Sophie und Wilhelm Bahr bei ihrer Diamantenen Hochzeit, Oberreichenbächle, 1981Foto: Berrai Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Goldene und Diamantene Hochzeiten früher selten / Zehn Jubelpaare im Jahr 1971

Hochzeitsjubiläen als Rückbesinnung hat es vergangenes Jahr in Schiltach – öffentlich meist unbemerkt – zwölf Goldene und acht Diamantene Hochzeiten gegeben. Früher wurden sie als "seltenes Fest" bezeichnet, "das wenigen Jubelpaaren vergönnt ist".

Schiltach. Entsprechend wurde gefeiert, mit Hochzeitszug durchs Städtle, Einsegnung und Feier, zu der "alle Verwandten, Bekannten und Freunde" geladen waren. Für Lehengerichter war der Kirchgang in Tracht selbstverständlich. Zugleich erschienen Artikel, die "Freud und Leid" der Eheleute schilderten. Sie sind Fundgruben an Informationen über die damaligen sozialen Verhältnisse.

1971 feierten in Schiltach und Umgebung zehn Paare die Goldene Hochzeit, was für 1921 auf einen Heiratsrekord schließen lässt. Grund war der Nachholbedarf durch den Ersten Weltkrieg: Die ledigen Männer wurde an die Front geholt, die Frauen blieben in der Heimat zurück.

So waren die Ehemänner von 1921 alle im Krieg: Andreas Faißt volle vier Jahre, Gottlieb Wöhrle musste 1916 vom Ramsel an die Front, Anton Harter zur Marine. Florentin Schillinger, vor Leubach, ließ ein Bein in Frankreich, Wilhelm Dieterle aus Schenkenzell geriet in Gefangenschaft. Geboren wurden sie in den 1890er-Jahren, bei der Heirat waren sie durchschnittlich 27 Jahre alt.

Nach der Volksschule war Arbeiten angesagt: Gottlieb Wöhrle auf dem elterlichen Hof, Florentin Schillinger auf anderen Höfen, Wilhelm Dieterle im Wald, Wilhelm Bahr als Säger bei Heinzelmann, Andreas Faißt als Weber bei Karlin.

Die Frauen waren bei der Heirat etwa 25. Schon in der Schulzeit arbeiteten manche halbtags in "besseren Häusern", für ein Vesper und monatlich zwei Mark. Christine Bühler, verheiratet Harter, kam mit neun Jahren auf einen Hof im Sulzbächle, Sofie Wöhrle, verheiratet Bahr, musste daheim im Oberreichenbächle helfen. Die Arbeit "bei den Bauern", in Haushalten oder "fremden Diensten" blieb ihnen nach der Schulentlassung, von einer Berufsausbildung ist nicht die Rede. Nur Käthe Haas, verheiratet Geßner, schaffte es auswärts in ein Büro.

Nach der Heirat wurden die Frauen Mütter, vier oder fünf Kinder waren die Regel. Für Berta Faißt war es die zweite Ehe, ihr erster Mann Christian Arnold fiel 1915 in Russland. Florentin Schillinger starben zwei Frauen, bevor er 1920 Johanna Armbruster aus Oberwolfach ehelichte, die sich seiner beiden Kinder annahm. In der Regel "zog die Mutter die Kinder auf und versah den Haushalt". Auf den Höfen mussten die Frauen auch Bäuerinnen sein, so Dorothea Wöhrle auf dem Ramselhof, den sie mit ihrem Mann "hegte, pflegte und ausbaute".

Berta Faißt arbeitete 38 Jahre als Weberin bei Karlin, während Käthe Geßner mit ihrem Mann ein Schreibwarengeschäft mit Druckerei am Marktplatz führte. Aufstiegschancen gab es wenig: Wilhelm Wagner in Lehengericht brachte es zum Obersäger, Florentin Schillinger konnte zu seiner Arbeit auf der Dampfsäge den Lindenhof pachten, der Waldarbeiter Wilhelm Dieterle wurde in Fürstenberger Diensten Revierförster.

Ein Teil der Männer engagierte sich im öffentlichen Leben: Anton Harter gründete 1924 die "Naturfreunde" und wurde ihr langjähriger Vorstand. Andreas Faißt war bei der Stadt- und Feuerwehrkapelle, im Arbeiterunterstützungs- und im Kraftsportverein, Carl Geßner Vorsitzender des Gewerbevereins. Gottlieb Wöhrle gehörte von 1933 bis 1947 dem evangelischen Kirchengemeinderat an, und man war "dem Ramsler" zeitlebens dankbar, dass er in schlechter Zeit zwölf Jahre lang die Schiltacher Tag für Tag mit Milch belieferte.

Einige Paare berichteten auch, wie sie sich kennenlernten: Sofie Wöhrle und Wilhelm Bahr 1919 im Pflug, wo sie "im Dienst" war. Johann Wöhrle und Elisabeth Bühler, "s‘Molers Elis", in der Schrambergerstraße, wo sie immer am Fenster stand, wenn er frühmorgens in die Schlossmühle ging. Ein ungenanntes Paar erzählt: Sie, "Mädchen" in einer Bäckerei, schickte ihren kleinen Bruder zu dem adretten jungen Herrn H., mit einer Butterbrezel und "einem schönen Gruß vom Fräulein L." Jene Brezel mundet beiden nun seit mehr als 50 Jahren.

Den Festzug zur Diamantenen Hochzeit 1964 von Georg Fieser, Gipsermeister, und seiner Frau, Bachstraße, zeigt ein Film auf der Homepage der Stadt Schiltach in der Rubrik "Zeitzeugen".