Ein Blick vom Spittelsteg in die Schramberger Straße, um 1905. Vorlage: Harter Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimatgeschichte: "Brotwürst, Brotwürst git’s…" – Leute in der Schramberger Straße / Enge Nachbarschaft

Mit Arztpaxis, Apotheke, Lebensmittelgeschäft, Bäckerei, "Brücke" und Dönerladen ist die Schramberger Straße eine der gewerblich "stärksten" Straßen in Schiltach. Früher war sie noch viel belebter, wie sich Hans Wöhrle erinnert, der in den 1930er-Jahren dort aufwuchs.

Schiltach. Zwischen Stadtbrücke und Stälin’schem Eisenmagazin stand damals eine große Kastanie, wo "die Biberacherin" Obst anbot. Im früheren Stall des "Engel" reparierte der Mechaniker Baumgartner Fahrräder, seine Frau strickte und schaukelte die Zwillinge.

Dem wachsenden Autoverkehr dienten drei Zapfsäulen: beim Eisenmagazin, bei der Drogerie Waidelich und an der Kurve bei Scharpfeneckers. Ihr Dach reizte in einer Nacht zum 1. Mai einige Burschen, die einen Wagen darauf hievten und mit Mist beluden.

Bruckwirts Christel betrieb eine Küferei. Davor standen die Fassdauben, in der Mitte war ein Feuer, und mit viel Hämmern wurden die Eisenringe aufgezogen. Hatte man solche Dauben ergattert, kamen Lederriemen drauf und es waren Skier.

Beim Schneider Möhrle saßen die Gesellen auf dem Tisch und nähten. Der Schuhmacher Summ hielt Bienen am Schlossberg. Wenn er dort war, passten die Nachbarskinder auf, ob Kundschaft kam, wofür sie Honig schlecken durften.

Bei der Spittelbruck stand ein Häusle, oben schaute die weißhaarige Stricker-Bühlerin heraus, unten gab’s Woll- und Kurzwaren, später Lebensmittel bei der Frau Münich, die die Kinder aus einer großen "Gutselebüchs" beschenkte. Im Bach stand der alte Sautter in Flößerstiefeln und fischte mit der "Wad", einem Netz an zwei Stöcken.

Sonntags wanderten die Schramberger in Scharen nach Schiltach

Der Häfner Gutjahr träumte immer von seinem "Sachsen, wo die schönen Mädchen auf den Bäumen wachsen". Die Häfnerhütte war an den Gärten, daneben das Schlachthaus und die öffentliche Waschküche.

Der Bühlerbeck hatte in der Backstube ein Radio. Als 1934 der Reichspräsident starb, war eine Gedenkminute, und bei Gongschlag "sind wir eine Minute stramm gestanden".

Gottlieb und Otto Hauser bauten in ihrer Blechnerwerkstatt einen Bob, auf dem die Buben den Kirchberg hinabsausen durften. Das "Aberle" hatte einen Biergarten mit alten Kastanien. Dort wurden auch die Fahrkarten fürs Bähnle nach Schramberg verkauft.

Sonntags wanderten Schramberger in Scharen von Aichhalden oder dem Kienbronn nach Schiltach, kehrten ein und fuhren erst mit dem letzten Zug wieder heim. Montags kamen die Buben und sammelten die Zigarettenschachteln mit den begehrten Bildchen. In der NS-Zeit gab es Kino, und da die Jugend dafür kein Geld hatte, schlich sie sich von hinten an und sah die Filme von der Rückseite der Leinwand – seitenverkehrt.

Stadtpolizist mit dem Übernamen "General Senkrecht"

Danach kamen die Häuser von Seiler Mast, Maurer Fremd, Maler Bühler, Schuhmacher Wöhrle und die Zimmerei Hofer-Bühler. Fritz Arnold war Stadtpolizist und Ausscheller, mit dem Spitznamen "General Senkrecht".

Scharpfeneckers (an der Kurve) führten Obst, Gemüse und eine Mosterei. Nebenan betrieb Frau Beeh eine Realschule mit Internat. Dort gingen Kinder der Geschäftsleute hin, die das Schulgeld zahlen konnten. Neben der "Himmelsleiter" befand sich die Turnhalle, wo am Barren, Reck und den Ringen geübt wurde. Im Steinbruch daneben stellten die Maler und Gipser ihre Gerüststangen auf.

Die enge Nachbarschaft führte auch zu Streit, so der Summs mit den Arnolds wegen des Gässle zwischen ihnen. Da rief Summ-Sohn Konrad die Kinder zusammen, verteilte Gutsele und brachte ihnen die Verse bei: "Brotwürst, Brotwürst git’s in’s Eugen-Arnolds-Gässle – in der Dohle, in der Dohle!" Damit zogen sie vor Arnolds Haus, Konrad dirigierte, und "wir schrien uns heißer". Ob der Spott aus Kindermund die Nachbarn versöhnte, sei dahingestellt.