Die Verwaltung (hier das Stuttgarter Rathaus) hinkt digital hinterher. Foto: Imago/Lindenthaler

Anträge und Formulare lassen sich bis jetzt keineswegs flächendeckend elektronisch erledigen. Die öffentliche Verwaltung hat da großen Nachbedarf. Experten halten sie für „bedingt zukunftsfähig“.

Bis Ende des Jahres sollten mehr als 6000 Verwaltungsvorgänge digital möglich sein. So steht es im Online-Zugangsgesetz, das die große Koalition 2017 beschlossen hat. Das Ziel wird nicht annähernd erreicht. Laut Bund sind bisher 114 der im Gesetz benannten Leistungen „live“, weitere 186 befinden sich in der Umsetzung, 51 in Planung.

Die Ampelkoalition hat ihre eigene Digitalstrategie. Sie will sich vorrangig um 18 „Projekte mit Hebelwirkung“ kümmern, die bis 2025 realisiert werden sollen. Bis dahin soll mindestens die Hälfte der deutschen Haushalte und Unternehmen mit einem Glasfaseranschluss versorgt sein. Mitte des Jahres waren es nach Daten der EU-Kommission, die von der „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlicht wurden, nur 15 Prozent. Zum Vergleich: In Bulgarien sind es 85 Prozent. Im europäischen Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft liegt Deutschland auf dem Niveau des EU-Durchschnitts und im Ranking der Mitgliedstaaten auf Platz 13 von 27.

Die Verwaltung verliert den Anschluss

„Wir bleiben in Deutschland unter unseren Möglichkeiten“, sagt Marianne Janik, Deutschlandchefin von Microsoft, zu Versäumnissen bei der Digitalisierung des Staates. Die öffentliche Verwaltung gehe da „nicht mit gutem Beispiel voran“. Wirtschaftsberater Roland Berger meint: „Bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung liegt Deutschland weltweit im letzten Drittel.“ Der in Oxford lehrende Wissenschaftler Viktor Mayer-Schönberger, von 2018 bis 2021 Mitglied im Digitalrat der Bundesregierung, kommt zum Schluss: „Die Verwaltung verliert den Anschluss.“ Er kritisiert, dass die EU sich bei der Digitalisierung mit der Trägheit eines Tankers bewege – sie sei aber „trotzdem schneller als Deutschland“.

Als Paradebeispiel für die verschleppte Digitalisierung gilt die elektronische Patientenakte: Trotz 15 Jahren Planungszeit und weiteren vier Jahren der Umsetzung nutzen sie bisher nur ein paar hunderttausend Personen. Bis 2025 sollen es 80 Prozent der gesetzlich Versicherten sein, so ein Ziel der Bundesregierung. Das müssten dann 60 Millionen Bundesbürger sein.

Berlin will ein einheitliches Vorgehen

Die Ampelkoalition hat sich eine Novelle des Online-Zugangsgesetzes vorgenommen. Das Projekt läuft unter dem Kürzel „OZG 2.0“. Bis wann es beschlussreif ist, steht noch nicht fest. Bisher gibt es dazu einen 46 Seiten umfassenden Bericht des Bundesinnenministeriums. Daraus zitiert der „Tagesspiegel“, dass die versäumte Frist für die Digitalisierung der 6000 Verwaltungsleistungen ersatzlos gestrichen werden soll. Eine Nachfrist wird ausdrücklich nicht bestimmt. Unklar ist demnach auch, bis wann ein gemeinsamer Portalverbund und ein zentraler Suchdienst für Behördenleistungen eingerichtet werden können. Die Ampel hat sich jedenfalls darauf verständigt, dass nicht jede Kommune oder jedes Bundesland für sich noch einmal neu erfinden soll, was digitaler Staat bedeutet. Künftig werden entsprechende Lösungen nach dem „Einer-für-alle-Prinzip“ entwickelt.