Bundestagswahl: Bundesgesundheitsminister stellt sich in Schömberg den Problemen der medizinischen Versorgung auf dem Land
Wenn sich ein Bundesgesundheitsminister in die Höhle des Löwens - sprich: in die Provinz – traut, herrscht Wahlkampf. Oder er hat richtig gute Argumente im Gepäck, mit denen er "den erwarteten harten Wind" von der Basis aushalten könnte.
Schömberg. Für den Besuch von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe in Schömberg galt beides: Einerseits wollte Gröhe hier seinen Parteikollegen Hans-Joachim Fuchtel bei dessen Wahlkampf unterstützen; andererseits wusste Gröhe natürlich, welche Themen ihn hier erwarteten – und hatte sich wirklich solide darauf vorbereitet.
Zur Vorgeschichte: Schömbergs CDU-Gemeinderat und stellvertretender Bürgermeister Joachim Zillinger wollte eigentlich gemeinsam mit dem medizinischen Leiter der Klinik Schwarzwald, Johannes Eckard Sträßner, "nur" eine hiesige Expertenrunde zum Thema "medizinische Versorgung im ländlichen Raum" zusammenbringen, um Lösungsansätze für eine Verbesserung der aktuellen Situation zu entwickleln. Einmal als Idee im Raum, "eskalierten" die Möglichkeiten dieses Forums dank des Bundestagswahlkampfs bis hinauf nach Berlin – und der oberste Gesundheitswächter der Republik, eben Minister Gröhe, sagte sein Kommen, einen Fachvortrag zum gewünschten Thema und die Teilnahme an der eigentlich geplanten Expertenrunde zu – wobei sich letztere auch den Fragen des Publikums stellen wollte. Mancher im Saal war geneigt, das alles gar ein "Jahrhundert-Ereignis" für Schömberg zu nennen.
Denn der Luftkurort im Nordschwarzwald "lebt" von seinen verschiedenen Kliniken in den Gemeindegrenzen. Gleichzeitig ist die geografische Lage mitten auf der Enz-Nagold-Platte "soweit ab vom Schuss", dass gerade ganz aktuell die hausärztliche Versorgung und vor allem die Notarzt-Anbindung "berechtigten Grund zur Sorge geben" und "nicht optimal" seien, wie es Schömbergs Bürgermeister Matthias Leym als weiterer Teilnehmer eben jener Experten-Runde auffällig vorsichtig formulierte.
Worauf der Minister quasi schon in Erwartung dieses Themas in seinem temporeichen Fachvortrag geantwortet hatte: Ja, es gebe (noch) Defizite in der Nachwuchswerbung der medizinischen Berufe. Weshalb man seitens der Bundesregierung an die Ausbildungsregeln ran wolle; und auch die bisherige Begrenzung der Studienplätze im Bereich der Medizin wolle man aufheben.
Generationswechsel bei den Ärzten: Droht die Unterversorgung?
Doch neue und mehr Ärzte, die gibt es so sicher erst in einigen Jahren. Aber der Generationswechsel bei den niedergelassenen Ärzten ist jetzt da, jetzt droht die Unterversorgung – wie auch ein nach eigener Aussage "Dorfarzt" aus dem Publikum sich in der Fragerunde zu Wort meldete. Er kritisierte auch "das Ausbeinen", sprich: die Schließung immer mehr regionaler Krankenhäuser oder auch nur Abteilungen zugunsten einzelner "Mega-Kliniken", wodurch trotz vollmundiger gegenteiliger Beteuerungen der Politik die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum weiter ausblute.
Aber auch hier hatte der Minister seine Lektion vorab gelernt: Es fehlten nun mal die Ärzte – das sei die Situation. Außerdem gehe es um die Anbindung des ländlichen Raums an den medizinischen Fortschritt, wie er vor allem eben an den Universitäts-Kliniken (Gröhe: "Ich mag den Begriff Mega-Kliniken nicht.") stattfinde. Das könne nur durch eine intelligente Vernetzung der in der Fläche aktiven Mediziner eben mit diesen Fachzentren stattfinden, was zum Beispiel mittels Telemedizin funktioniere.
Und unter erneutem Applaus der Zuhörer kündigte der Minister zudem an, einen Etat für "Sonderbedarfe" geschaffen zu haben, mit dem man punktuell – wie zum Beispiel in Schömberg – den ÖPNV zielgerichtet stärken könnte, wenn ein Haus- oder Facharzt im Nahbereich nicht verfügbar sei, damit Patienten künftig leichter, sicherer und schneller zum fernen Facharzt kämen.
Außerdem sollten auch solche Modelle künftig möglich sein, dass ein Hausarzt – dafür eigentlich nicht zuständig – Ersatzrezepte in Vertretung fachärztlicher Kollegen ausstellen dürfte, um so den Patienten "unnötige Wege in die Mittelzentren" von vornherein zu ersparen.
Allerdings kassierte der hohe Gast beim Thema "Telemedizin" doch noch auch einen Seitenhieb vom Mit-Gastgeber Johannes Eckard Sträßner, der darauf hinwies, dass aufgrund des allgemeinen Kostendrucks Einrichtungen wie die seine "im Bereich der EDV der allgemeinen technologischen Entwicklung 15 Jahre hinterherhinken" – womit wohl gemeint war: Für solche telemedizinischen "Verknüpfungen", wie vom Minister erwähnt, fehlten in den Krankenhäusern des ländlichen Raums schlicht die notwendigen Geräte und die Mittel, diese anzuschaffen.