Die Flößerei hat in Schiltach eine lange Tradition.Foto: Privat Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Thomas Kipp über den Beitrag des Schiltacher Vereins / Bild- und Filmmaterial aus dem Kinzigtal im Bewerbungsfilm dabei

Schiltach. Die Kulturministerkonferenz der Länder und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien haben am 13. März 2020 bestätigt, dass sie die Nominierung der Flößerei als Kulturform für die weltweiten Unesco-Listen des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit unterstützen. Das Expertenkomitee für Immaterielles Kulturerbe der Deutschen Unesco-Kommission hatte diesen Schritt empfohlen. Voraussetzung für die Aufnahme in die internationalen Unesco-Listen ist, dass die Kulturformen in nationalen Verzeichnissen des Immateriellen Kulturerbes gelistet sind. Für die Flößerei in Deutschland ist dies seit 2014 der Fall. Wir haben Floßmeister Thomas Kipp von den Schiltacher Flößern dazu Fragen gestellt.

Herr Kipp, die Flößerei in Deutschland wurde 2014 in das deutsche bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes eingetragen. In welcher Form waren die Schiltacher Flößer daran beteiligt, dass dieses Ziel erreicht wurde?

Durch meine langjährige Mitgliedschaft in der Deutschen Flößereivereinigung und den guten Kontakt zum damaligen Vorsitzenden Hans-Walter Keweloh, der die Anerkennung maßgeblich für die Deutsche Flößereivereinigung vorangetrieben hat, war ich immer gut informiert und konnte so auch die Besonderheiten der Flößerei im Kinzigtal mit einbringen, zum Beispiel über Bilder, Filme und Berichte.

Was bedeutet diese nationale Anerkennung beziehungsweise Eintragung für die Flößerei in Deutschland?

Durch die Anerkennung hat das Wissen um die Flößerei einen öffentlichen Stellenwert erfahren. Dies könnte zum Beispiel helfen bei der Beantragung von Fördermitteln für die Erhaltung der Flößerei oder Museen. Vielleicht auch bei der Auseinandersetzung mit den Behörden, wenn es um die praktische Flößerei an den Gewässern geht.

Die stärkere Wahrnehmung der Flößerei hat außerdem die Bedeutung des Holzes und seiner Bringung per Floß mehr in das Bewusstsein der Politik und der Öffentlichkeit gebracht. Auch die Wahrnehmung durch die Medien ist größer geworden, die Deutsche Flößerei-Vereinigung und die Vereine erhalten mehr Aufmerksamkeit.

Können Sie das konkretisieren?

So fragt zum Beispiel das Deutsches Archäologisches Institut in Berlin wegen möglicher Formen der Holzbringung beim Bau des Palatin in Rom an. Und der Hinweis auf die Holzbringung per Floß in der Vergangenheit gehört heute zum Standard der Ausbildung für Denkmalpfleger. Da gilt auch für touristische Vermarkter.

Jetzt geht es eine Ebene weiter, um die Nominierung der Flößerei als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit. Wo muss das beantragt werden, wer ent scheidet darüber?

Die offizielle Bewerbung wird am Sitz der Unesco in Paris eingereicht. Die Deutsche Unesco-Kommission in Bonn übernimmt die Weiterleitung auf dem "Dienstweg" (Kulturministerkonferenz, Auswärtiges Amt) an die deutsche Vertretung bei der Unesco in Paris. Die Koordinierung der Aufgaben hat das polnische Kulturministerium übernommen, der Prozess der Antragsbearbeitung wird aktiv von den Unesco-Kommissionen der beteiligten Länder begleitet. Ziel ist die Einreichung bis zum 31. März 2021. Die Entscheidung darüber trifft die Vollversammlung der Mitglieder der Unesco Kommission.

Was würde eine solche Einstufung für die Flößerei bedeuten?

Eine weiter gesteigerte Wahrnehmung und positive Darstellung in der Öffentlichkeit, weitere Stärkung der Wahrnehmung der Denkmalpflege; auch Erhaltung der Denkmäler (Beispielsweise Wehre, Wasserstuben, alte Riesen). Außerdem die Beachtung der Flößerei als die herausragende Möglichkeit der Holzbringung in der Vergangenheit in der Ausbildung in den Fächern Geschichte, Forstwissenschaft, Kunstgeschichte  und Archäologie.

Und für die Flößervereine?

Einer Stärkung der Zusammenarbeit unter Flößern über die Grenzen Deutschlands hinaus und mehr Möglichkeiten der Vereine, durch die positive öffentliche Wahrnehmung und Anerkennung neue Mitglieder zu gewinnen.

Dann auch noch mehr Gewicht bei den Behörden, wenn es um die Abwägung konkurrierender Interessen an den Gewässern geht, zum Beispiel in Bezug auf Floßbau, Floßfahrten, Gewässerbenutzung, Jahreszeitliche Einschränkungen wegen Fischerei und mehr.

Wie ist das Bewerbungsverfahren und wie ist der Stand der Bewerbung?

Eine multinationale Arbeitsgruppe mit Flößerei-Vereinen aus Deutschland, Tschechien, Österreich, Polen, Lettland und Spanien arbeitet seit fast zwei Jahren am entsprechenden Antrag. Gefordert sind vor allem die Nachweise, wie das immaterielle Kulturerbe Flößerei als lebendiges Handwerk weiterentwickelt und an die nächsten Generationen weitergegeben wird. Ebenso ist zu erläutern, was in den Vereinen für eine Identität stiftende breite Öffentlichkeitsarbeit getan wird. Außerdem, welche Erhaltungsmaßnahmen zur Sicherung dieses Erbes durch Vereine, lokale Behörden und staatliche Stellen praktiziert werden. Bis März 2021 können die Antragsunterlagen vervollständigt, beziehungsweise mit ausdrucksstarken Fotos und einem eindrucksvollen Video ergänzt werden. Im September will die polnische Vertreterin den Bewerbungstext der Länder zur endgültigen Abstimmung unter den beteiligten Ländern vorlegen, im kommenden Jahr sollen die Bewerbungsunterlagen eingereicht werden.

Welche Rolle spielen dabei die Schiltacher Flößer?

Wir haben umfangreiches Bild- und Filmmaterial über die Flößerei im Kinzigtal für den Bewerbungsfilm geliefert, außerdem habe ich am Bewerbungsschreiben mitgearbeitet und beim Internationalen Flößertreffen in Kärnten 2019 ein Interview gegeben, das in den Unesco-Bewerbungsfilm eingearbeitet werden soll.

Was für Ziele verfolgen Sie, beziehungsweise die Schiltacher Flößer, im Zusammenhang mit einer weiteren Anerkennung?

Neben den Schiltacher Flößern gibt es auch noch die Arbeitsgemeinschaft "Erhaltung Kinzigflößerei" (AEK). Unser Ziel ist es, ungehindert die Tradition der über Jahrhunderte betriebenen und bedeutsamen Flößerei im Kinzigtal sowohl in der Praxis (Floßbau und Floßfahrten, Holzbringung) als auch in der Theorie (Museum, Öffentlichkeitsarbeit) weiter zu erforschen, zu erhalten und mit interessierten Bürgern und vor allem auch jüngeren Menschen in die Zukunft zu führen.  Die Fragen stellte Johannes Fritsche