Die Schiedsrichter Bernd Methe (l.) und Reiner Methe sind bei einem Unfall ums Leben gekommen. Foto: dapd

Schiedsrichter Holger Fleisch über den Tod von Bernd und Reiner Methe und Terminhatz im Handball.

Stuttgart - Der Unfalltod der Unparteiischen Bernd und Reiner Methe auf dem Weg zum Spiel nach Balingen hat den Handballsport in eine Schockstarre versetzt. Bundesliga-Schiedsrichter Holger Fleisch aus Ostfildern war mit den Zwillingen befreundet und klagt über die Terminhatz: "Die Belastung ist enorm hoch."

Herr Fleisch, wie haben Sie vom Unfalltod Ihrer Schiedsrichterkollegen erfahren?
Wir haben am Freitagabend das Bundesligaspiel Bergischer HC gegen TuS N-Lübbecke gepfiffen. Nach der Begegnung war ein junger Schiedsrichterkollege aus dem Anschlusskader sofort in unserer Kabine.

Er hat es Ihnen mitgeteilt?
Er war ziemlich verwirrt und sprach davon, dass Bernd und Reiner einen schweren Unfall hatten. Mein Kollege Jürgen Rieber und ich riefen dann sofort bei Schiedsrichterchef Peter Rauchfuß an. Er teilte uns die entsetzliche Nachricht mit. Wir saßen in der Kabine und weinten.

Sind Sie am Abend noch heimgefahren?
Uns wurde angeboten zu übernachten, Lübbeckes Trainer Markus Baur wollte uns sogar persönlich nach Hause fahren. Nach langer Überlegung sind wir dann aber doch selbst heimgefahren.

Wie gut haben Sie die Methes gekannt?
Unser Verhältnis ging weit über die normale Kollegialität unter Schiedsrichtern hinaus. Wir haben ein paarmal zusammen beim Final Four in Hamburg gepfiffen. Dadurch kannten sich auch unsere Frauen gut. Bernd und Reiner waren sogar bei der Hochzeit von Jürgen Rieber dabei. Mit Jürgen haben die Methes am vergangenen Freitagvormittag noch telefoniert. Sie wollten am Samstag auf dem Weg nach Frankfurt bei ihm in Nürtingen zum Mittagessen vorbeikommen. Das Ganze ist an Tragik nicht zu überbieten.

Haben Sie nähere Informationen, wie es zu dem Unglück kommen konnte?
Nein, wir wissen nur, dass die beiden am Freitag Ihren neuen E-Klasse-Mercedes auf dem Weg zum Spiel in Balingen in Sindelfingen abgeholt haben.

Allen Bundesliga-Schiedsrichtern wurde freigestellt, wann sie wieder anfangen zu pfeifen. Wie halten Sie es?
Wir sind für die Bundesligapartie TBV Lemgo gegen MT Melsungen am kommenden Samstag eingeteilt. Wir werden das Spiel leiten, aber ich kann derzeit nicht sagen, wie es wird.

Wissen Sie wie die anderen Gespanne damit umgehen?
Ich weiß von keinem Gespann, das abgesagt hat. Die Kollegen sind der einhelligen Meinung: Sie pfeifen für Bernd und Reiner. Das wäre in ihrem Sinne. Und das sehen wir auch so.

Schiedsrichter-Chef Rauchfuß hat die Terminhatz für die Unparteiischen moniert. Er fordert ein Umdenken. Hat er recht?
Jürgen Rieber und ich haben bis zum 26. Dezember noch elf Spiele zu pfeifen. 35 bis 40 Spiele pro Saison sind normal. Man umrundet mindestens einmal die Welt im Jahr. Und nicht zu vergessen: Wir gehen 40 Stunden pro Woche unserem Hauptberuf nach.

Und dafür bekommt ein Bundesliga-Schiedsrichter 500 Euro brutto pro Spiel.
Ums Geld geht es sicher nicht. Wir werden angemessen entschädigt, wenn auch natürlich nicht vergleichbar mit dem Fußball. Es geht vielmehr darum, den internationalen Terminkalender zu minimieren. Nicht nur die Spieler stöhnen seit vielen Jahren über die enorm hohe Belastung, sondern auch wir Schiedsrichter.

Ihrem Bundesliga-Schiedsrichterkollegen Lars Geipel geht es auch um mehr Respekt für die Unparteiischen. Ihnen auch?
Tatsache ist, dass wir zahlreiche Tage unseres Jahresurlaubs für unsere ehrenamtliche Tätigkeit opfern. Wir trainieren, schauen Videos und stecken viel Zeit in die Analyse, um auf Spitzenniveau zu sein - wie die Spieler in der stärksten Liga der Welt eben auch. Ein kleines bisschen mehr Anerkennung wäre ab und zu vielleicht angebracht.

Peter Rauchfuß sprach auch davon, dass der Kommerz zu sehr im Mittelpunkt stehe. Wie meinte er das?
Das zielt darauf ab, dass der Terminplan zum großen Teil vom Fernsehen diktiert wird. Es ist eben nur dann viel Geld zu verdienen, wenn die Spiele live übertragen werden. Das trifft vor allem auf die internationalen Begegnungen zu, die zum Teil donnerstags stattfinden.

Handball-Bundesliga-Geschäftsführer Frank Bohmann will sich dafür starkmachen, den internationalen Kalender zu korrigieren.
Wir würden es jedenfalls begrüßen, wenn es zu berechenbaren Terminen kommen würde, vor allem international.

Würden Profi-Schiedsrichter weiterhelfen?
Nein, das würde das Problem nicht lösen. Profi-Schiedsrichter würden alles noch viel teurer machen. Sie sind nicht bezahlbar.