in dem diese Kommune Schömberg auf die 2000 Meter Abstand zu Wohngebieten hingewiesen habe. Im aktuellen Plan sei nurmehr von 1000 Metern die Rede. Er frage sich, wie aktuell die Forderung aus Neuenbürg sei. Bürgermeister Matthias Leyn meinte, man werde bei einer erneuten Offenlegung des Plans sehen, welche Kriterien letztendlich angewandt würden.

Der Gemeinderat einigte sich bezüglich des Plans der VVG auf eine Stellungnahme, die betont, dass die Anlagen im Hirschgarten eine geringe Sichtbarkeit haben sollen, weil in der Nähe perspektivisch die Errichtung eines "Sky Walks" geplant sei. Bei den Flächen Heuberg und Horntann stellte man keine direkte Betroffenheit fest. Des Weiteren ist in Engelsbrand am Sauberg die Errichtung von zwei Windenergieanlagen geplant. Diese kommen mit einer Nabenhöhe von 161 Metern und einem Rotordurchmesser von 158 Metern auf eine Gesamthöhe von 210 Metern. Der Gemeinderat sieht in seiner einstimmig beschlossenen Stellungnahme keine direkten Auswirkungen für Schömberg. Die Anlagen seien weit von der Gemeinde entfernt und zudem nach Pforzheim ausgerichtet. Das Gremium warnt jedoch vor einer dem Tourismus abträglichen Zerstückelung durch zu viele Windräder im Nordschwarzwald.

Die Gemeinde Schömberg ist aber auch rechtlich verpflichtet, selbst Potenzialflächen für die Windenergie auszuweisen. "Substanziell Raum geben", heißt das im Gesetz, wie der Rechtsanwalt Michael Rohlfing erklärt. Er berät die Gemeinde in den rechtlichen Fragen zur Windenergie. "Das heißt, dass etwa zehn Prozent der Gemeindefläche für Windenergie zu Verfügung stehen müssen", führte er weiter aus. In Schömberg entspreche dies einer Fläche von 328 Hektar. Im Klagefall gebe es jedoch eine Einzelfallprüfung.

Einstimmig geeinigt

Um Flächen auszuschließen gibt es für die Gemeinde die Möglichkeit sogenannte harte und weiche Tabukriterien anzulegen. Rohlfing hatte dazu ein Kartenprogramm mitgebracht. Damit konnten die einzelnen Kriterien auf einer Karte eingeblendet und mit unterschiedlichen Ausprägungen versehen werden.

Die harten Tabukriterien seien tatsächlich unüberwindbare Hindernisse, erklärte Rohlfing. Dazu zählten Gebiete mit einer geringeren Anlaufgeschwindigkeit für Windenergieanlagen als zweieinhalb Meter pro Sekunde, bestehende Siedlungsgebiete, Infrastrukturflächen, Wasserschutzgebiet der Zone I, Naturschutzgebiete, und Puffergebiete aus Schallschutzgründen. Der Gemeinderat einigte sich einstimmig auf diese Kriterien.

Bei den weichen Tabukriterien gebe es mehr Spielraum, so Rohlfing. Denn hier gehe es nicht um tatsächliche Hindernisse. Die Gemeinde könne hier städtebauliche Akzente setzten und so entscheiden, was ihr wichtig sei. Hier hatte die Verwaltung mehrere Varianten vorbereitet, welche sich hauptsächlich in der Größe des Abstandes zu bestimmten Gebieten unterschieden. Solche Gebiete sind beispielsweise Wohngebiete, Krankenhäuser, Friedhöfe oder Aussichtstürme. Auch Flächen ab einer bestimmten Höhe über N.N. können so ausgeschlossen werden.

Die Fraktion Mensch Umwelt Zukunft (MUZ) hatte zu diesem Sachverhalt eine Stellungnahme vorbereitet. Den MUZ-Räten ginge es um eine sachliche Debatte. Man wolle keine Verhinderungsplanung, wie die Fraktion sie durch die weichen Tabukriterien vermute. Man sehe bei einem solchen Vorgehen eine hohe Wahrscheinlichkeit für gerichtliche Auseinandersetzungen mit potenziellen Betreibern. Schömberg müsse seinen Beitrag zur Energiewende leisten und zwar da, wo es sozial und umweltverträglich möglich sei. Es solle eine Lösung für die nächsten Jahre gefunden werden.

Andreas Ehnis (CDU) sah dies etwas anders. Er verwies auf Bad Wildbad. Diese Kommune sei dreieinhalb mal so groß wie Schömberg und habe ihre Windräder wie auf dem Kälbling, an die Gemarkungsgrenzen gesetzt. Auch von der Schwanner Warte in Straubenhardt seien keine Windräder zu sehen. Ihn störe es, dass die ganze Angelegenheit jetzt auf Schömberg abgewälzt werde. Solidarität sehe für ihn anders aus. Er gab zudem zu bedenken, wie hoch die Anlagen seien. Der Sendeturm in Langenbrandt stehe auf 707 Metern und sei 143 Meter hoch. Die geplanten Windräder (Gesamthöhe 238,5 Meter; Anmerkung der Redaktion) in der Nähe seien nochmal knapp 100 Meter höher.

Tino Bayer (UWV) warf ein, dass durch Windräder die Immobilienpreise sänken. Dies sei bei einem etwaigen Wiederverkauf ein großes Problem. Udo Bertsch (CDU) verwies auf Bayern, wo ganz andere Anstandsregeln möglich seien.

Jörg Krax (MUZ) wollte wissen, ob eine Abstandsregel auch in Relation zur Höhe der Anlagen möglich sei. Rohlfing meinte, es sei eine Höhenbegrenzung oder ein einheitliches Höhenniveau der Anlagen möglich, aber nicht in Relation zum Abstand. Jan Neuweiler (MUZ) entgegnete, dass die höchsten Flächen wohl auch die wirtschaftlichsten für die Windenergie seien. Ehnis warnte davor, dass deshalb die Anlagen immer höher würden. Er stellte die Zahl von 300 Metern Anlagenhöhe in den Raum.

Mithilfe des Kartenprogramms wurden unterschiedliche Varianten der weichen Tabukriterien durchgespielt. Ehnis war für den maximalen Abstand von 1200 Metern zu Wohngebieten, ebenso wie Bayer und Helmut Schray (UWV). Auf der Karte war jedoch ersichtlich, dass so nicht die geforderten zehn Prozent der Gemeindefläche übrig blieben.

Nach einigem hin und her stand eine vorläufige Lösung im Raum. Diese enthielt 1000 Meter Abstand zu Wohngebieten sowie Krankenhäusern, Pflegeanstalten und Kurgebieten (jeweils geplant oder schon vorhanden). Dazu kamen 500 Meter Abstand zu Außenbereichsvorhaben, Kleingärten, Friedhöfen und Parkanlagen sowie Sportleistungszentren. Mit dabei waren auch 300 Meter Abstand zu Sportflächen und 2000 Meter zum Aussichtsturm und dem Zollernblick als auch zu Sendemasten. Zusätzlich wurden überbleibende Flächen, die kleiner als 50 Hektar sind, ausgeschlossen und ebenfalls Flächen, auf welchen die mittlere gekappte Windleistungsdichte kleiner als 190 Watt pro Quadratmeter ist. Zudem sollten Areale über 700 Metern ausgenommen werden. Die Wasserschutzgebietszone II wurde zusätzlich mit aufgenommen.

Nach diesen Kriterien blieben noch 419 Hektar Fläche übrig. Da dies über dem Grenzwert liegt, justierten die Gemeinderäte nochmals nach. So wurde der Abstand zu Siedlungsflächen auf 1100 Meter erhöht. Die zehn-Prozentegel wurde so gerade eingehalten. Als Flächen für Windenergie blieben Bereiche westlich von Schömberg und nördlich von Langenbrand übrig.

Zeit gewinnen

Anschließend gab es eine kurze Beratungspause für die einzelnen Fraktionen. Jörg Krax (MUZ) meinte danach, die weichen Kriterien werden so gedreht, dass ein geplantes Windrad auf der Langenbrander Höhe nicht gebaut werden könne. Die Betreiber könnten dort zurecht eine Behinderung sehen. In der folgenden Abstimmung stimmten die fünf MUZ-Gemeinderäte geschlossen gegen den Katalog an weichen Tabukriterien. Alle anderen Gemeinderäte stimmten dafür. Diese Beschlüsse sollen nun als Grundlage eines Teilflächennutzungsplanes für die Windenergie in Schömberg dienen. Nach diesen Kriterien ist eine Umsetzung des Projekts der BayWa r.e. auf Schömberger Gemarkung zumindest teilweise nicht möglich. Auch das bestehende Windrad befände sich außerhalb der für die Windenergie bestimmten Zone.

Der Gemeinderat beschloss deshalb eine Zurückstellung der Entscheidung des Landratsamts Enzkreis bezüglich des BayWa-Vorhabens um ein Jahr mit vier Gegenstimmen und einer Enthaltung der MUZ-Fraktion. So will die Gemeinde Zeit für die Aufstellung ihres Planes gewinnen. Zudem ermächtigte das Gremium den Bürgermeister, bei drei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen der MUZ-Fraktion, bei Ablehnung der Zurückstellung weitere Schritte einzuleiten. Diese können sowohl ein Widerspruch als auch ein Eilantrag in erster und zweiter Instanz sein.

Ob und wann in Schömberg Windräder gebaut werden hängt nun auch davon ab, wann immissionsschutzrechtliche Genehmigungen erteilt und Umweltberichte angefertigt werden. Der anvisierte Teilflächenutzungsplan kann auch noch an einem Normenkontrollverfahren scheitern. Zudem erwartet die Verwaltung, dass es aufgrund der Kontroversen Stimmung in der Gemeinde, zu Klagen gegen den Plan kommen könne - sowohl von Befürwortern als auch Gegnern der Windenergie.

Das Thema Windenergie wird Schömberg also noch eine Weile beschäftigen. Die Stimmung in der Gemeinde scheint diesbezüglich unversöhnlich. Und das obwohl sich eine Mehrheit 2015 in einem Bürgerentscheid gegen die Ablehnung der Nutzung von gemeindeeigenen Flächen für die Windenergie entschieden hat.