Das Schiltacher Floß vor der Kulisse der Tübinger Altstadt. Foto: Harter Foto: Schwarzwälder-Bote

Schiltacher Flößer beim "Neckar-Aktionstag" in Tübingen / Nach 114 Jahren an die Tradition angeknüpft

Von Hans Harter Schiltach/Tübingen. "Hau" riefen die Schiltacher Flößer, als sie kürzlich in Tübingen mit Seil und Krempen die von ihnen bearbeiteten Baumstämme in den Neckar zogen. "Ruck" tönte es von den Terrassen der sich malerisch über dem Fluss aufbauenden Altstadt zurück, wo viele Schaulustige Anteil an dem geschäftigen Treiben nahmen. Man fühlte sich in die Zeit der alten Neckarflößerei zurückversetzt, als Studenten die Flößer mit dem Zuruf "Jockele sperr, s’gait en Aileboge" ärgerten, zuletzt 1899 die von Sulz, die das letzte Langholzfloß den Neckar hinabführten. Nach 114 Jahren befuhr nun erstmals ein Schwarzwälder Gestörfloß wieder den Fluss und knüpfte an die Tradition der Neckarflößerei an, die hier schon im späten Mittelalter im Gange war. Dabei ging es um die Versorgung der Neckarstädte mit Bau- und Werkholz aus dem württembergischen Schwarzwald, das nur per Wassertransport zu ihnen finden konnte. Nach Tübingen eingeladen hatte die Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung, die im Auftrag des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg den jährlichen Aktionstag "Unser Neckar" organisiert. Er möchte die vielfältigen Aspekte um Natur, Kultur und Wirtschaftskraft des Flusses bewusst machen, wobei die Schiltacher Flößer mit ihrer traditionellen Kluft und der Zielsetzung, altes Wasserhandwerk zu demonstrieren, gern gesehene und begeistert erlebte Akteure waren.

So wurde die Fahrt und Ankunft ihres 50 m langen Gestörfloßes, begleitet von typischen Tübinger Stocherkähnen, zum mit viel Beifall bedachten Höhepunkt des hiesigen Neckar-Tags. Zu Hunderten kamen die Besucher dann auf die Neckarinsel bei der Eberhardsbrücke, wo das Floß angemährt war und die Schiltacher ihren Wurstkessel und eine Bewirtung aufbauten.

Sie zeigten, wie Stämme geschnetzt, durchbohrt und mit Wieden verbunden wurden, auch gab es historische Informationen samt Büchertisch zum Thema Flößerei.

Zu ihnen gesellte sich auch der Bauforscher Tilmann Marstaller, der keine Frage zur Neckarflößerei unbeantwortet ließ. Ihm verdankt Tübingen den Nachweis, dass es 1477 deshalb für die Gründung der Universität ausgesucht wurde, weil hier die Bauholzmassen per Floß angebracht werden konnten - ein schlagendes Argument für die einstige Bedeutung dieser Transporttechnik.

Die Schiltach-Touristik wird es sicher freuen, wie intensiv und geduldig einige Flößer die Lage und Besonderheiten ihres Städtchens erläuterten, von Einnahmen aus reichlichem Bücherverkauf ganz zu schweigen. Die in Alt-Württemberg überraschend wenig bekannte Region "hinter Freudenstadt" musste man zumindest Umweltminister Franz Untersteller nicht extra vorstellen, der bereits ein guter Bekannter der Schiltacher ist und sie auf ihrem Floß besuchte. Auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer wird sie im Gedächtnis behalten, verdankt er ihnen doch seine erste Floßfahrt auf dem heimatlichen Neckar, die er sichtlich genoss.

Zufrieden mit seiner Flößermannschaft war auch Obmann Thomas Kipp. Nicht nur, weil Transport und Logistik des umfangreichen Unternehmens "Tübingen" hervorragend klappten. Erstmals konnte er am historischen Ort auch das berühmte "Jockele sperr" rufen und sich dabei auf seinen Vize Hartmut Brückner verlassen, der befehlsgemäß den Sperrstümmel in den Neckargrund rammte und so vielleicht sogar einen "Aileboge" verhinderte.