Die iranische Hauptstadt Teheran Foto: dpa

Nach der Einigung im Atomstreit mit dem Iran reist der baden-württembergische Wirtschaftsminister Nils Schmid in den Iran. Unsere Reporterin Anne Guhlich meint: Eine Annäherung wegen wirtschaftlicher Interessen ist besser als Feindschaft oder Nichtstun.

Erster! Normalerweise kommt Applaus, wenn man als Erster durchs Ziel läuft. Als Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im Juli als erster deutscher Politiker nach dem Atomdeal in den Iran gereist ist, hat niemand geklatscht. Im Gegenteil: Es hagelte Kritik. Es gehe ihm nur ums Geschäftemachen, so der Vorwurf. Und zwar mit einem Land, das Israel nicht anerkenne und die Menschenrechte verletze. Jetzt gibt es wieder einen Ersten: An diesem Freitag reist der baden-württembergische Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) nach Teheran. Damit ist Baden-Württemberg das erste Bundesland, das im Iran mit einer Delegation vertreten ist. Zuvor haben Kritiker eine Absage der Reise gefordert. Klar ist: Ja, es geht dabei in erster Linie um Wirtschaft. Klar ist aber auch: Eine Annäherung wegen wirtschaftlicher Interessen ist besser als Feindschaft oder Nichtstun.

Das wirtschaftliche Interesse liegt darin begründet, dass der Wohlstand von Baden-Württemberg zu einem großen Teil von Exporten abhängt. Dieser Wohlstand ist nichts Abstraktes oder Unanständiges, von dem nur ganz wenige profitieren: Es ist auch der Wohlstand jener, die Reisen in Länder wie den Iran kritisieren. Gerade zurzeit zeigt sich: Es ist der Wohlstand auch von denen, die in der Lage sind, Menschen in Not zu helfen. Die zum Beispiel Flüchtlingen etwas abgeben können, weil sie selbst genügend haben. Zum Glück gibt es davon viele in Baden-Württemberg: Hier sind die Gehälter überdurchschnittlich hoch. Nur die Menschen in Hamburg und in Hessen verdienen noch mehr als die Baden-Württemberger. Jedoch: Jeder dritte Arbeitsplatz im Land hängt vom Export ab.

Neue Märkte erschließen

Für ein Land, das davon lebt, dass Menschen in anderen Ländern seine Produkte kaufen, ist es nicht nur normal, neue Märkte zu erschließen. Es ist notwendig. Natürlich hat auch das Grenzen: Verhängt die Politik ein Embargo, muss sich die Wirtschaft dem beugen. Die Sanktionen gegen den Iran jedoch sollen aufgehoben werden. Das hat nicht die deutsche Wirtschaft beschlossen, sondern die sogenannte 5-plus-1-Gruppe (USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland). Der Iran hat zugesagt, keine Nuklearwaffen zu bauen und Kontrollen zuzulassen.

Die Wirtschaft prescht also nicht eigenmächtig vor – sie hat den Segen der Politik, wenn es darum geht, die einst guten Geschäftsbeziehungen zum Iran neu zu beleben. Die baden-württembergische Wirtschaft hofft, in zwei Jahren ein Exportvolumen wie vor der Verschärfung der Sanktionen zu erreichen. 2007 exportierte das Land Waren im Wert von 452,2 Millionen Euro in den Iran. 2014 waren es nur noch 222,7 Millionen Euro. Diese Zahlen gehen nicht von alleine wieder nach oben. Dazu sind solche Delegationsreisen nötig. Vor allem mittelständische Firmen brauchen in Ländern mit einer staatlich geprägten Wirtschaft politische Unterstützung. Außerdem sind die Lücken, die deutsche Firmen im Iran hinterlassen haben, längst besetzt. Von chinesischen Unternehmen zum Beispiel.

Dass politisch Welten zwischen Europa und dem iranischen Regime liegen, steht außer Frage. Das wird auch der Besuch von deutschen Wirtschaftsdelegationen nicht von heute auf morgen ändern können. Wer jedoch den Atomdeal unterstützt, könnte gleichsam den Reformern des Landes Rückenwind geben. Die Traditionalisten im Iran sind nämlich gegen das Abkommen und warten nur auf Indizien des Scheiterns. Außerdem bedeuten Wirtschaftsbeziehungen in der Regel, dass zwei Parteien etwas voneinander wollen. Je mehr der Iran auf deutsche Technologie setzt, desto mehr Gehör verschaffen sich die Deutschen. Mehr als bei einem Fortdauern der Eiszeit allemal.