Das Rathaus der Gemeinde Schömberg: Hier wird am Dienstag, 10. Juli, über die Bürgerbegehren entschieden. Archivfoto: Fritsch Foto: Schwarzwälder Bote

Kommunales: Landesvorsitzender des Vereins "Mehr Demokratie" nimmt zum geplanten Turmbau in Schömberg Stellung

Am Dienstag, 10. Juli, beschäftigt sich der Schömberger Gemeinderat mit den zwei Turmbau-Bürgerbegehren. Der Verein "Mehr Demokratie", hat dazu ebenfalls Stellung genommen und gibt Empfehlungen.

Schömberg. Edgar Wunder, Landesvorsitzender des Vereins Mehr Demokratie, des, Landesverbands Baden-Württemberg nimmt folgendermaßen Stellung: Bewertung des Bürgerbegehrens für den Aussichtsturm: "Dieses Bürgerbegehren enthält zahlreiche Formfehler. So sind zehn Vertrauenspersonen benannt, obwohl nach Paragraf 21 Absatz 3 der Gemeindeordnung (GemO) nur ›bis zu drei‹ Vertrauenspersonen zulässig sind", so Wunder. Allein dies würde nach ständiger Rechtsprechung bereits zur Unzulässigkeit dieses Bürgerbegehrens führen.

Ein weiterer Unzulässigkeitsgrund stelle die auf dem Unterschriftenblatt fehlende Information über die Beschlusslage im Gemeinderat dar. Außerdem fehle auch eine ausformulierte Fragestellung, die klar mit "Ja" oder "Nein" zu beantworten sei. "Aufgrund dieser Mängel ist dieses Bürgerbegehren zweifelsohne unzulässig.

Hinzu komme noch die von der Gemeindeverwaltung bereits aufgeworfene Frage, ob dieses Bürgerbegehren nicht ohnehin bereits hinfällig sei, weil seine Zielrichtung der bereits geltenden Beschlusslage des Gemeinderats entspreche. "Wenn dies so wäre, dann bräuchte die Unzulässigkeit in der Tat gar nicht erst festgestellt werden, sondern lediglich, dass der Gemeinderat dieses Bürgerbegehren in der Sache bereits übernommen hat".

Letzteres könne aber aus zwei Gründen infrage gestellt werden: "Erstens, weil dieses Bürgerbegehren den Bau des Turms unter einen Vorbehalt stellt (›Voraussetzung zu dessen Realisierung ist, dass es keine Streichung anderer notwendiger bereits im Haushalt eingeplanter Maßnahmen gibt und ein verlässlicher Betreiberplan vorliegt‹.) Falls der Gemeinderat diesen Vorbehalt nicht exakt so bereits beschlossen hat, dann entspricht das Bürgerbegehren nicht der Beschlusslage des Gemeinderats und eine Entscheidung über die Zulässigkeit ist unerlässlich".

"Zweitens weil die Initiatoren mit diesem Bürgerbegehren über die geltende Beschlusslage hinaus auch noch etwas anderes wollten, nämlich einen Bürgerentscheid zu dieser Frage".

Empfehlung von Wunder: "Im Sinne der Rechtssicherheit wäre es am sinnvollsten, die formale Unzulässigkeit dieses Bürgerbegehrens festzustellen und damit mögliche Infragestellungen von vornherein zu umgehen. Auch im Sinne einer Befriedung dürfte dieses Vorgehen unkritisch sein, da keine reale Anfechtungsgefahr besteht."

Bewertung des Bürgerbegehrens gegen den Gemeinderatsbeschluss vom 27. Februar Dieses Bürgerbegehren enthalte keine derartigen Formfehler, so die Ansicht Wunders. Allerdings sei die Begründung unglücklich formuliert.

Lese man sie isoliert, könne der Eindruck entstehen, das Bürgerbegehren richte sich gegen den Turmbau generell.

In diesem Fall wäre das Bürgerbegehren verfristet und damit unzulässig, wie die Gemeindeverwaltung richtig festgestellt habe, so der Sozialwissenschaftler. Allerdings dürfe der Begründungstext nicht isoliert gelesen werden. Die für den Bürgerentscheid formulierte Fragestellung des Bürgerbegehrens (und allein über diese würde bei einem etwaigen Bürgerentscheid abgestimmt, nicht über Begründungstexte) richte sich eindeutig und ausschließlich gegen die Gemeinderatsbeschlüsse vom 27. Februar, nicht gegen den Turmbau generell.

Weiterhin seien die Gemeinderatsbeschlüsse vom 27. Februar .2018 im Wortlaut auf dem Unterschriftenblatt aufgeführt, sodass die Unterzeichner informiert seien, über was beim angestrebten Bürgerentscheid abgestimmt werden soll.

Es sei nun eine durchaus schwierige Abwägungsentscheidung, wie dieser "Gesamtbefund" ausgelegt werden soll, und alles andere als sicher, wie ein Verwaltungsgericht dazu entscheiden würde, so Wunder.

"Meines Erachtens ist es eine mögliche und vertretbare Rechtsposition, dieses Bürgerbegehren für unzulässig zu erklären, weil der Begründungstext Formulierungen enthält, die so verstanden werden können, dass ein Verfristungsproblem entsteht. Jedoch halte ich es für eine ebenso mögliche und vertretbare Rechtsposition, dieses Bürgerbegehren für zulässig zu erklären, weil aus dem Gesamtkontext hervorgeht, dass durch den Bürgerentscheid nur die konkret aufgeführten Beschlüsse des Gemeinderats vom 27. Februar 2018 aufgehoben werden sollen und nicht mehr."

Sicher sei jedenfalls, dass ein Bürgerentscheid zur formulierten Fragestellung ausschließlich dies bewirken und frühere Grundsatzbeschlüsse unangetastet lassen würde.

Wunder gibt zu Bedenken: "Würde das Bürgerbegehren für unzulässig erklärt, bestünde ein erhebliches Risiko, dass einer der 1440 Unterzeichner (jeder für sich ist klageberechtigt, nicht nur die Vertrauenspersonen) dagegen Widerspruch einlegt und es bei abgewiesenem Widerspruch zu einem Prozess vor dem Verwaltungsgericht kommt, der sich längere Zeit hinziehen kann, dessen Ergebnis unsicher ist und der den Fortgang des Projekts längere Zeit blockieren könne".

Würde das Bürgerbegehren für zulässig erklärt, sei hingegen niemand klageberechtigt, weil die Rechte von Unterzeichnern dadurch nicht verletzt seien und Nicht-Unterzeichner des Bürgerbegehrens keinen Rechtsanspruch darauf hätten, dass kein Bürgerentscheid durchgeführt werde.

Aufgrund dieser Asymmetrie bei den Rechtsrisiken und deren Folgen sei beim Ziel einer Befriedung und einer raschen Entscheidung in der Sache im Zweifelsfall eine Einstufung als "zulässig" vorzuziehen. Verfahrensempfehlung In einer solchen Konstellation sei nach den Erfahrungen des Landesverbands einem Gemeinderat zu empfehlen, wie folgt zu verfahren, um den Konflikt nicht weiter zuzuspitzen, sondern so rasch wie möglich "die Kuh vom Eis" zu bekommen:

Vorschlag 1: "Der Gemeinderat sollte im gleichen Tagesordnungspunkt – aber noch vor den Entscheidungen über die Zulässigkeit – diskutieren, ob er die Angelegenheit nicht durch das eigenständige Ansetzen eines Bürgerentscheids über den Weg von Paragraf 21 Absatz 1 Gemeindeordnung (ein sogenanntes ›Ratsreferendum‹) an sich zieht, das formal von den Bürgerbegehren unabhängig ist und bei dem deshalb die genaue Frageformulierung auch durch den Gemeinderat selbst festgesetzt werden kann.

Dafür müsste vom Bürgermeister oder dem Gemeinderat ein Antrag auf Durchführung eines solchen Ratsreferendums zur Frage des Aussichtsturms gestellt werden.

"Der Antrag bedarf dann im Gemeinderat einer Zustimmung von zwei Dritteln aller existierenden Gemeinderäte (also nicht nur der anwesenden Gemeinderäte). Ist diese Mehrheit erreicht, könnte der genaue Wortlaut der Abstimmungsfrage für den Bürgerentscheid und der Termin des Bürgerentscheids auch noch bei einer späteren Gemeinderatssitzung mit einfacher Mehrheit festgesetzt werden. Kommt die Zwei-Drittel-Mehrheit zustande, sollten unmittelbar anschließend die Vertrauenspersonen der Bürgerbegehren (eine Vertrauensperson pro Bürgerbegehren reicht dazu aus) erklären, dass sie das jeweilige Bürgerbegehren hiermit zurückziehen".

Das könne man in einem solchen Fall von Vertrauenspersonen erwarten, weil das grundsätzliche Ziel beider Bürgerbegehren, nämlich ein Bürgerentscheid, damit erreicht sei.

"Durch die Rücknahme der Bürgerbegehren erübrigen sich dann auch sämtliche Zulässigkeitsentscheidungen und gerichtliche Anfechtungen sind ausgeschlossen". Sollten die Bürgerbegehren trotz eines beschlossenen Referendums nicht zurückgenommen werden, erscheine eine Erklärung als unzulässig in beiden Fällen als vertretbar, weil das Risiko einer Klage kaum gegeben sei, denn jede Bürgerinitiative wisse, dass die Entscheidung in der Sache dann mit dem Referendum falle und etwaige Klagen gegen eine Unzulässigkeit länger dauern würden und somit zu spät kämen.

"Der als Referendum eingeleitete Bürgerentscheid könne dann binnen drei Monaten stattfinden. Durch die vergleichsweise rasche abschließende Entscheidung, die alle Bürger mitnimmt, wäre eine Befriedung in relativ kurzer Zeit erreicht", stellt Wunder fest.

Vorschlag 2: "Kommt die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit für ein Ratsreferendum nicht zustande, ist zu empfehlen, das erste Bürgerbegehren für unzulässig zu erklären, das zweite Bürgerbegehren hingegen für zulässig. Im Gegenzug kann dafür von den Vertrauenspersonen erwartet werden, dass sie sich zunächst auf einen Kompromissfindungsprozess einlassen und bereit sind, einer Verschiebung des Bürgerentscheids zuzustimmen. Die positive Zulässigkeitsentscheidung sollte in diesem Fall also nicht mit dem unmittelbaren Beschluss eines Bürgerentscheids verbunden werden. Sollten die Kompromissgespräche zu einem positiven Ergebnis führen, können die Vertrauenspersonen auch ein bereits zugelassenes Bürgerbegehren wieder zurückziehen, sodass sich ein Bürgerentscheid erübrigen würde. Nur für den Fall, dass die Kompromissgespräche ergebnislos enden, müsste der Bürgerentscheid durchgeführt werden", schließt Wunder seine Ausführungen.

Mehr Demokratie ist ein bundesweit tätiger gemeinnütziger Fachverband, der seit vielen Jahren alle in Deutschland eingereichten Bürgerbegehren erfasst und in Zusammenarbeit mit den Universitäten Marburg und Wuppertal auswertet. Unter anderem im Hinblick auf Rechtsfragen und eine gute, auf Befriedung zielende Praxis. Regelmäßig berät er Gemeinden zu Verfahrensfragen, ohne zu den jeweils strittigen Sachfragen selbst Partei zu ergreifen.