In dieses Gewässer stürzten der Angeklagte und das Opfer beim nächtlichen Gerangel nach der Feier. Foto: Wegner Foto: Schwarzwälder Bote

Gericht: Messerangriff wird heute verhandelt / Eingeschränkte Schuldfähigkeit?

Schiltach/Schramberg. Mit weiteren Vernehmungen, darunter der Notärztin, geht am Mittwoch die öffentliche Hauptverhandlung gegen einen 34-Jährigen weiter, der im Juli nach einem Grillfest im Schiltacher Tiefenbach mit dem Messer einen 51-jährigen Mitfeiernden schwer verletzt hatte.

Abgesehen von einem kleineren Disput am Nachmittag dieses verregneten Samstags im Jahr 2016, bei dem es um die Frage ging, inwieweit der Freund der Nichte der feiernden Person hätte helfen sollen, Taschen zu tragen, sei es ein harmonisches Fest gewesen, schilderten alle Zeugen am ersten Tag der Verhandlung den Verlauf des Fests.

Allerdings habe trotz Juli das Wetter nicht so mitgemacht, wie man gehofft hatte – und so konnte nicht, wie gedacht, der Grillplatz genutzt werden, sondern mussten die Festgäste in die unweit stehende Schutzhütte umziehen.

Und da es auch nicht ganz so warm war wie erhofft, wärmten sich die Beteiligten innerlich – mit Wodka. Wohl mit "etwas zu viel Wodka", wie die Mutter des Angeklagten vor Gericht einräumte, und gegen die Kälte habe es auch nicht geholfen, stellte sie in der Befragung durch den Vorsitzenden Richter Karlheinz Münzer fest. Dennoch hätten "die Männer schon gebechert", auch sie habe Wodka getrunken und sei auf der Heimfahrt, bei der es schließlich zu der Auseinandersetzung gekommen sei, eingeschlafen gewesen.

Verhältnis zum Stiefvater sei nie schlecht gewesen

Nachdem das Opfer, so hatte der Hauptermittler der Kripo ausgesagt, sich lange nicht habe erklären können, warum der Sohn der befreundeten Familie auf ihn eingestochen habe, ihm gedroht habe, die Kehle durchzuschneiden und erst abgelassen habe, als er gesagt habe, "Ich habe zwei Kinder, du hast zwei Kinder", habe er sich später gedacht, er sei verwechselt worden. Möglicherweise habe der Messerangriff eigentlich gar nicht ihm, sondern dem Stiefvater des Angeklagten gegolten, mutmaßte der 51-Jährige.

Aufgrund dieser Vermutung hatte der Richter schon bei der Vernehmung des Angeklagten großen Wert auf das familiäre Geschehen seit der frühesten Kindheit des heute 34-Jährigen gelegt und dies genauestens nachgefragt. Wenige Monate alt, hatte sich dessen Mutter scheiden lassen und später wieder geheiratet.

Das Verhältnis zu seinem Stiefvater sei aber nie schlecht gewesen, sagte er aus. Allerdings sei es in seiner Heimat so gewesen, dass der Vater gearbeitet und die Mutter sich zuhause um die Kinder gekümmert habe. Und da der Stiefvater, gelernter Kartograf, als Lastwagenfahrer tätig gewesen sei, habe er ihn auch nicht oft gesehen – aber gelegentlich hätte er dann auch schon seine Hausaufgaben kontrolliert, räumte er ein.

Mit 17 war der Angeklagte dann nach Deutschland gekommen – weil die Mutter das kurzfristig so entschieden habe. Hier habe er keine Freunde gehabt und nur schwer Anschluss gefunden. In seiner Jugend habe er nur einmal Alkohol getrunken, als er seine Berufsausbildung bestanden habe. In Deutschland sei dies später fast jedes Wochenende so gewesen. Er habe auch keinen Sport mehr getrieben, in seiner Heimat habe er aktiv Volleyball gespielt – und als Sportler eben auch keinen Alkohol getrunken.

Da sein Berufsabschluss hier nicht anerkannt worden sei, habe er zunächst das Berufsvorbereitungsjahr und anschließend ein Jahr die Metallfachklasse der Berufsschule besucht. Dazwischen und danach habe er bei verschiedenen Firmen als Leih- und später als fest angestellter Maschinenbediener gearbeitet.

Mittlerweile habe er seit einigen Jahren eine neue Anstellung und sei sehr zufrieden. Dies, bestätigte Richter Münzer, bescheinige ihm auch das Unternehmen.

Diese Arbeit sei ihm auch wichtig, nicht nur um Geld zu verdienen. Allerdings benötige er dies auch, weil er nicht nur Schulden von rund 17 000 Euro für seinen Hausstand habe, sondern auch an den Arbeitgeber des Geschädigten monatlich Geld für dessen Verdienstausfall bezahlen müsse. Darüber hinaus wartet auch die Krankenkasse auf den Ausgang des Strafprozesses; hier stehen weitere 45 000 Euro Behandlungskosten für den 51-Jährigen im Raum.

Zu klären gilt es bei der Verhandlung auch, inwieweit der Angeklagte durch Alkohol in seiner Schuldfähigkeit eingeschränkt ist, ob, wie er vorbrachte, möglicherweise Notwehr geltend gemacht werden kann. Neben weiteren Zeugen werden deswegen auch medizinische und psychologische Sachverständige noch eine Stellungnahme abgeben.