Vorsichtig demontieren Stephan Kirschhoch (links) und Christoph Ingenbrand als erstes die hölzernen Orgelpfeifen.Fotos: Fritsche Foto: Schwarzwälder Bote

Martin-Luther-Haus: Neue Nutzung durch eine katholische Kirchengemeinde im Département Ariège

Langsam naht das Ende des evangelischen Gemeindehauses: Die Orgel im "Großen Saal" ist nun fachmännisch abgebaut worden.

Schiltach. Die Orgelbauer Christoph Ingenbrand und Stephan Kirschhoch aus Bad Kreuznach übernahmen diese Aufgabe. "Zwei bis drei Tage wird der Abbau dauern", schätzte Ingenbrand, als er am Montagmorgen zusammen mit seinem Kollegen im Großen Saal die Orgel begutachtete. "Sie hat einen schönen Klang", urteilte Kirschhoch, der die Orgel noch ein letztes Mal in allen Registern erklingen ließ.

Auf die Schiltacher Orgel war Ingenbrand im Internet gestoßen: Für zwei katholische Kirchengemeinden im Département Ariège in den Pyrenäen suchte er ein solches Instrument. Kirchengemeinderatsvorsitzende Ursula Buzzi hatte die Orgel mit Fotos auf einer Online-Verkaufsplattform inseriert. Sie wollte, dass das schöne Instrument weiter genutzt wird.

In welcher der beiden französischen Gemeinden sie wieder aufgebaut wird, weiß Ingenbrand noch nicht genau, will das aber mitteilen, wenn es endgültig feststeht. Jetzt, nach dem Zerlegen, wandern die Orgelpfeifen, teils aus Holz und teils aus einer Zinn-Blei-Legierung gefertigt, samt Gehäuse zur Überholung in die Werkstatt nach Bad Kreuznach. In Südfrankreich wird sie dann genauso wie in Schiltach für ihr "zweites Leben" wieder aufgebaut.

Zum Bach-Jahr 1950

Die Orgel im "Großen Saal" des Martin-Luther-Hauses war 1950 vom Orgelbaumeister Johannes Goebel aus Rexingen errichtet worden, im Gedenkjahr zum 200. Geburtstag von Johann Sebastian Bach. Der Entwurf der Orgel mit einem Manual stammte von Kantor Hanns-Georg Seibt, das Gehäuse fertigte Schreinermeister Friedrich Fichter aus Schiltach.

Die Orgelweihe fand am 20. August 1950 statt, einem Sonntag. Das Programm der Orgelweihe ist in den alten Akten noch erhalten: Posaunen- und Gemeindechor gestalteten den Abend musikalisch mit. Im Mittelpunkt stand die neue Orgel, mutmaßlich gespielt von Kantor Seibt. Pfarrer Günther hielt eine Ansprache, Oberkirchenrat W. Heidland einen Vortrag unter der Überschrift "Die evangelische Kirche und da Schicksal Deutschland", gefolgt vom Gemeindelied "Wach auf, wach auf du deutsches Land". Nach der Weihe wurde am Ausgang "herzlich um ein Opfer zur Deckung unserer Orgelbauschuld gebeten". Zehn Jahre nach der Weihe erhielt die Orgel 1960 zusätzlich zum Manual auch ein Pedal: Ab dann war sie noch virtuoser zu spielen.

Warmes Winterquartier

Vor allem im Winter kam das Instrument ausgiebig zum Einsatz. "Das war von Anfang an so geplant", berichtet Ursula Buzzi. Weil die evangelischen Stadtkirche damals in der kalten Jahreszeit noch nicht beheizbar war, fanden im Winter die Gottesdienste im Großen Saal des Martin-Luther-Hauses statt. Buzzi ist selbst noch im Januar 1966 im Großen Saal getauft worden. Rechts von der Orgel vor der Bühne war ein Altar aufgebaut, vom Äußeren her im gleichen Stil wie das Orgelgehäuse. Auf der gegenüberliegenden Seite gab es eine Empore. Damit wies der Große Saal genug Plätze für die Gottesdienstbesucher auf. In späteren Jahren wurde die Empore zugebaut und dahinter entstand ein weiterer Raum für Veranstaltungen ("Melanchthon-Saal").

Im Januar 2021 ist der Abriss des Martin-Luther-Hauses geplant. Dann ist bis auf die dann in den Pyrenäen klingende Orgel alles Bauliche verschwunden. Nur die Erinnerungen an die vielen Gottesdienste und Gemeindefeste im Martin-Luther-Haus bleiben.