Heimatgeschichte: Kriegserlebnisse von Wilhelm Schillinger aus dem Jahr 1917 / Erschütternde Erlebnisse

Als Wilhelm Schillinger aus dem ersten Weltkrieg zurückkehrte, schrieb er seine Erlebnisse in dem privaten Buch "Meine Kriegserlebnisse" nieder. Damit begann er vor genau hundert Jahren.

Schiltach. Er wollte darüber schreiben, wie er sich als 18-jähriger Soldat bei seiner Einziehung 1917 fühlte, den Krieg erlebte und zwei Jahre später verändert heimkehrte.

Schillinger war Schuhmacher in Schiltach, heiratete 1929 seine Frau Anna Langenbacher und lebte mit ihr in deren Häuschen in der Mühlegasse 10. Seine Aufschriebe beendete er 1925.

Letztendlich umfassen sie nur die ersten vier Monate seines Dienstes, sie eignen sich jedoch gut, um die Mentalität eines jungen Soldaten im ersten Weltkrieg zu beschreiben.

Die Meldung über die Kriegserklärung des deutschen Kaiserreichs an Russland erhielt der junge Wilhelm 1914 von seiner Mutter. Im Nachhinein konnte er seine Gefühle darüber nicht treffend beschreiben, war sich aber sicher, dass die Freude die Angst überwog.

Vor allem Kälte und schlechtes Essen

Im Januar 1917 verabschiedete er sich von seinen Eltern und trat seinen Dienst in der Telegrafenkaserne in Karlsruhe an und war somit der Nachrichtentruppe zugewiesen. Von dort sind ihm vor allem Kälte und schlechtes Essen in Erinnerung geblieben.

"Handschuhe bekamen wir keine und mir waren die Arme bis an den Ellenbogen ganz steif gefroren; auch die Füße fingen an fortzugehen. […] Das Essen war sehr schlecht, zum Sterben zuviel und zum Leben zuwenig."

Statt von einer starken Kameradschaft zwischen den Soldaten, berichtet Schillinger von Selbstsüchtigkeit und Egoismus. Wer hilfsbereit war und sich nicht an erster Stelle setzte, wurde ausgenutzt.

Nach nur zwei Monaten kam der Befehl zum Ausrücken. Am Karlsruher Bahnhof wurden die Soldaten vom Großherzog von Baden verabschiedet – eine große Ehre, wie der Kommandeur der Fernsprechabteilung betonte. Gerührt von diesem Zusammentreffen, versprach Schillinger, seine Pflicht als Soldat zu erfüllen.

Die Division war in dem Dorf Lécluse im Norden Frankreichs nahe der belgischen Grenze stationiert. Dort war er in seinem Handwerk als Schuhmacher tätig und half nebenbei dem Koch aus. Sich selbst beschreibt er als "Sündenbock" und "Mädchen für Alles", den stets den Ärger traf, wenn etwas fehlte.

Vor allem beschwert sich der Schuster über fehlendes Leder für seine Arbeit. Er musste in der Materialsuche kreativ werden und dennoch standen die Soldaten erneut kurz darauf mit kaputten Schuhen vor seiner Tür: "Armes Vaterland oder vielmehr: lottrige Vorgesetzte. Nicht mal das Nötigste schaffen sie her."

Schillingers Hauptaufgabe war jedoch, Telegrafenleitungen zu verlegen oder abzubauen. Dabei konnte er in der Ferne Schüsse hören und Einschläge sehen. "Die Salven klingelten mir in den Ohren, und so wurde mir die Geschichte ein bißchen unheimlich und gefährlich."

Er beobachtete auch eines Tages voller Erstaunen, wie ein deutscher Pilot ein britisches Flugzeug abschoss. Der Pilot landete daraufhin, ließ sich beglückwünschen und hob wieder in die Lüfte ab. Als wenige Zeit später die Situation umgekehrt war, ein deutsches Flugzeug abgeschossen wurde und dadurch ein Soldat starb, "ging der Vorgang [ihm] tief ins Gemüt".

Das letzte Ereignis, welches Schillinger rekapituliert, war sein Auftrag nachts, im Regen und unter Beschuss eine Leitung zu verlegen. Diese Aufzeichnung hatte er 1920 begonnen, setzte sie aber erst fünf Jahre später fort. "Wir schimpften, daß es in der sogenannten zivilisierten Welt möglich sei, daß sich die Menschheit so zerfleische. Ich war zum ersten Mal Pazifist!"