Polizeieinsatz am 30. September 2010 im Schlossgarten: Ein Beamter geht in der Berufung gegen seine Verurteilung vor. Foto: dpa

Ein Polizeihauptmeister kämpft in der Berufung gegen seine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Er soll einen Mann am sogenannten schwarzen Donnerstag im September 2010 im Schlossgarten mit seinem Schlagstock verletzt haben. Der Beamte ist sich keiner Schuld bewusst.

Stuttgart - Das Urteil der Einzelrichterin am Amtsgericht am 17. Oktober vorigen Jahres war hart ausgefallen. Sie hatte den heute 34-jährigen Polizeihauptmeister wegen seines Schlagstockeinsatzes der gefährlichen Körperverletzung für schuldig befunden und ihm acht Monate auf Bewährung plus 3000 Euro Geldbuße auferlegt.

Das ist eine gehörige Packung, zumal die Staatsanwaltschaft den nach ihrer Einschätzung minderschweren Fall per Strafbefehl hatte erledigen wollen: 90 Tagessätze zu 40 Euro. Doch der Polizist hatte Einspruch eingelegt – und erlitt vor dem Amtsgericht Schiffbruch. Das versuchen er und sein Anwalt jetzt in der Berufung vor der 36. Strafkammer des Landgerichts zu korrigieren. Die Chancen dafür stehen schlecht.

Am 30. September 2010 war es zu einem missglückten Polizeieinsatz im Schlossgarten gekommen. Die Einsatzkräfte, die das Areal für die Baumfällungen sichern sollten, kamen zu spät und standen Hunderten Demonstranten gegenüber. Es folgte der Wasserwerfereinsatz, dessen strafrechtliche Aufarbeitung in wenigen Monaten vor dem Landgericht stattfinden wird.

„Das war eine Widerstandshandlung“, sagt der Polizeihauptmeister

Der Angeklagte sollte mit seinen Kollegen den Weg zwischen Ausgang Arnulf-Klett-Passage und Biergarten sichern. Um 10.49 Uhr kreuzten sich die Wege des Beamten und eines Anwalts. Der Jurist kam mit schwerem Aktenkoffer vom Amtsgericht und war auf dem Weg in seine Kanzlei. „Er ist in mich hineingelaufen und hätte mich fast umgerannt. Das war eine Widerstandshandlung“, sagt der Polizeihauptmeister. Deshalb habe er den Mann mit dem Schlagstock abgedrängt. Dann sei der „zweite Angriff“ gekommen. Der damals 49-jährige Anwalt habe einen Schritt auf ihn zu gemacht. „Ich wollte verhindern, dass er mich zu Boden wirft“, so der Beamte. Also habe er einen Abwehrschlag gesetzt. Der Jurist trug Hämatome am Oberarm und am Oberkörper davon. Die Szene ist auf mehreren Videos festgehalten.

Vorsitzender Richter Jörg Kindermann stellt klar: „Es geht hier nicht darum, die Polizei in ein schlechtes Licht zu stellen.“ Vieles sei damals schiefgegangen, und: „Die Polizisten sind arme Schweine, die für die Entscheidungen anderer den Kopf hinhalten müssen.“ Der Richter bedauert jedoch, dass der Polizist den Strafbefehl nicht akzeptiert hat. Die erste Aktion, also das Abdrängen mit dem Schlagstock, sei in Ordnung gewesen, so Kindermann. Hier könne er, anders als das Amtsgericht, keine Verfehlung erkennen. Der folgende Schlag mit dem Stock sei dagegen falsch gewesen. Der Angeklagte möge seinen Fehler einsehen. „Ich kann hier keine Notwehrsituation sehen“, so der Richter. Sein Vorschlag: Der Angeklagte solle seine Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränken, sprich: nur noch die Höhe der Strafe überprüfen lassen. Das würde sich nicht zu seinem Nachteil auswirken. „Nach vorläufiger Betrachtung kommen Sie an einer Körperverletzung im Amt nicht vorbei“, sagt Kindermann.

Polizeischlagstock als „Waffe in Anführungszeichen“ bezeichnet

Das will der Verteidiger des Polizeihauptmeisters so nicht stehen lassen. Der Anwalt wirft dem Geschädigten vor, vor dem Amtsgericht wahrheitswidrig ausgesagt zu haben. Den Polizeischlagstock bezeichnet er zur Verwunderung der Staatsanwältin und des Richters als „Waffe in Anführungszeichen“. Dann referiert er über den Verlust eines Auges, den Verlust der Zeugungsfähigkeit und über Siechtum – also über Folgen einer schweren, nicht aber der vorgeworfenen gefährlichen Körperverletzung. Der Verteidiger sagt, das Opfer sei massiv auf die Polizei losgegangen, der Mann sei kein Pazifist, sondern Aktivist. „Er hatte deutlich das Ziel, den Polizeieinsatz zu stören“, so der Verteidiger.

Richter Kindermann erneuert seinen Vorschlag, die Sache ohne Zeugen beizulegen. Selbst die Staatsanwältin sagt, die verhängten acht Monate erschienen ihr zu hoch. Der Polizeihauptmeister beharrt jedoch auf seiner Sicht der Dinge. Fortsetzung folgt.