Feuerwehrkräfte räumen am Samstag vorsorglich Schnee von einem Flachdach auf der Liederhalle in Stuttgart. Foto: dpa

Erstmalig: Feuerwehr musste das Flachdach der Liederhalle vom Schnee befreien.

 Stuttgart - Auf der 1956 erbauten Liederhalle türmten sich die Schneemassen am ersten Weihnachtsfeiertag so besorgniserregend hoch, dass der Hausmeister gegen 8 Uhr die Feuerwehr alarmierte. Die Härte dieses Winters macht erfinderisch: Mit einer ungewöhnlichen Technik räumte die Feuerwehr drei Flachdächer des Kultur- und Kongresszentrums - mit Hilfe von sogenannten Schleifkorbtragen. Normalerweise werden damit Menschen aus brennenden Häusern geborgen. Die 40 Einsatzkräfte der Feuerwehr schaufelten den Schnee zunächst auf die Tragen. Die wurden dann mit einem Seil bis an die Dachkanten gezogen. Von dort kippte man den Schnee auf eine Wiese.

Etwa 200 Kilo Schneelast pro Quadratmeter

Pro Quadratmeter hat die Schneelast laut Einsatzleiter Dieter Kahle bei etwa 200 Kilo gelegen. Zehn Zentimeter Nassschnee können bis zu 40 Kilo pro Quadratmeter wiegen, eine zehn Zentimeter dicke Eisschicht erreicht gar ein Gewicht von bis zu 90 Kilo. Am Abend traten die Harlem Gospel Singers in der Liederhalle auf - jedes Risiko wollte man vermeiden. "Es bestand keine akute Einsturzgefahr", stellte ein Sprecher der Feuerwehr am Sonntag fest. Einen ähnlichen Einsatz habe es zuletzt vor 30 Jahren auf der alten Landesmesse gegeben.

Umgestürzte Bäume und Eiszapfen an Brücken

Zu umgestürzten Bäumen wurde die Feuerwehr zur Olgastraße, Stettener Straße und nach Zazenhausen in die Bachhalde gerufen. Außerdem mussten von den Brücken über der Bundesstraße 10 im Hafengebiet große Eiszapfen entfernt werden.

Für einen Winter sei die Lage nicht extrem, sagte ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes, "wir sind es bei uns nur nicht an Weihnachten gewohnt". Bis zum ersten Feiertag seien in Stuttgart zwischen 16 und 19 Zentimeter Neuschnee gefallen, so dass die Schneedecke im Stadtgebiet nun bei 16 bis 25 Zentimetern liege.

Unter den Schneemassen stürzten mehrere Bäume um. In Böblingen etwa fiel am Samstag ein zehn Meter hoher Baum auf drei geparkte Autos. Menschen kamen nicht zu Schaden, der Schaden lag bei 5000 Euro. In Filderstadt-Bonlanden kippte eine 14 Meter hohe Zypresse wegen der Schneelast um. Eine 70-jährige Hausbesitzerin, die direkt daneben Schnee schippte, kam mit dem Schrecken davon. Der Baum zerstörte eine Straßenlaterne und streifte einen Pkw. Neben der Feuerwehr waren zur Sicherung der elektrischen Anschlüsse auch ein Mitarbeiter der EnBW sowie der Bauhof im Einsatz.

Zahreiche Unfälle in der Region - Gesamtschaden deutlich über 200.000 Euro

In der Region kam es vor allem an Heiligabend und am ersten Weihnachtsfeiertag zu zahlreichen Unfällen mit Blechschäden, die in die Hunderttausende gehen. So meldete etwa der Landkreis Ludwigsburg allein bis Samstag früh 80 Verkehrsunfälle mit einem Gesamtschaden von deutlich über 200.000 Euro. Zehn Personen wurden verletzt. Von unfreiwilligen Rutschmanövern waren auch die Räumdienste nicht gefeit. Der 44-jährige Fahrer eines Gehwegräumfahrzeugs kam in der Schillerstraße in Ludwigsburg ins Schleudern und fuhr in das Schaufenster eines Ladens. Auf der L1125 bei Sachsenheim geriet eine 36-jährige auf die Gegenfahrbahn und prallte gegen einen VW. Dessen Lenkerin und die Beifahrerin der 36-Jährigen mussten in Krankenhäuser eingeliefert werden.

In Sindelfingen entstand bei einer Kollision auf der Kreuzung Calwer Straße/Gottlieb-Daimler-Straße mit vier Leichtverletzten ein Sachschaden von 55.000 Euro. Nur leicht verletzt wurde an Heiligabend ein Fußgänger in Schönaich, der von einem Pkw erfasst wurde, der von einem anderen Auto weggeschleudert wurde. In Grafenau, ebenfalls Kreis Böblingen, wurden ein 20-jähriger Hyundai-Fahrer und sein 25-jähriger Beifahrer schwer verletzt, als ein Mercedes gegen ihren Wagen schleuderte. An den Fahrzeugen entstand Totalschaden. In Sindelfingen mussten Fahrgäste eines Linienbusses zu Fuß weitergehen, nachdem an Heiligabend gegen Mittag ein Audi gegen den Bus geschleudert war. Allein am Freitag lag der Sachschaden im Kreis Böblingen bei 115.000 Euro.

Im Nachbarkreis Esslingen war die Situation kaum entspannter. Die Polizei registrierte 25 witterungsbedingte Unfälle mit drei Leichtverletzten und 91.000 Euro Sachschaden. Im Rems-Murr-Kreis nahm die Polizei im gleichen Zeitraum 53 Unfälle mit fünf Leichtverletzten auf, bei denen ein Schaden von 164.000 Euro entstand. Dort war in der Nacht zum Samstag auch dichter Nebel ein Problem. Eine 23-Jährige kam auf der L1050 bei Rudersberg von der Fahrbahn ab, fuhr eine Waldböschung hoch, durch einen Graben und kam zuletzt wieder auf der Fahrbahn zum Stehen. Sie wurde schwer verletzt. Schneematsch wurde einem 27-Jährigen an Heiligabend auf der Autobahn Richtung München bei Kirchheim/Teck zum Verhängnis. Er geriet beim Fahrstreifenwechsel ins Schleudern und prallte mit seinem VW gegen die Leitplanke. Seine beiden Mitfahrerinnen mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden.