­Fotografin Sandra Hoyn kam nah ran an die Protagonistinnen ihrer Bild-Reportage "Die Liebe der Anderen" über Sex-Arbeiterinnen in Bangladesch (im Bildhintergrund), so dass sich nicht nur Kurator Joachim Kuolt fragte, wie sie das geschafft habe. Dafür gab es den großen Preis der Jury des Schömberger Fotoherbstes. Fotos: Kunert Foto: Schwarzwälder-Bote

Schömberger Fotoherbst: Großer Preis geht an Sandra Hoyn für ihre Foto-Reportage über Sex-Arbeiterinnen in Bangladesch

Sandra Hoyn wurde als Fotografin schon mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnet – in diesem Jahr zum Beispiel mit dem World Photography Award. Den "großen Hasiblad" des Schömberger Fotoherbstes wollte sie auch unbedingt mal gewinnen. Dieses Jahr hat’s geklappt.

Schömberg. Womit die Pinnebergerin Sandra Hoyn allerdings bereits das zweite Mal mit einem der Schömberger Fotopreise ausgezeichnet wurde: Vor zwei Jahren beim letzten Fotoherbst errang sie mit ihrer Foto-Serie über Orang Utans schon den Publikumspreis in der Kategorie "Profis" – und sah damals das erste Mal den vom Schömberger Künstler Malcolm Brook gestalteten hölzernen Foto-"Oscars" mit Kurbelmechanik, den allerdings eben nur die jeweiligen Jury-Preisträger erhalten.

Dieses Mal also gab es zur Finissage im Silbersaal des Kurhauses vor vollbesetzten Rängen den großen Preis der Jury des Schömberger Fotoherbstes für Hoyn – für ihre Foto-Reportage "Die Liebe der Anderen", die Sex-Arbeiterinnen in einem der ältesten und größten Bordelle Asiens zeigt: dem abgeschotteten Blechhüttendorf Kandapara in Bangladesch. "Das sind nicht unbedingt schöne Bilder", wie es Kurator Joachim Kuolt in seiner Laudatio ausdrückte, aber "sehr berührende". In der Tat zeigen die Bilder, die Preisträger Hoyn zum 14. internationalen Festival für serielle Reise- und Reportage-Fotografie in Schömberg eingereicht hatte, den ganzen Schmerz der zum Teil minderjährigen Frauen beim Umgang mit ihren Freiern – so dass sich nicht nur Kurator Kuolt über diese Fotoarbeiten fragt: "Wie kommt sie nur so dicht ran!?"

Hoyn klärt auf: "Diese Frauen sagen: Die Leute sollen sehen, wie wir uns fühlen." Ihr Anliegen als Fotografin, als Chronistin der Situation dieser Frauen, sei daher ausdrücklich gewesen, dass "wir als Betrachter uns ebenfalls schlecht fühlen". Wobei Kurator Kuolt in seiner Rede darauf hinwies, dass "nicht die Bilder der Skandal sind – sondern das, was sie zeigen" und was dort jeden Tag geschieht.

Hauchdünner Vorsprung beim Publikumspreis

Nichtsdestotrotz: So viele Preise Sandra Hoyn mit dieser Bilderserie bereits international abgeräumt hat – der "World Photography Award" ist der renommierte Foto-Preis für Bild-Reportagen überhaupt – so umstritten sind die extrem intimen und privaten Aufnahmen der Sex-Arbeiterinnen auch, bis hin zu persönlichen Anfeindungen der Fotografin. Bilder, die eben wehtun.

Auch der Jury-Preis bei den Amateuren des Schömberger Fotoherbstes, und damit die zweite brooksche "Hasiblad", wurde für eine Foto-Reportage aus Asien vergeben: Michael Paramonti fotografierte "Mr. Hong – der Kormoranfischer aus Xingping" in China. Auch Paramonti ist in Schömberg kein Unbekannter, gewann ebenfalls 2015 beim letzten Fotoherbst bereits einmal den Jury-Preis für Amateure. Diesmal sei ihm wieder eine herausragende, "sehr stimmige, atmosphärisch dichte" Fotoserie "unter schwierigsten Lichtverhältnissen" gelungen, die zudem diesmal auch Einblicke ins "Private" seines Protagonisten erlaube – was die Fotoherbst-Jury bei der letzten Preisvergabe an den Lahrer Hobby-Fotografen noch vermisst hatte. Was Paramonti, wie er in seines Dankesworten bestätigte, sich bei der diesjährigen Arbeit zu Herzen genommen habe.

Ganz anderer Natur – naturgemäß – die Arbeiten, die das Publikum des Schömberger Fotoherbstes für die Publikumspreise ausgewählt hat: bei den "Profis" wurde hier Eric Schütt aus Karlsruhe für seine Serie "Dorfköniginnen – Portraits der letzten Frauen in Tracht" ausgezeichnet – die hochbetagte Frauen aus unterschiedlichsten Regionen zeigt, die historische Trachten noch tatsächlich als Teil ihres Alltags trugen, und nicht aus künstlicher Folklore. Womit Schütts Fotos zu einem unwiederbringlichen Dokument der Zeitgeschichte wurden, da seine "Modelle" mittlerweile allesamt verstorben seien – und mit ihnen diese Traditionen als authentischem Lebensstil.

Der Publikumspreis der "Amateure" ging schließlich "mit einem hauchdünnen Vorsprung von nur zwei Stimmen", wie Kurator Kuolt von der Auszählung berichtete, an den Schömberger "Lokalmatador" Dominique Große für seine diesmal nur betörend schönen Aufnahmen von "Wales – Countryside and Seaside", die Landschaftsaufnahmen in "traumhafter, geradezu viktorianischer Anmutung" zeigten. Tatsächlich haben Großes Fotografien die plastische, eindringliche Wirkung von großartigen Ölgemälden. Wobei Kurator Kuolt noch ausdrücklich darauf hinwies, dass in diesem Jahr keine der insgesamt 50 zum Wettbewerb zugelassenen Profi- und Amateur-Fotoserien ohne Publikumsstimmen geblieben sei.

Bleibt noch, einen allerletzten diesjährigen Preisträger des Schömberger Fotoherbstes zu erwähnen: Das Modehaus Bertsch, dass für "Das schönste Schaufenster" als Kulisse der Foto-Schau ausgezeichnet wurde. Einen Preis, den Junior-Chef Udo Bertsch in Empfang nahm – und "umgehend an seine Dekorateure weiterreichen" werde, die für die Gestaltung der ausgezeichneten Schaufenster ja eigentlich verantwortlich seien.