Heimatgeschichte: Bürgermeisterwahlkampf im Jahr 1883 ist eine spannenden Angelegenheit
Seit 1849 folgten in Schiltach mehrere Bürgermeister aufeinander. 1883 stand wieder eine Wahl an. Das Besondere: Erstmals gab es mehrere Kandidaten – dadurch war die Entscheidung für die Wähler nicht leicht.
Schiltach. Zur Wahl traten die Holzhändler Jakob Trautwein, Christoph Trautwein und der frühere Bürgermeister Wilhelm Rösch an. So kam es zu einem Wahlkampf, bei dem Bürger sich in der Zeitung – freilich anonym – für oder gegen die Kandidaten aussprachen. So schrieben "mehrere Wähler", dass "für Schiltach jetzt eine Zeit naht, von der seine ganze Zukunft abhängt". Da komme es auf "unparteiisches Auftreten" an und darauf, "seine ganze Kraft dem Amt zu widmen und mit den hiesigen Verhältnissen vertraut zu sein".
Wichtig sei die "Rednergabe", um "der hohen Obrigkeit gegenüber die Würde eines Bürgermeisters zu repräsentieren". Doch müsse er auch bestrebt sein, "den Wünschen der arbeitenden Klasse nach Kräften gerecht zu werden". Diese Fähigkeiten sahen sie bei Rösch, bereits von 1867 bis 1874 Bürgermeister, der danach nach Colmar gegangen, dort geschäftlich gescheitert und nun zurückgekehrt war.
Auch persönliche Attacken bleiben nicht aus
"Liberale Bürger", schlugen Jakob Trautwein vor, "einen gutgesinnten ruhigen Volksmann". Sein Vater war "Engel"-Wirt Christian Trautwein, er selber bis 1876 "Schüttewirt" in Wolfach. Dann übernahm er die Schiltacher Kirchensäge, die seitdem Schüttesäge heißt. Er nannte sich Sägmühlebesitzer und Holzhändler.
Wen seine "gutgesinnten" Unterstützer nicht wollten, verkündeten sie ebenfalls: "Nur keinen großartigen Großkopf." Damit meinten sie Christoph Trautwein, Schiffer und Seniorchef der bedeutenden Holzhandelsfirma Gebrüder Trautwein. Er hatte kommunalpolitische Erfahrung im Bürgerausschuss und Gemeinderat, jetzt kandidierte er im Alter von 65 Jahren als Bürgermeister, bereit, die Flößerei aufzugeben, da, wie er schrieb, "nichts mehr dabei herauskam".
"Viele Wähler" unterstützten ihn per Anzeige. Eine weitere hob darauf ab, dass die Situation "nicht glänzend ist". Deshalb sei "ein anderer Mann mit mehr Vertrauen und Charakter notwendig". Und: "Besser Flachs oder Hanf, nur kein Kauder." Das war das minderwertige Abwerg beim Spinnen, womit man auch einen "kauderigen", mürrischen Menschen meinte. Dies zielte wohl auf Wilhelm Rösch, der sich als früherer Bürgermeister nicht nur Freunde gemacht hatte, was die ihm zurückzahlten.
Auch damals ging es im Wahlkampf nicht ohne persönliche Attacken. Zur Wahl Ende Oktober 1883 erschienen 162 von 176 Berechtigten, das entspricht einer Wahlbeteiligung von 92 Prozent.
Gratulanten werden zum Freibier in die Wirtschaften geschickt
E s erhielten Christoph Trautwein 98 Stimmen, Wilhelm Rösch 55, Jakob Trautwein acht, eine Stimme war ungültig.
Der Wahlsieger schickte seine vielen Gratulanten zum Freibier in die Wirtschaften, "was einigen ziemliche Betrunkenheit brachte". Christoph Trautwein wurde zweimal, 1889 und 1895, wiedergewählt und amtierte, bis ihm der Tod das Heft aus der Hand nahm: am 30. September 1898, seinem 80. Geburtstag. Er war, so ein Nachruf, "für Schiltachs Wohl zu bedeutungsvollen Unternehmungen geschritten": 1893 mit der neuen Volksschule, 1898 mit der Wasserleitung aus Quellen im Tiefenbächle. 1886 bekam Schiltach den Anschluss an die Kinzigtalbahn und 1892 die Bahn nach Schramberg.
Bürgermeister Christoph Trautwein war wegen "seines sonnigen Humors" im ganzen Kinzigtal bekannt und genoss hohes Ansehen. An seinem Grab hieß es, dass er "ein Stück von Schiltachs Geschichte" war und "ein ganzer Charakter".