Die Schöffen des Landgerichts Rottweil haben mit dem Vorsitzenden Richter am Landgericht Karlheinz Münzer (rechts) die JVA Adelsheim besucht. Foto: Landgericht Rottweil

Was passiert mit Jugendlichen und Heranwachsenden, nachdem sie zu einer Jugendstrafe ohne Bewährung verurteilt worden sind? Dieser Frage gingen rund 50 Schöffen aus dem Landgerichtsbezirk Rottweil nach.

Eingeladen vom Präsidenten des Landgerichts, Florian Diekmann, erhielten die ehrenamtlichen Richter im Rahmen einer Fortbildung einen unverstellten Einblick in die Arbeit der Justizvollzugsanstalt (JVA) Adelsheim, der zweitgrößten Jugendstrafvollzugsanstalt in Deutschland. Dabei stießen sie auf eine Welt zwischen Idealismus und harter Realität.

 

Die JVA Adelsheim (Neckar-Odenwald-Kreis) wurde 1974 gegründet und ist mit der JVA Pforzheim zuständig für die männlichen Jugendstrafgefangenen aus Baden-Württemberg. Zurzeit sind dort knapp 380 junge Männer im Alter von 14 bis 24 Jahren inhaftiert.

Resozialisierung im Fokus

Die Veranstaltung begann mit einer Führung durch die Anstalt, bei der schnell deutlich wurde, dass der Jugendvollzug nicht primär auf Bestrafung ausgerichtet ist. Stattdessen steht der Gedanke der Resozialisierung im Vordergrund, wie die begleitenden Kriminologen Jürgen Thomas und Wolfgang Stelly betonten: „Das Ziel ist es, die Jugendlichen dazu zu erziehen, ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu führen.“

Die Schöffen erfuhren, dass für viele der knapp 380 Insassen der Aufenthalt in der JVA Adelsheim ein Wendepunkt darstellt. Rund 70 Prozent der Jugendlichen haben einen Migrationshintergrund, und die meisten kommen ohne Schulabschluss in die Haft. Für viele ist es das erste Mal, dass sie erleben, wie es ist, unterstützt und gefördert zu werden. Dieser Ansatz trägt Früchte: Dank intensiver Beschulung und Betreuung schaffen viele Insassen hier den Schulabschluss.

Arbeit im Wandel

„Die Jugendlichen überraschen uns regelmäßig mit ihren Leistungen“, berichtete eine Lehrkraft. Dies gilt umso mehr, da viele von ihnen vor ihrer Haftzeit nur sporadisch am Unterricht teilnahmen oder von Schule zu Schule wechselten. Daneben haben die Insassen die Möglichkeit, in Werkstätten in Bereichen wie Schreinerei, Metallbau oder Kfz-Mechanik zu arbeiten.

Die Arbeit innerhalb der JVA befindet sich in einem Wandel. Vor allem bei jungen Strafgefangenen zeigt sich, dass lange Haftstrafen von drei Jahren oder mehr zur Seltenheit geworden sind.

Der Fokus liegt zunehmend darauf, junge Menschen bei der Berufswahl zu unterstützen. Ziel ist es, ihnen Qualifikationen mit auf den Weg zu geben, die auch außerhalb der Gefängnismauern Bestand haben – sei es ein Schweißerschein oder andere anerkannte Zertifikate. Diese Maßnahmen sollen nicht nur den Alltag strukturieren, sondern auch Perspektiven für ein Leben in Freiheit bieten.

Gewalt belastet den Alltag

Neben den positiven Aspekten des Jugendvollzugs blieb auch die Schattenseite nicht verborgen. Gewalt unter Insassen und die Herausforderung, junge Menschen nachhaltig zu resozialisieren, belasten den Alltag in der Anstalt.

Besonders eindrücklich war der Austausch mit einem jungen Mann, der über seine Tagesstruktur berichten sollte. Was zunächst wie eine einfache Aufgabe schien, offenbarte bald die Herausforderungen, vor denen sowohl die Insassen als auch die Sozialarbeiter in einer solchen Einrichtung stehen.

Sprachliche Barrieren und verschiedene Wortschätze führten schnell zu Missverständnissen. Für die Schöffen war es eine Erinnerung daran, dass eine klare und empathische Kommunikation der Schlüssel zu einem konstruktiven Gespräch ist.

Lehrreicher Besuch

Für die Schöffen war der Besuch lehrreich. „Wir haben gesehen, wie wichtig es ist, Strafe und Förderung zu verbinden. Resozialisierungsmaßnahmen sind entscheidend, um eine Wiederholung von Straftaten zu verhindern“, resümierten die Teilnehmer.

Die Fortbildung, die am Landgericht Rottweil jährlich vom Vorsitzenden Richter am Landgericht Karlheinz Münzer organisiert wird, gilt als wertvoller Bestandteil der Schöffenarbeit. Nach Besuchen verschiedener Justizvollzugsanstalten, eines Zentrums für Psychiatrie und auch des Bundesgerichtshofs bleibt die Frage: Welche Türen, die normalerweise verschlossen bleiben, öffnen sich für die Schöffen im nächsten Jahr?

Info

Die Schöffen
Die Schöffen des Landgerichts Rottweil stammen aus den Landkreisen Freudenstadt, Rottweil und Tuttlingen. Sie sind jeweils für die Dauer von fünf Jahren gewählt. Das Schöffenamt ist ein Ehrenamt und wird daher nicht vergütet, es gibt eine Entschädigung für Zeitaufwand und Fahrtkosten. Schöffen wirken wie die Berufsrichter an den Entscheidungen mit und haben dasselbe Stimmrecht.