Günther Bentele (links) und Wolfgang Tuffentsammer unterhielten die Besucher bestens. Foto: Anton Foto: Schwarzwälder Bote

Literatur: Viel Augenzwinkerndes zu Mark Twain mit den Literaturexperten / Reisen durch Europa

Wer war Samuel Langhorne Clemens, besser bekannt unter seinem Pseudonym Mark Twain? Dieser Frage gingen die Literaturexperten Günther Bentele aus Bietigheim und Wolfgang Tuffentsammer beim literarischen Gespräch im "Treffpunkt" in Schiltach nach.

Schiltach/Schenkenzell. Eingeladen hatten der Historische Verein Schiltach/Schenkenzell und die Volkshochschule. Wie erwartet konnte der Vorsitzende des Historischen Vereins, Markus Armbruster, ein volles Haus begrüßen, denn die Fans des literarischen Duos freuten sich nach einem Jahr, Zuhörer eines informativen und mit humorvollen Zitaten und Anekdoten gespickten Gesprächs zu sein, bei dem die Kenner sich gegenseitig beinahe den Rang abliefen, ihren randvoll gefüllten Wissensschatz mit den Zuhörern zu teilen.

Jeder bisher vorgestellte Autor hatte einen Bezug zur Region. Dass Mark Twain in Heidelberg war, auf einem Floß neckarabwärts fuhr und in Baden-Baden das "Gerippe" eines Schwarzwald-Romans entwarf, war Beweis genug, dass mit ihm die richtige Wahl getroffen worden war. Bentele rückte mit zwei Anekdoten die Schlagfertigkeit des Autors in den Fokus. Die Markenzeichen seiner Erscheinung waren (im Alter) weiße Haare, weißer Bart, weißer Anzug und rote Socken. Seine Lehre als Schriftsetzer brachte ihn in Verbindung mit Zeitungen und regte ihn dazu an, anfangs für die Zeitung seines Bruders Artikel und Reiseberichte zu schreiben.

Lotse auf dem Mississippi

Den Beruf eines Lotsen auf dem Mississippi, den er zusätzlich erlernte und ausübte, hätte er vielleicht noch lange ausgeübt und damit seine Karriere als Schriftsteller "verpasst", wäre nicht die Mississippi-Schifffahrt durch den Sezessionskrieg zum Erliegen gekommen. Die Geburtsstunde des Autors Mark Twain (der Name kommt aus der Schifffahrt und bedeutet: zwei Faden) kam erst mit 30 Jahren, nachdem der Autor seine Kurzgeschichten nur noch unter diesem Pseudonym veröffentlichte. Die meisten deutschen Leser kennen, wie Bentele erwähnte, hauptsächlich seine Abenteuerbücher "Tom Sawyer" und "Huckleberry Finn" und sehen in ihm daher einen Jugendbuchautor. Doch sah Bentele in "Huckleberry Finn" keineswegs ein reines Jugendbuch. Vielmehr findet er in dem in der Ich-Form geschriebenen Werk einen Roman in der Tradition des klassischen Bildungs- und Entwicklungsromans.

Ernest Hemingway habe in diesem Vater- oder Mutterroman der USA das Fundament der amerikanischen Literatur schlechthin gesehen. Twains besonderer Humor, erst die Wirkung, dann die Ursache zu beschreiben, kam in der Kurzgeschichte "Wie ich eine landwirtschaftliche Zeitung herausgab" meisterhaft zum Vorschein und löste viel Gelächter aus.

Während Bentele den "amerikanischen" Mark Twain unter die Lupe nahm, befasste sich sein Gesprächspartner Pfarrer i.R. Tuffentsammer mit dem Mark Twain in Süddeutschland. Angekommen in Heidelberg, habe er dort Zeichenunterricht genommen und vorwiegend Schlachtszenen und Schiffsbrücken gemalt. Als ehemaliger Lotse hätten ihn die Floße auf dem Neckar besonders interessiert und er habe sich in die Steuerarbeit der Flößer an den schmalen Windungen hineinversetzen können.

So wie er Deutschland im Sommer für den Gipfel der Schönheit hielt, pries er den Genuss einer Floßfahrt: sanft und geräuschlos im Gegensatz zur betäubenden Eisenbahn-Raserei und dem Staub der Postkutschen. Wahrheit oder Erfindung – der Wunsch des Europareisenden, dass einmal ein Schiff an einem Brückenpfeiler zerschellt und kentert, wird, wie der Autor schildert, eines Tages erfüllt.

Unwahrscheinlicher Unfall

Ebenso beschreibt er, wie er als Teil der Besatzung einen Floßunfall erlebt habe – für den Experten eher unwahrscheinlich. Twains Humor konnte makaber sein, wie Tuffentsammer aufzeigte, so, als er in den Alpen Zeuge eines Beinahe-Sturzes eines Wanderers in den Abgrund wurde, der gerade noch durch das morsche Geländer aufgehalten wird und den Autor zu der bedauernden Bemerkung hinreißt, was er als Schriftsteller daraus hätte machen können.

Wieder am Mississippi, zog Bentele das Fazit, dass "Huckleberry Finn" die ganze Problematik der damaligen und heutigen USA widerspiegle. Im ganzen Roman sei der Protagonist der einzige Mensch, der sich einfühlen könne, wie es einem Sklaven ergehe. Hier das schlechte Gewissen, dass er einem "Nigger" zur Flucht verhilft, was in den Südstaaten als das schlimmste Verbrechen gelte und auch von der calvinistisch geprägten Kirche verurteilt werde, in seinem Innern aber der Wille nach Gerechtigkeit.

Zur Zerreißprobe kommt es, als er, schon bereit, den Flüchtling anzuzeigen, den Polizisten, die sein Schiff kontrollieren wollen, die Lüge vorsetzt, die Passagiere hätten Pocken und die Polizisten so von einer Kontrolle abhält.

Diese Vielschichtigkeit präge das Werk des Autors. Durch die zunehmend pessimistischen Erfahrungen sei ihm der Glaube an das Gute im Menschen verloren gegangen und er sei zur Feststellung gekommen, dass alle Völker auf alle anderen Völker, alle Weißen auf alle Farbigen herabschauten, alle Welt die Juden hasse. Seine Abneigung gegen Indianer, die er wie Tiere beschreibe, mache hier eine Ausnahme.

Die Strafe, die die tobende Menge an zwei Hochstaplern verübt, das schreckliche Teeren und Federn, von Twain im Roman "Huckleberry Finn" bis ins Detail geschildert, zeige den Autor als Sozialkritiker. Auf der einen Seite stehe das Menschliche, Einfühlsame, auf der anderen die Kritik. Obwohl er sich über die Schwächen der Menschen lustig mache, sei viel Liebevolles dabei.

Kein Multimillionär

Zu dem abenteuerlichen Leben Twains gehörte auch, dass er die Chance, in Nevada als Besitzer einer Goldmine Multimillionär zu werden, knapp verpasste, doch hätte dieser Gewinn der Welt einen der größten Autoren vorenthalten, wie Bentele meinte. Der Gewinn für die Welt war das historische Zeugnis zum Thema "Wilder Westen".

Zum Schmunzeln waren die Äußerungen des Schriftstellers über die "schreckliche" deutsche Sprache, die "wohl von einem Deppen erfunden" worden sei und jeglicher Logik entbehre. Bei einem Besuch der Mannheimer Oper habe er beim "King Lear" in deutscher Sprache außer Blitz und Donner, die zudem in umgekehrter Reihenfolge erfolgt seien, nichts verstanden.

Die calvinistische Lehre, dass der Brave vom Himmel belohnt und der Böse bestraft wird, habe Mark Twain umgeschrieben. Bentele folgerte: Der böse Knabe wird Präsident und heißt Trump.

Der Vorsitzende bedankte sich nach dem Applaus und das literarische Zweigespann verriet, dass das nächste Gespräch den jungen Schiller zum Thema habe.