Eine Postkarte aus den 1940er-Jahren weist auf das Insekt hin. Vorlage: Harter Foto: Schwarzwälder Bote

Historie: Schüler werden zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt / Sammlungen weiten sich auf andere Dinge aus

"Achtet auf den Kartoffelkäfer!" – unter diesem Stichwort haben im sogenannten Dritten Reich Sammelaktionen der Schulkinder stattgefunden.

Schiltach. Im Jahr 1940 wurden in vielen Gemeinden Tafeln "Achtet auf den Kartoffelkäfer!" angebracht. Da las man: "Der Kartoffelkäfer ist der schlimmste aller Kartoffelfeinde. Durch Kahlfraß verursacht derselbe Missernten und unübersehbare Schäden. Verdächtige Funde sind sofort anzuzeigen. Wer dies unterläßt, macht sich strafbar!"

Gegen diese Gefahr, von der es hieß, dass die Feinde des Ersten Weltkriegs sie durch gezielte Vermehrung verursacht hätten ("Franzosenkäfer"), wurde 1935 der "Kartoffelabwehrdienst des Reichsnährstandes" eingerichtet. Er verbreitete Slogans wie "Sei ein Kämpfer, sei kein Schläfer, acht’ auf den Kartoffelkäfer!"

Zugleich zogen Mitarbeiter zur Aufklärung übers Land. Im März 1939 kam Dr. Bender vom "Abwehrdienst Freiburg" nach Lehengericht und Schiltach. Er sprach über "die Gefährlichkeit dieses Schädlings" und seine "drohende Gefahr", da er im vorigen Jahr "begünstigt von West- und Südwestwinden die Grenze überflogen und sich bereits an 14 000 Stellen niedergelassen hat". Um ihm "sofort zu Leibe zu rücken", wurden "Suchdienste" organisiert, wofür man vor allem die Schulkinder heranzog.

Montags geht’s aufs Feld

So wurde im Juni 1939 verlautbart: "Die Schüler werden unter Aufsicht der Lehrer in regelmäßigen Zeitabständen die Kartoffelfelder absuchen." Vorgesehen war montags, der Unterricht fiel aus, den Grundstückseigentümern wurde befohlen, "sich an der Suche nach dem Kartoffelkäfer zu beteiligen". Zuvor waren die Felder mit Kalkarsen gespritzt worden, was Warnungen an die Schüler bedeutete, keine Beeren aus der Nähe der Kartoffelstauden zu verzehren.

Bei jedem Wetter mussten sie gruppenweise durch die Felder streifen und Staude um Staude untersuchen. Klagen wurden nicht erhört: "Die Jugend soll von früh auf mithelfen, wo es gilt, Schaden von der Gemeinschaft abzuwenden." Dafür winkte den Findern das "Kartoffelkäfer-Abzeichen" durch den Bürgermeister.

Der Senior Hans Wöhrle erinnert sich: "In der Schule wurde uns anhand von Schaubildern der Kartoffelkäfer anschaulich gemacht, da wir keine Ahnung von dessen Aussehen hatten. Jeder musste eine verschließbare Dose mitbringen, und im Fußmarsch ging es auf den Dornacker. Wir suchten die dortigen großen Felder ab und haben tatsächlich die ersten Käfer gefunden."

Auch Kräuter gesucht

In den Kriegsjahren gab es dann auch Sammlungen von "Heil- und Teekräutern", etwa für Lazarette und Apotheken. 1942 wird aus Schiltach berichtet: "In drei Arbeitsausflügen sammelte unsere Schuljugend 283,5 Kg Brombeerblätter und lieferte den Ertrag hierfür mit 56,70 RM ans Rote Kreuz ab.“ Die Zeitung sah dabei für die Schüler viel "persönlichen Gewinn": "Durch Höhenluft und Sonne wurden sie gesundheitlich gefördert. Das Frohgefühl, etwas für unsere Soldaten tun zu können, förderte ihren kameradschaftlichen Geist." So erlebte es auch Hans Wöhrle: "Mit Oberlehrer Ruckelshausen gingen wir, versehen mit einem Säckchen, in den Stadtgarten zur großen Linde. Wir Buben mussten hinaufklettern und die Lindenblüten ausbrechen, ebenso bei den Linden am Friedhof. Die Mädchen mussten entlang des alten Wegs am Bräuhaus Himbeer-, Brombeer- und Erdbeerblätter sammeln."

Mit steigender Kriegsdauer kamen immer mehr Sammlungen dazu, Knochen, Lumpen, Papier, Metalle, Schrott, bei ungebrochenem Sammeleifer der Schulkinder, denen gesagt wurde, dass sie auf diese Weise mit zum "Endsieg" verhelfen könnten. Wer wollte da an der Seite stehen?

Zugleich verabschiedeten sich die Schulen von ihren eigentlichen Aufgaben und dienten immer mehr der Kriegswirtschaft. Auch dies war im Sinne des Nationalsozialismus: Die Werte der "Volksgemeinschaft" wie "Bereitschaft zum Opfer" sowie "Einsatz für Reich und Führer" wurden bereits Kindern abgefordert.