Auch in Schiltach ist der Antisemitismus während der Nazizeit zu spüren. Fotos: Stadtarchiv Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Reichspogromnacht jährt sich zum 80. Mal / Händler werden diffamiert und schlechter gestellt

Am 9. November 1938, vor 80 Jahren, haben in NS-Deutschland die Synagogen gebrannt. Nachdem die Juden zuvor schon jahrelang Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren hatten, steigerte sich die Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten.

Schiltach. In Schiltach und Lehengericht lebten 1938 keine Juden. Doch die antisemitische Hetze zeigte sich auch hier, vor allem bei den Märkten, die bis heute als Schiltachs Höhepunkte im wirtschaftlichen und kulturellen Leben der Stadt gelten.

In Schiltach sollten die jüdischen Händler bereits frühzeitig ausgegrenzt werden. So beschloss der Gemeinderat am 30. Mai 1933, Juden zu den Märkten nicht mehr zuzulassen. Offensichtlich war den Räten dabei aber zugleich bewusst, dass nach diesem Ausschluss die bisherige Angebotsvielfalt nicht mehr erhalten bleibe. Sie verbanden dieses Verbot daher mit der Aufforderung an die "heimischen Gewerbetreibenden", sich stärker als bisher auf den Märkten zu beteiligen.

Bild einer gemäßigten Politik sollte auch weiterhin nach außen gewahrt werden

Diese Entscheidung entsprang offensichtlich vorauseilenden Gehorsams. Am 16. August 1933 teilte jedoch das Innenministerium mit, solche Marktverbote widersprächen der Messe- und Marktfreiheit. Darüber hinaus hieß es, es drohe die Störung außenpolitischer Beziehungen. Obwohl Geschäfte jüdischer Inhaber boykottiert und zerstört wurden – das Bild einer gemäßigten Politik sollte nach außen gewahrt werden.

Jüdische Händler durften weiterhin in Schiltach verkaufen. Doch wurden sie diffamiert. Zu einem umfassenden Verwaltungsvorgang wurde der Vorwurf eines Mannheimer Händlers 1936, er habe nur einen schlechten Standplatz erhalten, während "Ostjuden" – der Begriff sollte die angebliche Fremdheit der Juden verstärken – an den bevorzugten Stellen verkaufen dürften.

Offenbar hatte Marktmeister Wild den seit Jahren hier verkaufenden Händlern ihre angestammten Plätze zugeteilt. Bürgermeister Gross mahnte daraufhin, "dass eine Bevorzugung von Juden, wenn auch wie im letzten Fall ungewollt, unterbleiben muss".

Schiltachs Verwaltungsspitze vermied jeden Verdacht einer ihm vorgeworfenen Bevorzugung jüdischer Händler und erinnerte zusätzlich an das gescheiterte Verkaufsverbot.

Jahrelange Verbreitung antisemitischer Beschuldigungen zeigt Wirkung

Juden erhielten nur noch die schlechtesten Plätze. Der Antisemitismus diente auch als Mittel zur Ausschaltung unliebsamer Konkurrenz.

1938 unterstützte ein Schiltacher Gemeinderat Vorwürfe gegen die Vergabe eines Platzes an eine Händlerin aus Hecklingen bei Kenzingen. Er trumpfte auf, die Frau "sei eine geborene Rothschild und jüdischer Abstammung". Die Verschwörungstheorie, die berühmte Familie Rothschild beherrsche den Weltmarkt im Interesse einer jüdischen Wirtschaftskontrolle, sollte sich offenbar nun gar auf einem Schiltacher Markt zeigen.

Die jahrelange Verbreitung antisemitischer Beschuldigungen zeigte ihre Wirkung. Die Verwaltungsmaschinerie setzte sich nun in Gang. Der gesuchte Abstammungsnachweis der Frau erbrachte aber, dass die 76 Jahre alte Frau nach damaliger Rassengesetzgebung "arisch" war.

Nach dem 9. November 1938 scheint dann mit jüdischen Händlern auf den Märkten Schluss gewesen sein. Am 30. Januar 1939 sollte Adolf Hitler ganz offen die Vernichtung alles jüdischen Lebens ankündigen.