Als legales Medikament wurde Captagon 1986 vom Markt genommen. Inzwischen gehört es vor allem im Nahen Osten zu den wichtigsten synthetischen Amphetamin-Drogen. Hauptproduzent ist das Assad-Regime in Syrien.
Am 24. Juli beginnt in Aachen der Prozess gegen vier Syrer, denen bandenmäßiger Handel mit der Aufputschdroge Captagon „in nicht geringer Menge“ vorgeworfen wird. Das Landgericht Aachen teilte dem Recherchenetzwerk von BR, MDR, RBB, SWR, FAZ und Mediengruppe Bayern mit, dass insgesamt drei Fälle angeklagt werden. Aktuell seien Prozesstermine bis Mitte November geplant.
Die Staatsanwaltschaft Aachen wirft den Männern vor, sich zwischen Oktober 2021 und Oktober 2023 mindestens 480 Kilogramm Captagon-Tabletten beschafft zu haben, um damit illegal Handel zu treiben. Der geschätzte Straßenverkaufswert im bislang größten Fall von Captagon-Schmuggel in Deutschland liegt bei rund 60 Millionen Euro.
Drogen als legale Exportware deklariert
Die Tabletten sollen als legale Exportware deklariert und in sogenannten Tarnwaren versteckt worden sein. Bei ihren Ermittlungen stießen die Zollfahnder auf Captagon-Tabletten, die in Duftkerzen, Luftreinigern und einem Kamin versteckt waren. Beim Zugriff der Fahnder Anfang Oktober 2023 entdeckten Einsatzkräfte versandfertige Ware, die in Sandsäcken versteckt war.
Seit 2021 wurden in Deutschland insgesamt Tabletten und Chemikalien zur Herstellung von Captagon im Straßenwert von einer halben Milliarde Euro sichergestellt.
Psychoaktiver Wirkstoff Fenetyllin
Captagon war urspünglich der Markenname eines psychoaktiven Medikaments mit dem Wirkstoff Fenetyllin. Es gehört zur Gruppe der Amphetamine und Methamphetamine und wurde 1961 vom deutschen Pharmakonzern Degussa auf den Markt gebracht.
Captagon sollte ursprünglich zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) eingesetzt werden. Es stellte sich allerdings heraus, dass das Medikament schnell abhängig macht und schwere Nebenwirkungen wie Halluzinationen und Angstzustände verursachen kann.
Schwere Nebenwirkungen des Amphetamins
Deshalb wurde Captagon im Jahr 1986 verboten und vom Markt genommen. Seither wird es nur noch illegal mit dem Betäubungsmittel Amphetamin als Hauptwirkstoff produziert und als Droge verkauft. Die Einnahme des Aufputschmittels unterdrückt Müdigkeit und Hungergefühl sowie Angst und kann zu Depression, Euphorie und Schlaflosigkeit führen.
Captagon im Nahen Osten weit verbreitet
Captagon ist im Nahen Osten, vor allem in Saudi-Arabien, eine der meistkonsumierten synthetischen Drogen. Vor allem bei jungen Männern ist die Droge beliebt. Experten schätzen, dass rund 40 Prozent aller saudi-arabischen Männer zwischen 12 und 25 Jahre Captagon konsumieren.
Wie aus dem Weltdrogenbericht 2023 hervorgeht, ist Captagon die meistgenutzte stimulierende Droge im Bürgerkriegsland Syrien. Laut der humanitären US-Nichtregierungsorganisation MedGlobal sind auch der Konsum von Cannabis und Drogen wie Kokain dort weit verbreitet.
Syriens Regime ist Hauptproduzent
Captagon ist die Droge, die das diktatorische Regime von Präsident Baschar al-Assad in Damaskus aufrechterhält, wie es seitens MedGlobal heißt. Der weltweite Handel mit den Amphetamin-Tabletten zählt den Angaben nach zu den Haupteinnahmequellen der syrischen Regierung.
Internationale Ermittler halten Syrien mittlerweile für einen der weltweit größten Hersteller der Droge. 80 Prozent des weltweiten Captagon-Angebots werden demnach in Syrien hergestellt. Beteiligt am Schmuggel sind den Angaben zufolge Menschen aus dem engsten Kreise Assads und Anführer der libanesischen Hisbollah. Deren Miliz kämpft im syrischen Bürgerkrieg an der Seite der Regierungstruppen.