Matthias Franz, Professor für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, leitete das "wir2"-Symposium für Ärzte und Psychologen in der Schömberger Celenus-Klinik. "wir2" ist ein Bindungstraining für Alleinerziehende mit Kindern im Grundschulalter, die durch Überlastungszustände von Depression oder Burnout betroffen sind. Fotos: Kunert Foto: Schwarzwälder Bote

Gesundheit: Symposium der Celenus-Klinik in Schömberg / Werte bei Depressionen nahezu halbiert

Die Eröffnung des neuen Therapie-Hauses "Rickmann" nutzte die Celenus-Klinik Schömberg auch für ein "wir2"-Symposium für Ärzte und Psychotherapeuten. Dabei wurden spektakuläre Zahlen zum Behandlungserfolg in Schömberg veröffentlicht.

Schömberg. Dafür war eigens Matthias Franz, Professor für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, nach Schömberg angereist. Franz gilt als "Vater" des sogenannten "wir2"-Bindungstrainings für alleinerziehende Elternteile, das er gemeinsam mit seinem Forscher-Team aus seiner praktischen Arbeit heraus entwickelt hat.

Das besondere in Schömberg: Hier wurde seit 2016 das "wir2"-Konzept erstmals unter "idealen Bedingungen" als stationäres Reha-Angebot umgesetzt. Zuvor wurde es bundesweit in mittlerweile rund 400 ambulanten Gruppen eingesetzt. Seit 2011 gab es auch eine Testphase für ein sogenanntes "stationäres Setting" von "wir2" an der Celenus-Klinik Kinzigtal (Gengenbach/Ortenaukreis), dort allerdings räumlich integriert ins vorhandene Klinikgebäude, was keine optimalen Behandlungsbedingungen bedeutete.

Weshalb die Celenus-Gruppe 2016 das "wir2"-Angebot nach Schömberg gab – wo es seitdem für echte Furore im Haus, aber auch in der Fachwelt sorgt. Ein Schlagwort von Franz dazu im Symposium: "Der Behandlungserfolg von ›wir2‹ bei Depressionen ist um den Faktor dreimal besser als beim Einsatz von Antidepressiva", also antidepressiven Medikamenten, wie sie bei Diagnosen von Depression oder Burnout heute üblicherweise zum Einsatz kommen. "Und das bei ›wir2‹ ganz ohne Nebenwirkungen."

Diese durchschlagende Wirkungsweise von "wir2" konnte in den vergangenen Jahren immer wieder durch fachlich anerkannte, unabhängige Studien bestätigt werden – allerdings bisher nur für die "wir2"-Patienten aus der ambulanten Betreuung; naturgemäß weniger "schwere" Fälle, als sie in Schömberg, dem bis dahin einzigen stationären Angebot in diesem Bereich bundes- und weltweit, zum "wir2"-Reha-Aufenthalt antreten. "Wir haben hier schon die wirklich ersten Fälle mit massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen", erläutert Franz. Das Überraschende, das die zum "wir2"-Symposium frisch veröffentlichten Zahlen einer ersten Studie zum Behandlungserfolg in Schömberg offenbarten: "Die Ergebnisse sind hier noch besser, als wir sie im ambulanten Setting nachweisen konnten."

Üblicherweise wird der Erfolg von psychosomatischen Rehabilitationen – wie sie "wir2" darstellt – im wissenschaftlichen Kontext durch standardisierte Checklisten und Patientenfragebögen ermittelt, durch die man zu fachlich-objektiven Parametern kommt: den "PHQ-9" Wert etwa ("Patient Health Questionnaire-9"). Der liegt bei den bisherigen Schömberger "wir2"-Patienten in Bezug auf deren Depressionen zu Beginn der Behandlung im Durchschnitt bei 14,64 – was knapp einer "schweren Depression" (PHQ-9 = 15) entspricht. Nach Ende der sechswöchigen Reha sinkt der Wert auf 9,58, was weniger als einer "mittelgradigen Depression" entspricht. Nach dem standarisierten "SCL-90-R"-Wert ("Symptom-Checkliste") konnte sogar fast eine Halbierung der Werte für Depression erreicht werden. "Das sind wirklich sensationelle Zahlen", so Franz.

Konzept beruht auf Hilfe zur Selbsthilfe

Wobei aus Langzeitbeobachtungen der ambulanten "wir2"-Patienten bekannt ist, dass diese Krankheits-Werte (die die schwere der Symptome beschreiben) auch nach Ende der Behandlung – nicht mehr so stark, aber – kontinuierlich weiter abnehmen. Hintergrund dazu ist, dass das "wir2"-Bindungstraining als "Emotions-Schule" auf Hilfe zur Selbsthilfe der Patienten abzielt. Alleinerziehende, an die sich "wir2" ausschließlich richtet, können nach Erlernen von Emotionsverarbeitungstechniken im "wir2"-Training ihre eigene, meist massiv belastende Lebenssituation gerade im Umgang mit ihren Kindern selbst besser managen, wodurch die Ursachen für eine Depression oder einen Burnout aktiv minimiert werden.

Insgesamt weist die aktuelle Studie über den Behandlungserfolg des Schömberger "wir2"-Angebots über ein Dutzend solcher positiver Parameter nach – etwas zum psychischen Wohlbefinden, Ängstlichkeit, der Verarbeitung emotionaler Probleme oder zu Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsproblemen. Überall kann das "wir2"-Bindungstraining als stationäres Angebot die Ergebnisse aus den ambulanten "wir2"-Gruppen noch übertreffen. "Das hat uns in dieser Deutlichkeit doch auch überrascht", so Franz.

Die Schömberger Ergebnisse wiegen dabei umso schwerer, als sie eigentlich ein Experiment darstellten, das ursprünglich für die ambulanten Angebote entwickelte "wir2"-Bindungstraining auf ein (neues) stationäres Konzept zu übertragen. Das sei damit sogar besser gelungen als erwartet. Weshalb jetzt daran gegangen wird, das "wir2"-Angebot als extrem wirksame stationäre Reha-Maßnahme für von Depression und Burnout betroffene Alleinerziehende möglichst flächendeckend "auszurollen". Ein weiteres stationäres Angebot innerhalb der Celenus-Gruppe wurde beispielsweise mittlerweile in den neuen Bundesländern geschaffen.

Und auch in Schömberg dürfte die mittlerweile auf knapp 30 gestiegene Zahl an "wir2"-Therapieplätzen die kommenden Jahre weiter kontinuierlich steigen. Jährlich sind rund 160 000 Kinder in Deutschland von einer Trennung ihrer Eltern betroffen. Jedes fünfte Kind wächst heute bei nur einem Elternteil auf – zu 90 Prozent bei der Mutter. Macht rund 1,6 Millionen Alleinerziehende in Deutschland; Tendenz steigend. "Ein gravierendes gesellschaftliches Gesamtproblem", so Franz. Zumal aufgrund fehlender (staatlicher; gesellschaftlicher) Unterstützung der Alleinerziehenden hier die Gesundheitsrisiken durch Überlastungszustände "enorm" seien.