Für Eltern wird es immer schwieriger, einen Kinderarzt zu finden. In Horb und in der Region verschärft sich jetzt die Situation. (Symbolfoto) Foto: Microgen - stock.adobe.com/Stevica Mrdja

Diese Nachricht schlägt ein wie eine Bombe: Kinderarzt Michael Nagel zieht die Reißleine. Müssen sich viele Eltern nun eine neue Praxis suchen? Oder gibt es eine Zukunft mit den anderen Ärzten im Team?

Das ist ein schwerer Schlag für die Ärzteversorgung im Kreis Freudenstadt und auch darüber hinaus.

 

Denn die Kinderarztpraxis Nagel in Horb gehört zu einer der größten Praxen in der gesamten Region. Das Einzugsgebiet für Eltern und junge Patienten ist weit größer als der Landkreis selbst.

Deshalb war die Freude groß, dass Nagel in den vergangenen Jahren sein Praxisteam vergrößern konnte. Seit April 2016 mit Philipp Schwarze, der zuvor über 20 Jahre an der Uniklinik Tübingen tätig war. Und seit Januar 2020 mit Nicole Anders.

So erklärt Michael Nagel den Schritt

Doch das Pensum blieb hoch. So hoch wohl, dass Nagel nun Konsequenzen zieht, die er auf seiner Homepage mit dem Titel „Zeit für Veränderungen“ verkündet.

Dann macht er klar, wie es zur Entscheidung gekommen ist. „Vor über 20 Jahren habe ich aus voller Überzeugung und mit ganzem Herzen meine Kinder- und Jugendarztpraxis hier in meinem Heimatort eröffnet. Inzwischen haben die immer enger werdenden bürokratischen Vorgaben des Kassenärztlichen Versorgungssystems es mir immer schwerer gemacht, so für meine Patienten da zu sein, wie ich das gerne möchte und auch für erforderlich halte“, so Nagel.

Michael Nagel spricht von „gesundheitlichen Grenzen“

Zusätzlich habe ihn auch die Arbeit und Verantwortung als Pandemiebeauftragter für den Landkreis an seine „gesundheitlichen Grenzen gebracht, so dass ich nicht mehr die Kraft habe, unter diesen Bedingungen weiterzuarbeiten“.

in Bild aus anderen Kinderarzt-Zeiten: Michael Nagel (rechts) freute sich 2016, den Kinderarzt Philipp Schwarze fürs Team zu gewinnen. Foto: Hopp

Was das jetzt genau bedeutet, erklärt er dann: „Schweren Herzens habe ich mich deshalb dazu entschlossen, meine Kassenarztzulassung zum Anfang des Jahres 2025 zurückzugeben. Ich unterstütze Ideen, die pädiatrische Kassenärztliche Versorgung in unserer Region auch unabhängig von meiner Person in Zukunft zu gewährleisten. Dies liegt jedoch in der Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigung sowie der Krankenkassen und ist Aufgabe des Gesundheitssystems.“

Geht es vielleicht mit Schwarze und Andres weiter?

In einem Punkt weiter unten auf der Homepage heißt es dann: „In den Räumen in der Saarstraße wird die Privatpraxis für Selbstzahler und Zusatzversicherte fortgeführt. Wo und ob es auch mit Beteiligung von Herrn Dr. Schwarze und Frau Dr. Anders eine pädiatrische kassenärztliche Versorgung geben wird, ist Bestandteil intensiver Überlegungen und Planungen.“

So geht es jetzt genau weiter

Die Konsequenz: „Ab Januar 2025 werde ich meine Kinder- und Jugendärztliche Praxis als Privatpraxis weiterführen. Ich freue mich darauf, mich den großen und kleinen Sorgen meiner kleinen und jugendlichen Patienten in dieser neuen Form mit mehr Zeit und weniger Einschränkungen anzunehmen und so meinem Anspruch als Arzt wieder gerechter werden zu können. Ich danke allen Patienten und Eltern für das Vertrauen in den vergangenen Jahren und wünsche vor allem Gesundheit für alle.“

Was bedeutet das konkret? Eine Privatpraxis hat keine kassenärztliche Zulassung mehr und kann damit gesetzlich versicherte Patienten nicht mehr abrechnen. Eine Privatpraxis steht somit nur noch Privatpatienten und Selbstzahlern offen. Für die Mehrzahl der Eltern heißt das also: Sie müssen sich eine andere Praxis suchen.

Es wird schwierig für Eltern, eine neue Praxis zu finden

Und das würde nicht so einfach werden, falls Schwarze und Andres nicht weitermachen. Denn auch im Umkreis sinkt die Zahl der Kinderarztpraxen. Ein aktuelles Beispiel ist die Situation in Oberndorf nach dem Tod von Kinderarzt Reinhard Wartha. Die verbliebenen Kinderärzte klagen über Überlastungen und haben größtenteils auch einen Aufnahmestopp.

In Horb gibt es nur noch Ioana Oprea, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin. „Unsere Telefone stehen seit Montagfrüh nicht still. Es kommen viele Anfragen herein“, berichtet sie von der Reaktion zahlreicher Eltern, nachdem sie von Nagels Schritt erfahren haben. „Ich kann aber auch nur so viel machen, wie maximal geht“, so Oprea, die auch von einer gesundheitlichen Belastungsgrenze spricht. Ihre Praxis nehme nur Neugeborene auf. „Alle anderen müssen wir leider ablehnen.“

Auf die Anfrage unserer Redaktion antwortet Nagel: „um derzeitigen Zeitpunkt kann und möchte ich keine weitere Stellungnahme zum Thema meiner Praxis machen, als auf der Homepage dargestellt.Vielleicht gibt es ja noch eine Perspektive für eine kassenärztliche Versorgung in der Region, wie beschrieben, werden Ideen und Lösungen gesucht.“

Unsere Redaktion hat auch eine Anfrage an die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg gestellt. Eine Antwort steht noch aus.